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Review

Ancient Mountain: Ghetto Dub Vol. 2

Allein schon ein Albumtitel wie „Ghetto Dub“ lässt auf ein veritables One Drop-Bassmonster aus den tiefsten 1970ern, Marke „Blackheart Man“, hoffen. Wenn als Artist dann auch noch ein majestätisch-ehrwürdiges „Ancient Mountain“ angeführt wird, steigt die Erwartung ins Unermessliche: So ein Album hat keine andere Wahl als entweder fetzgeil oder grottenschlecht zu sein; dazwischen gibt’s Null Spielraum. Aber wie das nun mal ist mit vorgefassten Meinungen: Sie halten der Realität nicht stand. Und so staunt der Rezensent nicht schlecht, als er entdeckt, dass es sich hier um eine deutsche Produktion handelt. Eine ausgiebige Recherche und ein Interview später ist die Welt wieder in Ordnung und das Album in Perspektive gesetzt. Also mit Kopfsprung rein in die Materie und her mit den Hardcore-Facts:

Ancient Mountain ist Label, Studio und musikalisches Projekt von Martin Musch und Markus Dassmann. Während letzterer als Multiinstrumentalist Bass, Gitarre, Piano, Orgel und Melodica einspielt, steuert Musch Schlagzeug und Mix bei und ist damit im wahrsten Sinn des Wortes tonangebend. Für alle, die Linernotes lesen, ist der Drummer kein Unbekannter – mit Uwe Banton’s Movements, der Sharp Axe Band oder Irie Miah’s Massive Vibes ist er längst fixer Teil der deutschen Reggae-Szene; über Markus Dassmann von den Senior Allstars braucht man wohl kein Wort mehr zu verlieren.

Ghetto Dub Vol. 2“ (Ancient Mountain Records) ist nicht die erste Zusammenarbeit der beiden; auf dem 2020 erschienen De Soto-Album „Silverado Days“ hatte Dassmann den Lead und setzte seine musikalischen Vorstellungen um. Das wird im direkten Hörvergleich offensichtlich: „Silverado Days“ könnte durchaus als zugänglicheres Senior Allstars-Album durchgehen; zwar bei weitem nicht so kopflastig, aber vom Mix her ein typischer Altherren-Release: flacher als flach. „Das sind nahezu 15 Jahre alte Homestudio-Aufnahmen, die Markus im Alleingang fertig eingespielt und gemischt hat – ich habe lediglich die Drums beigesteuert“, erklärt Musch. „Für die Ancient Mountain-Aufnahmen hingegen nutzen wir ein professionelles Analog-Studio, wo noch eine Hammondorgel mit Leslie-Speaker steht; es gibt ein Klavier, ein Wurlitzer E-Piano, eine Riesenauswahl an alten (Röhren-)Mikros und die entsprechende Technik dazu.“ Danach geht‘s mit den Old School-Aufnahmen ins eigene Ancient Mountain Studio, wo Musch die Sachen „hybrid“, sprich mit Hilfe von ausgesuchten analogen EQ’s und Kompressoren, Federhall und einem kleinen Pult abmischt. 

Ghetto Dub Vol. 2 und sein (derzeit nur auf Bandcamp erhältlicher) Vorgänger Vol. 1 sind – entgegen der vom Titel herrührenden Erwartungen – von der klassischen Idee der B-Sides und Versions beseelt. „Als „Ghetto Dub“ bezeichnen wir eine Spielart des Reggae – den klassisch hart gespielten und reduzierten Channel One-Sound in Moll, wie ihn die Revolutionaries oder die Roots Radics zu ihrer Blütezeit Ende der 1970er bis Anfang der 80er gepflegt haben.“ Davon ab gesehen, so Musch, bedeute „Ghetto“ fernab vom soziokulturellen Kontext natürlich auch einen Raum beschränkter Möglichkeiten und Improvisation. Soll heißen: Keiner der Tracks wurde mit der Absicht eines Album-Releases aufgenommen. Es ist vielmehr die klassische Resteverwertung – aus einem Sammelsurium an musikalischen Ideen, dass sich im Laufe der Zeit angesammelt hat und zu Schade zum Wegwerfen war; von musikalischen Bruchstücken, die anderswo doch nicht veröffentlicht wurden und übrig blieben. Das tut der Qualität des Materials allerdings keinen Abbruch: „Was bei Ancient Mountain letztlich zählt, sind gute Songs und ein spezieller Analogsound.“

Die Übung ist durchaus gelungen: „Ghetto Dub Vol. 2“ glänzt zwar nicht mit rauschenden Dub-Effekten – dafür sind die simplen und damit umso eingängigeren Basslines bestes klassisches Reggae-Handwerk. Martin Musch gibt dazu kongenial seinen besten Sly Dunbar: „Wir können unseren musikalischen Background nun mal nicht verleugnen: Channel One, Sly & Robbie, die Roots Radics usw. sind musikalischen Riesen, die diesen einzigartigen Sound geschaffen haben und den wir zu reproduzieren versuchen.“

Keine Frage, originäre Sounds und qualitativ hochwertiger Klang sind Musch persönlich wichtiger als flashige Effekte: „Wir nutzen ausschließlich akustische Instrumente. Ein Flügel, der mit zwei Kondensatormikrofonen abgenommen wird, klingt eben immer noch anders als die beste Emulation.“ Gerade bei den Drums, die Musch überwiegend ohne Clicktrack eingespielt hat, kommt die analoge Aufnahmetechnik den Hörgewohnheiten sehr entgegen. „Mit meinem Hintergrund als Schlagzeuger versuche ich einen spannenden Kontrast zwischen weichen Sounds und perkussiven Elementen zu schaffen. Viel Sound kommt natürlich auch aus den Fingern, sprich der langjährigen Erfahrung. Ohne einen versierten Universalmusikern wie Markus Dassmann würde Ancient Mountain sicher anders klingen.“ 

Also Routine und Können versus kreativem Wagemut? Nun ja, mit „Ghetto Dub Vol. 2“ wird sicher nicht King Tubby‘s Wiederauferstehung abgefeiert – dafür setzten Musch und Dassmann auf kleine Bass-Juwelen und den klassischen, aber heute um Welten besser klingenden analogen Sound: Channel One Deluxe, sozusagen. Allein zwei mediokre Ausflüge ins Funkige stören den Album-Flow und mindern den positiven Gesamteindruck – ohne sie wäre das Album wahrscheinlich die in sich stimmigste Resteverwertung ever.

Bewertung: 4 von 5.

4 Antworten auf „Ancient Mountain: Ghetto Dub Vol. 2“

Sorry, wenn mein Kommentar der Rezension nicht im Geringsten gerecht wird. „Ancient Mountain 2“ ist sozusagen ein Opfer meiner „DubDekadenz“. Wobei „Dekadenz“ ja doch etwas anderes Bedeutet, als das, wofür es hier stehen soll. Ich meine das mal wieder in Form von Überfluss mit dem kompletten Verlust von Wertschätzung für Einzelheiten und dem Mangel an Demut für die Kreativität der großen Vielzahl an Künstlern, die sich mit meinem ( unserem ) Lieblingswerk beschäftigen. Wenn überhaupt, erfreue ich mich immer noch an „Ancient Mountain Vol.1“, welche in professionellem Vinyl mit „schönem 30×30 Cover“ bei mir Zuhause in ganz seltenen Fällen mal aufgelegt wird. Ich fand die auf Anhieb gut aber bei mehrmaligem Hören ist sie mir doch als „zu gewöhnlich“ in Erinnerung gebleiben. Also kommt mir Vol.2 jetzt schlichtweg „ungelegen“, um mich voller Neugier darauf zu stürzen. Mit ziemlicher Sicherheit
entgeht mir da wohl auch der eine oder andere magische Moment aber es gibt nunmal jede Menge Dubs, die mich mehr faszinieren.
„Resteverwertung“ ist für mich im Dub kein Aussch(l)usskriterium aber sowas muss dann schon vom Adrian ordentlich mit DubTechnik „beschmutzt“ werden, damit meine Neugier nicht nur geweckt, sondern auch befriedigt wird.
Also Vol.2 ist bestimmt auch ganz Ok aber ich bin mit Vol.1 noch nicht „fertig“.

Bis denne …………………. lemmi

Unfortunately no gtkriz, even after the tenth attempt, “Ancient Mountain: Ghetto Dub Vol. 2” is and remains very boring! I’m very sorry, but that’s how I feel.

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