Kategorien
Five Star Review

JEFF the Brotherhood meets Blanc du Blanc: Magick Songs In Dub

Wer ausschließlich Dub in Kombination mit Reggae Riddims mag, sollte an dieser Stelle nicht weiterlesen, da „JEFF the Brotherhood meets Blanc du Blanc: Magick Songs In Dub“ (Soul Selects Records) völlig anders ist. Möglicherweise hat es sogar im Dubblog nichts verloren, weil…

Trotzdem handelt es sich um eine äußerst fesselnde Entwicklung im Dub-Genre. Ich kann nichts dagegen tun, das Album „Magick Songs In Dub“ hat mich vor zwei Tagen wirklich wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen. Ohne große Umschweife: Ich sehne mich nach solchen Alben, und ich kann euch auch den Grund nennen. „JEFF The Brotherhood Meets Blanc Du Blanc: Magick Songs In Dub“ spricht direkt meine musikalische Prägung an (Psychedelic, Krautrock, Jazz, Dub und mehr).

Die Brüder Jake und Jamin Orrall aus Nashville haben sich seit ihrer Gründung im Jahr 2001 kontinuierlich weiterentwickelt und sind jetzt, nach ihrem brillanten chaotischen Grunge-Sound und verschiedenen Rock’n’Roll-Subgenres, im Bereich des jazzbeeinflussten Art-Rock angekommen. Mit ihrem 2018 veröffentlichten Doppelalbum „Magick Songs“ tauchten die Brüder Jake und Jamin in psychedelische Dimensionen ein und verbanden berauschende Stoner-Grooves mit atmosphärischen Klanglandschaften. Es lag nahe, die mystischen Klangkünstler Blanc du Blanc zu kontaktieren, um gemeinsam das intergalaktische Mini-Album „Magick Songs in Dub“ zu erschaffen. Leider haben nur vier Tracks eine Dub-Transformation erhalten. Diese vier Stücke genügen mir jedoch, um nach mehr zu verlangen. Blanc du Blanc haben ihre zauberhafte Dub-Kunst wunderbar in die bereits eindringlichen Kompositionen eingewoben.

Die EP beginnt mit perkussiven Klängen und mit „Wasted Land Dub“ startet die Reise in andere Klangdimensionen. Darauf folgt „Celebration Dub“ und das alchemistische Tor wird geöffnet. Tiefe Basslinien und Tribal-Percussion verleihen dem Stück ein hypnotisch tanzbares Element. Mit dem 7-minütigen „Many Moods Dub“ – auf dem Original-Album eine ganze Seite – nähern wir uns den Ebenen des Unterbewusstseins. Der Klang wird hypnotisch, mit vielen sphärischen Geräuschen, bis das dissonante Gitarrenchaos einsetzt und mir Gänsehaut über den Rücken jagt. Jetzt versetzt mich der Klang direkt in die Zeit der „Kosmischen Kuriere“ und all der Klangexperimente des Krautrock. Zum schönen Abschluss und zur sanften Landung folgt ein träge fließender „Singing Garden Dub” mit teilweise asiatisch anmutenden Klängen und einem wohlig warmen Saxofon.

Wie bereits erwähnt: „Magick Songs in Dub“ läuft momentan in Dauerschleife, und ich kann wirklich jedem nur empfehlen, sich die Zeit zu nehmen. Das Teil ist irre gut!

Bewertung: 5 von 5.
Kategorien
Five Star Review

Sheriff Lindo And The Hammer: 10 Dubs That Shook The World [2025 Edition]

Wieder ein Album aus Down Under, welches einst komplett und unentdeckt an mir vorübergegangen ist. Zum Glück bekommen wir jetzt die 2025er Ausgabe von „Sheriff Lindo And The Hammer: 10 Dubs That Shook the World [2025 Edition]“ (EM Records). Warum eigentlich 10 Dubs? Auf der LP sind acht Tracks zu hören und auf die CD wurden noch fünf Bonus-Tracks draufgepackt. Egal, es ist das legendäre erste Album von Anthony Maher, einem Mitglied des australischen Experimentalmusik-Ensembles „Loop Orchestra“, das unter dem Namen „Sheriff Lindo And The Hammer“ mithilfe von Bandmitgliedern der „Severed Heads“ damals gerade einmal 250 Exemplare des Albums produzierte. Der Experimentiergeist des Reggae-Maniacs Anthony Maher ging bei den Mixes weit über King Tubbys Dub-Ideen hinaus, wobei er auch in Bereiche des Post-Punk und der britischen experimentellen Avantgarde-Künstler wie David Cunningham und David Toop vordrang. Da die Aufnahmen zu „Ten Dubs That Shook The World“ aus den Jahren 1981 bis 1988 stammen, lässt sich auch vermuten, dass die damaligen experimentellen On-U Sound Alben eines Herrn Adrian Sherwood diese Zusammenstellung von Tonbandexperimenten ebenfalls stark beeinflussten. Oder ist Anthony Maher sogar die australische Antwort auf Adrian Sherwood?


Diese acht fetten Dubs (LP) sind auf jeden Fall geprägt von der Fingerfertigkeit und dem Faderflicking-Timing von Anthony Maher aka Sheriff Lindo. Seine Fähigkeiten für prägnant gesetzte Effekte und Soundspielereien setzt er mit bemerkenswerter Sicherheit ein. Als Schöpfer von „Ten Dubs…” wird Maher für seine Kombination aus jamaikanischem Dub und britischem Industrial sowie Post-Punk als antipodischer Ausreißer der Dub-Musik gepriesen. Er entfernt sich weit von ihrem Ursprung, hat aber immer ein festes Verständnis für ihre fantastische, entmaterialisierte Dynamik.
Was soll man dazu noch sagen? Für mich sind es ein paar Alben im Jahr, die einfach anders und sehr spannend sind. Dazu gehört ab sofort auch der Meilenstein mit Kultstatus „10 Dubs That Shook The World“, der nach 37 Jahren wieder aus den Tiefen des australischen Untergrunds aufgestiegen ist, um endlich an der Oberfläche zu bleiben. Diese acht bzw. 13 Dubs sind weniger eine Zeitkapsel als vielmehr ein Signal, das bis heute mit unverminderter Kraft und Dynamik nachwirkt.

Bewertung: 5 von 5.
Kategorien
Review

Augustus Pablo: King Tubbys Meets Rockers At 5 Cardiff Crescent, Washington Garden, Kingston

Bereits im Herbst 2022 wurde mit „Augustus Pablo and Rockers All Stars: Lightning and Thunder“ eine fantastische Sammlung größtenteils bisher unveröffentlichten Materials aus den Archiven der Pablos veröffentlicht. Zweieinhalb Jahre später fördert Augustus Pablos Sohn Addis für das französische Label Only Roots erneut einige Schätze aus den Archiven von Rockers International ans Tageslicht. Der Titel der Vinyl-LP „Augustus Pablo: King Tubbys Meets Rockers At 5 Cardiff Crescent, Washington Garden, Kingston“ verweist unmissverständlich auf die Adresse des legendären Black Ark Studios. Das neue Album ist wieder eine Fundgrube größtenteils unveröffentlichter Stücke. Die dreizehn zeitlosen Riddims der Rockers All Stars sollen demnach alle im Black Ark Studio von Lee „Scratch” Perry aufgenommen und bei King Tubbys abgemischt worden sein. In Goethes Klassiker höre ich Dr. Faust sagen: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.” Mir geht es genauso, denn ich höre den typischen Black-Ark-Sound kaum. Bei „Tide Rope Dub” hingegen ist Scratchs Handwerk definitiv wahrnehmbar. Trotzdem liefert das Album Dub-Versionen von Perlen wie „Keep a Good Dub” (Immortals: „Why Keep a Good Man Down”), „North Street Dub” (Hugh Mundell: „Run Revolution a Come”), „Home of Dub” (Immortals: „A House Is Not a Home”) und „Stop Them Jah” feat. Jacob Miller (Riddim: „Who Say Jah No Dread”). Von besonderem Interesse sind außerdem zwei alternative Versionen von Pablos „Unfinished Melody”. Einige Tracks der LP erschienen, wenn überhaupt, erstmals vor Jahrzehnten auf extrem raren, verkratzten 10-Inch-Veröffentlichungen.
Bei dieser Zusammenstellung handelt es sich also nicht um eine bloße Wiederveröffentlichung, sondern um äußerst seltene Aufnahmen, die nun einem größeren Publikum zugänglich gemacht wurden. Bezeichnend finde ich, dass auf dem Cover ein sehr junger Augustus Pablo mit seinem Markenzeichen, der Melodica, zu sehen ist. Allerdings ist die Melodica auf keinem der Tracks dieser Veröffentlichung zu hören.

Nachtrag am 25.07.2025:
Mein letzter Satz ist schlichtweg falsch! Nach erneutem, intensivem Anhören muss ich meine Aussage revidieren, denn die Melodica ist im „Home of Dub” eindeutig wahrzunehmen – wenn auch nur kurz.

Bewertung: 4.5 von 5.
Kategorien
Review

Lisabon by Bus: Sincretismo

Im Rahmen seines jüngsten Projektes „Lisabon by Bus“ hat Bruno Crux die Gelegenheit genutzt, seiner Passion für Reggae, Dub und Roots in vollem Umfang nachzugehen. Sein Engagement und Interesse für die karibische Kultur begann Ende der 90er Jahre als Schlagzeuger der Band Nature an der Seite von Freddy Locks. Im Jahr 2007 veröffentlichte er das erste Album von Lisabon by Bus und fundamentierte damit seine musikalische Vision, insbesondere auch durch die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Künstlern. In der Folge wurde das Kollektiv „Fittest of the Fittest“ gegründet, das sich durch die Verwendung eines vollständig analogen Soundsystems auszeichnet und sich auf die Präsentation von authentischem „Roots-Sound“ spezialisiert hat.

Mit seinem jüngst bei Subciety Records publizierten Album „Lisabon by Bus: Sincretismo“ gelingt dem portugiesischen Schlagzeuger und Produzenten Bruno Crux ein eindrucksvolles Comeback. Das Mini-Album beinhaltet vier Instrumentalstücke, gefolgt von jeweils einer von Sr. Dubong gemischten Dub-Version. Die Musikstücke verbinden World-Musik-Klänge mit Reggae-Rhythmen. Der Fokus liegt dabei auf dem Phänomen des „Sincretismo” (Sinkretismus), das an der Schnittstelle unterschiedlicher kultureller und religiöser Einflüsse entsteht. Die Kompositionen demonstrieren eine Verbindung vom damaligen „Ende der Welt“, dem „Finis Terra“ im Westen der Bretagne, zum uralten Mystizismus von Axum im Norden Äthiopiens und von dort über die unendlichen eurasischen Weiten zum Berg Amba Gashen in der äthiopischen Region Amhara. Es ist eine musikalische Reise durch verschiedene geografische Orte, die von Reggae-Grooves geleitet, mit Klängen aus aller Welt angereichert wird. Die vier Instrumentalstücke „Finisterra”, „Aksum”, „Eurasia” und „Amba Gashen” symbolisieren dabei Stationen dieser imaginären Reise.
Die Instrumentierung der Stücke übernehmen Bruno Crux am Bass, an den Gitarren, am Klavier und an den Percussions, Pedro Mighty Drop am Schlagzeug und an den Percussions sowie Zacky Man an den Keyboards. Als besondere Gäste wirken João „The Rooms“ Gonçalves (Klavier und Guzheng bei „Finisterra“, Guzheng bei „Aksum“), Ras Kamarada (Gitarre bei „Aksum“) und Freddy Locks (Gitarre bei „Amba Gashen“) mit.

Bewertung: 3.5 von 5.
Kategorien
Review

Scientist Meets Blanc du Blanc: Before the Beginning

Blanc du Blanc, wer ist das denn? Ich muss zugeben, dass ich diesen Bandnamen noch nie gehört habe, obwohl sie in den letzten Jahren zwei sehr empfehlenswerte Alben („The Blanc Album“; „Regatta du Blanc du Blanc“) und eine EP („Wind of Change“) veröffentlicht haben. Die Band arbeitete bei „Wind of Change“ – der Scorpions-Ballade – sogar mit dem legendären Lee „Scratch“ Perry zusammen und segelten trotzdem unter meinem Radar. Blanc du Blanc ist ein Heteronym. Zum einen ist es eine imaginäre Figur, die derzeit mit Umhang und Maske auftritt. Zum anderen ist es auch das Gesicht einer Gruppe von wechselnden Musikern aus New Jersey, die sich einer einfachen Charakterisierung widersetzen und sich selbst als „created by an undercover artist, working as an agent for Monrovia“ beschreiben.
Es handelt sich um eine Gruppe von Musikern, um Mastermind und Bandleader Chris Harford. Sie agieren live maskiert im Verborgenen und haben Verbindungen zu Bands wie Morphine, Bad Brains und JRAD. Chris Harford ist definitiv kein unbeschriebenes Blatt und wahrlich ein Tausendsassa der amerikanischen Musik- und Kunstszene. Er ist Sänger, Songwriter, Gitarrist und Maler und hat seit 1992 eine Reihe von Alben mit seiner Band „Band of Changes“ veröffentlicht.

In der Welt des Dub / Reggae verlassen sich Musiker und Produzenten normalerweise in der Regel stark auf alte und analoge Geräte und Techniken. Nicht so bei Blanc du Blanc. Im Gegensatz zu den jüngeren Veröffentlichungen anderer Bands, die fast schon historisches Equipment verwenden, ist das Album „Before the Beginning“ eindeutig im digitalen Zeitalter entstanden und erinnert teilweise an modernere Produzenten wie Bill Laswell.

Kommen wir nun zum eigentlichen Objekt der Begierde: Das Projekt „Scientist meets Blanc du Blanc: Before the Beginning“ (Soul Selects Records) ist nicht nur das Aufeinandertreffen zweier genialer Künstler – es ist der Zusammenprall von Welten, Frequenzen und Zeitlinien. Scientist, der Dub-Pionier, der den Sound von Generationen geprägt hat, nimmt die Spektraltransfers von Blanc du Blanc und verwandelt sie in etwas Irdisches und doch Kosmisches. Er lässt jenseitige Klänge auf tief verwurzelte jamaikanische Tradition treffen. Scientist ist in seinem Element und liefert, was das Dub-Herz begehrt: Hypnotische Delays, interstellare Reverbs und fette Basslines, die durch die Galaxien schwingen. Sie bilden ein Portal zu einer neuen Dub-Dimension, in der die Echos der Vergangenheit auf die Zukunft des Sounds treffen. Scientist vermischt analoge Wärme mit experimentellem Drift und nimmt uns mit auf eine Klangreise durch Raum und Zeit. Er erkundet Frequenzen, bei denen die Bässe wie kosmische Wellen vibrieren.
Dabei bleiben Scientists Markenzeichen, das Live-Mixing und die Konzentration auf den Klang. Und diese sind durchgängig präsent, was von abstrakteren Beiträgen von Blanc du Blanc überlagert wird. Traditionelle Dub-Motive werden durch gefilterte Synthies, Ambient-Texturen und subtile Dissonanzen ersetzt. Hier geht es definitiv nicht um den Rhythmus, sondern um die Stimmung. Die Struktur weicht definitiv einem tonalen Drift. Für mich steht fest: Das ist Musik zum Abhängen und Treibenlassen.

Bewertung: 4 von 5.
Kategorien
Review

Gladiators: Roots Natty

Obwohl die Karriere der Gladiators mehr als 40 Jahre umspannte, standen sie meines Erachtens nicht in der ersten Reihe der Jamaikanischen Vokal-Trios. Dennoch haben die Gladiators die Entwicklung der jamaikanischen Musik von Rocksteady über Roots bis hin zum modernen Reggae souverän gemeistert. Wie viele Bands hatten auch sie ihre Blütezeit von Mitte der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre.

Mit der Veröffentlichung von „Gladiators: Roots Natty“ (Tabou1) zum Record Store Day erhalten Reggae-Fans eine schöne Zusammenstellung einiger ihrer frühen Stücke aus der Blütezeit der Roots-Ära, als Tony Robinson noch Produzent der Gladiators war. Einzige Ausnahme ist der Opener „Give Thanks And Praise“ – eine seltene Yabby You-Produktion. Die Lead Vocals stammen von Clinton Fearon und auf dem nahtlos anschließenden Toast ist der im April 2021 verstorbene DJ Trinity a.k.a. Junior Brammer zu hören. Die meisten der 11 Tracks auf „Roots Natty“ sind seltene jamaikanische Singles und Maxis, die bisher weder auf LP noch digital erhältlich waren. Auf dem Album sind noch die Originalmitglieder Albert Griffiths, Clinton Fearon und Gallimore Sutherland zu hören. Insgesamt repräsentiert „Roots Natty“ die Essenz feiner, zeitloser jamaikanischer Musik. Die Compilation enthält zweifellos das eine oder andere Stück, das man so noch nie gehört hat. Die meisten kennen sicherlich „Jah O Jah O“, einen der mitreißendsten Tracks des Albums, mit seiner dreckigen, fetten Bassline und dem sofort wiedererkennbaren Refrain. Weniger bekannt dürften die Dub-Version von „Till I Kiss You“ oder die Ganja-Hymne „Light Up Your Spliff“ sein. Mit insgesamt nur 11 Tracks ist „Roots Natty“ etwas kurz geraten, aber mir gefällt alles an dieser Veröffentlichung. Großartiger Gladiators-Gesang, dazu einige Bonus-Dubs von „Give Thanks“ und „Nyabinghi Marching“. Alles bisher unveröffentlichte Aufnahmen, extended Versions und jamaikanische Mixe, die angeblich härter, dreckiger und basslastiger klingen als das, was für den Rest des westlichen Musikmarktes produziert wurde.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Aufnahmen, die ursprünglich nur in kleinen, exklusiven Auflagen auf Jamaika veröffentlicht wurden, die ungeschönte, authentische Energie der Gladiators vorbildlich repräsentieren.

Bewertung: 4 von 5.
Kategorien
Review

Dub Syndicate: Obscured By Version

Vom anfänglichen Studioprojekt der ersten Dub Syndicate Jahre, hat sich die Band grundlegend gewandelt. Lincoln Valentine „Style“ Scott wurde Ende der 80er Jahre Bandleader und Co-Produzent, trat in den Vordergrund und etablierte Dub Syndicate als faszinierenden Live-Act auf zahlreichen Festivals. Dub Syndicate wurde Style Scotts wichtigstes musikalisches Projekt. Dies war auch die Blütezeit der Band. Mit einer Reihe von Alben, die das Beste der aktuellen jamaikanischen Musik mit den wilden Studioexperimenten des britischen Produzenten Adrian Sherwood verbanden, schufen die beiden eine bahnbrechende Musik, die Dreads, Potheads und Raver gleichermaßen begeisterte. Tragischerweise fand Dub Syndicate ein jähes Ende, als Style Scott, einer der bedeutendsten Drummer Jamaikas, am 9. Oktober 2014 in seinem Haus in Jamaika sinnlos ermordet wurde.

Nach der „Ambience In Dub„-Box, die die frühen Dub Syndicate Alben zusammenfasste, knüpft „Out Here On The Perimeter“ genau da an, und setzt die Geschichte Ende der 1980er bis 1996er Jahre fort. Die vier Alben aus der „Strike The Balance“, „Stoned Immaculate“, „Echomania“ und „Ital Breakfast“ Ära wurden gerade auch auf Vinyl neu aufgelegt. Außerdem hat Adrian Sherwood ein spezielles Bonusalbum „Obscured by Version“ (On .U Sound) mit brandneuen Versionen von Rhythmen aus dieser Zeit zusammengestellt.
„Obscured by Version“, das sowohl einzeln als auch als Teil der Dub Syndicate Box „Out Here on the Perimeter 1989 –1996“ veröffentlicht wurde, ist Adrian Sherwoods 2025er-Neuauflage und Neuinterpretation von Material aus dieser glorreichen Zeit. Die Veröffentlichung bleibt dem ursprünglichen Sound der Gruppe treu, der tief in der Reggae- und jamaikanischen Musiktradition verwurzelt ist, und erweitert gleichzeitig die Grenzen des Dub mit ungewöhnlichen Echos, Samples und Soundeffekten. Einige Vocals und Rhythmen werden den Fans der Originalalben bekannt vorkommen, dennoch klingt alles frisch und knackig wie ein brandneues Werk im Stil der früheren Arbeiten von Dub Syndicate. Die Qualität ist auf dem gleichen hohen Niveau. „Plains of Africa (Echo, Echo, Echo)“ stammt von „Echomania“, „Pleasurezone Transmitter“ basiert auf „Dubbing Psycho Thriller“, einer verrückten, wie immer etwas abgedrehten Performance von Lee „Scratch“ Perry. „Intercommunications“ stammt von der großartigen 1987er-Single „Night Train“ – einer meiner absoluten Lieblingstracks von Dub Syndicate. „Command Centre“ lässt sich relativ leicht von „Roots Commandment“ ableiten und „Alive And Burning Bright“ ist im Original „Glory To God“.
Adrian Sherwood gelingt mit seinen Neuinterpretationen eine angemessene Hommage an die langjährige Freundschaft und kreative Zusammenarbeit mit Style Scott. „Obscured by Version“ klingt so frisch und innovativ wie alle Dub Syndicate Klassiker zuvor.

Bewertung: 4.5 von 5.
Kategorien
Review

Gregory Isaacs: Slum in Dub (Re-Release)

Die Freunde des Reggae und Dub werden sich über die Wiederveröffentlichung dieses Dub-Albums freuen. Ursprünglich wurde „Slum in Dub“ 1978 in England bei Burning Sounds veröffentlicht und gleichzeitig in Jamaika von Gregory Isaacs auf seinem Cash & Carry Label unter dem Titel „Dub In The Slum“ herausgebracht. Die A-Seite der Burning Sounds-Ausgabe war die B-Seite des Cash & Carry-Labels und umgekehrt. Im Laufe der Jahre wurde „Slum in Dub“ in regelmäßigen Abständen immer wieder neu aufgelegt. Die neueste Vinyl-Veröffentlichung kommt wieder von Burning Sounds. Wie das Original enthält die LP keine Bonustracks und erscheint auf farbigem Vinyl.

Vor allem enthält „Slum in Dub“ Dub-Versionen von Stücken aus Gregory Isaacs’ selbstproduziertem Album „Cool Ruler“ aus dem Jahr 1978. Von „Public Eyes“ bis „Aso“ sind die Originale auf der „Cool Ruler“ zu finden. Eine Neuinterpretation des „Party Time“ Riddims findet sich auf „Nigger“ und „Leaving“ heißt im Original „Black Against Black“ und ist auf Gregorys „Extra Classic“. Der vorletzte Track „Leggo Beast“ wird dem einen oder anderen als „Spirit Of Umoja“ von Dennis Brown oder Augustus Pablo bekannt sein. Der Riddim ist der Heptones-Klassiker „Sweet Talking“. Das Album schließt mit „Embarrassment“, dem Leroy Sibbles & Heptones Song „Love Won’t Come Easy“ aus alten Studio One Zeiten.
Gemischt wurde das Ganze vom legendären Prince Jammy aka King Jammy im King Tubby’s. Aufgenommen wurde das Album zusammen mit den Revolutionaries im Channel One Studio in Kingston. Ein herausragendes Merkmal von „Slum in Dub“ ist die außergewöhnliche Klangqualität und der meisterhafte Mix von Jammy. Jammy beschränkt sich mehr auf den Einsatz von Effekten und hält sich beim Weglassen von Instrumenten deutlich zurück, so dass die originalen Melodielinien nahezu unangetastet bleiben. Die subtile Integration von verblassenden Gesangsfragmenten, die sparsam über die Tracks verstreut sind, trägt zu einem fesselnden Hörerlebnis bei.

„Slum in Dub“ ist eines der herausragenden Alben aus der Blütezeit des Dub. Jeder Track ist ein echter Klassiker. Die Rhythmen sind ansteckend und die Klangwelten, die sich daraus ergeben, einfach spacig. Dieses Album zeigt wieder einmal überdeutlich, dass ein starkes Ausgangsmaterial immer noch der Schlüssel zu einem großartigen Dub-Album ist, das „Slum In Dub“ in meinen Ohren nun mal ist. Irgendwie scheinen die Melodien schon immer da gewesen zu sein.

Bewertung: 4.5 von 5.
Kategorien
Five Star Review

Ono-Sendai Sound Battles The Root Of All Evil

Schon der große Pablo Picasso wusste: „Gute Künstler kopieren. Große Künstler stehlen“. Oder wie wir Deutschen sagen: „Gut geklaut ist besser als schlecht selbst gemacht“. Der Kreative nennt diesen Prozess „Inspiration“. So ähnlich muss wohl „Ono-Sendai Sound Battles The Root Of All Evil“ entstanden sein. Der in Tilburg (NL) lebende Multiinstrumentalist, über den so gut wie nichts in Erfahrung zu bringen ist, liefert uns hier einen Sound, man könnte auch sagen eine Reminiszenz an längst vergangene Zeiten und verstorbene Helden dieses Genres. Insbesondere an King Tubby, Yabby You, Roots Radics, Lee Perry, Joe Gibbs, Scientist, Errol T und so viele andere, denen wir diese wunderbare Musik verdanken.
Ein kreativer Prozess wie die Entstehung eines so großartigen Albums findet nie im luftleeren Raum statt. Vielmehr ist das Ergebnis dieses Weges die logische Folge einer Verkettung von Eindrücken, die der Künstler sammelt und mit seinen Erfahrungen in Einklang bringt. Wenn man zum Beispiel ganz normal Musik hört, werden diese Eindrücke als unbewusste Wahrnehmungen im Gehirn abgespeichert. Kreative Menschen wie Ono-Sendai Sound scheinen diese Dinge aufzusammeln, wie ein Eichhörnchen, das Nüsse hortet, um sie dann abzurufen, wenn sie gebraucht werden.
Aber viel wichtiger ist natürlich die bewusste Inspiration durch aktives Beobachten und Zuhören weit über den eigenen Tellerrand hinaus. So oder so ähnlich muss Ono-Sendai Sound vorgegangen sein. Für „Battles The Root Of All Evil“ hat er sich einige Reggae-Klassiker von Johnny Clarke, Peter Tosh, Eek-A-Mouse, John Holt, Gregory Isaacs und anderen vorgenommen und daraus ein zeitgemäßes, packendes Dub-Album gemacht. Die Riddims sind nach wie vor unübertroffen und die Textsamples untermalen diesen atemberaubenden Mix. Hall getränkte Percussions bahnen sich ihren Weg durch einen dichten Schleier aus Echos und Hall. Selbstverständlich bilden auch hier Bass und Schlagzeug das Rückgrat dieser detailverliebten Produktion. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf jeden einzelnen Track speziell eingehen, denn für mich zählt der Gesamteindruck des knapp 35-minütigen Albums, das es in diesem noch jungen Jahr bereits in meine engere Auswahl für die Jahresbestenliste geschafft hat.
Abschließend muss ich doch noch einen Track erwähnen, „Rich Mans Curse Dub“, weil er mich mit diesem permanent bedrohlichen Geräusch eines kreisenden Hubschraubers irgendwo fesselt und gleichzeitig schlimme Erinnerungen an die Berichterstattung über den Vietnamkrieg weckt. Eine eindringlichere Version von „Police in Helicopter“ habe ich bislang noch nicht gehört.

Bewertung: 5 von 5.
Kategorien
Five Star Review

The Skatalites: Herb Dub – Collie Dub

Obwohl die Original Skatalites mit dem Posaunisten Don Drummond nur von Mai 1964 bis August 1965 existierten, nehmen sie einen fast mystischen Platz in der vielfältigen Musikgeschichte Jamaikas ein.
Zehn Jahre nach dem Tod Don Drummonds und dem traurigen Ende der Skatalites trommelte der Bassist Lloyd Brevett einige seiner ehemaligen Bandkollegen zu einer Reunion zusammen. Produziert wurden die Sessions von Lloyd Brevett und Glen Darby, der bereits mit 14 Jahren für Coxsone Dodd bei Studio One sang und Mitglied der Scorchers war. Der harte Kern der legendären Skatalites bildete die Kernbesetzung für dieses Projekt: Lloyd Brevett, Lester Sterling, Rolando Alphonso, Tommy McCook und Jackie Mittoo. Doch damit nicht genug, auch die besten Studiomusiker der Zeit wie Horsemouth Wallace, Benbow Creary, Augustus Pablo, Chinna Smith, Ernest Ranglin waren mit von der Partie, und Don Drummonds Posaune wurde durch Vin Gordon ersetzt. Aber der größte Coup war meiner Meinung nach das Hinzufügen der Sons Of Negus Nyahbinghi Dummer Bongo T, I-Marts und Sidney Wolf. Lloyd Brevett wollte einen Sound, wie er ihn als Jugendlicher bei den Grounations in den Rasta Camps von Wareika Hills und Bull Bay erlebt hatte, denn diese Chanting und Reasoning Sessions waren sowohl musikalisch als auch mental prägend für ihn.
Lloyd entwickelte für die bevorstehenden Studio-Sessions die Melodien und Rhythmen zusammen mit Tommy McCook während einiger Jam-Sessions in seinem Haus in der Henderson Avenue, Waltham Park Road. An den Sessions sollen bereits die Nyahbinghi Drummer teilgenommen haben.
Danach ging es zuerst ins Black Ark Studio, wo drei Titel des Albums aufgenommen wurden. Brevett erinnert sich, dass er, McCook und die Nyahbinghi Drummer von Benbow Creary, Augustus Pablo und Chinna Smith begleitet wurden. Die restlichen fünf Stücke des Albums wurden im Aquarius Studio von Herman Chin Loy aufgenommen. Im Aquarius wurde die Liste der Musiker um Rolando Alphonso, Lester Sterling und Johnny Moore erweitert. Ernest Ranglin ersetzte Chinna Smith, und Benbow wurde durch Leroy „Horsemouth“ Wallace ersetzt. Das Album wurde 1976 mit dem Titel „The legendary Skatalites“ veröffentlicht. Spätere Ausgaben hießen schlicht „African Roots“. Einige Zeit später erschien in England die Dub-Version des Albums unter dem Titel „The Skatalites: Herb Dub – Collie Dub“ in einer Miniauflage von 200 Stück. Die im Black Ark produzierten Bänder waren zu King Tubby in die Dromilly Avenue, Kingston 11, gebracht worden, der daraus drei fantastische Dubs machte. Bei den im Aquarius Studio aufgenommenen Instrumentalspuren schlug Lloyd Brevett vor, die Dubs direkt von Herman Chin Loy abmischen zu lassen. Doch Clive Hunt bestand darauf, dass die Abmischung zwischen ihm und Karl Pitterson aufgeteilt wurde. Obwohl das Album in zwei grundverschiedenen Studios aufgenommen wurde, ist der Sound homogen, komplex, tiefgründig und von höchster musikalischer Qualität. Glen Darby erinnert sich, dass es für die Musiker, die an diesem Album beteiligt waren, immer mehr als nur eine weitere Aufnahmesession war. „Sie haben es nicht wirklich wegen des Geldes getan. Sie wollten die Band, die Skatalites, wiederbeleben.“ Es wurde ein Reunion-Album, denn drei Jahre später waren die Skatalites wieder auf Tour. Auf jeden Fall klangen die Aufnahmen der Skatalites weder vorher noch nachher so wie auf diesem Album. Das ist kein Ska, das ist echter Nyahbinghi Roots Reggae Dub von seltener Qualität, wunderbar gespielt und abgemischt. Ein essenzielles Album, das von LB Records/Studio 16 endlich wieder auf Vinyl veröffentlicht wird und unbedingt in jede Sammlung gehört.

Bewertung: 5 von 5.

Zur Info: Da ich die Neuveröffentlichung von 2024 auf keiner Streaming-Plattform finden konnte, musste ich leider auf die Compilation der Veröffentlichung von 2001 zurückgreifen, was aber meiner Meinung nach nicht weiter tragisch ist, denn darauf wird noch weit mehr geboten.