Obwohl er es mehr als verdient gehabt hätte, stand er nie in der ersten Reihe der erfolgreichen jamaikanischen Sänger. Aus diesem Grund sind die Informationen über ihn sehr spärlich. Dennoch wage ich eine These: Ohne Roman Stewart hätte es keinen Dennis Brown gegeben. Wie man in der einschlägigen Literatur nachlesen kann, hat Roman Dennis das Singen beigebracht. Die stimmlichen Ähnlichkeiten sind in der Tat frappierend, man schließe die Augen und lausche. Wen hört man? Nein, nicht den jungen Dennis Brown, sondern Roman Stewart mit einem „verschollenen“ Album. Ganz abgesehen davon, dass „Roman Stewart: Give Thanks ‚Showcase‘ “ (Thompson Sound) nie als Album konzipiert war. Einige Titel wurden bereits 1979 von Linval Thompson auf seinem Label Thompson Sound als Singles oder Maxi-Singles veröffentlicht und waren seitdem nie wieder erhältlich. Außerdem sind drei unveröffentlichte und völlig neue Tracks und ihre Dub-Versionen zu hören: Give Thanks, Give Thanks Dub, I’m In A Bad Mood, I’m In A Bad Mood Dub, Hello Baby und Hello Baby Dub.
Seine Karriere startete der 1957 geborene Roman Stewart, als kleiner Junge auf der Straße und am Pier, wo die Kreuzfahrtschiffe anlegten. Dort sang er für die Touristen, und sein Freund Freddie McGregor sammelte das Geld ein, das die Leute zu geben bereit waren. Roman war 1968 gerade 11 Jahre alt, als er seine erste Aufnahme „While I Was Walking“ als Romeo Stewart And The Tennors With Tommy McCook And The Supersonics aufnahm. Im Jahr 1974 hatte Roman seinen ersten Hit „Hooray Festival“. Ein Song aus der Feder seines älteren Bruders Neville alias Tinga Stewart und Willie Lindo. Nach seinem ersten Durchbruch gelang ihm 1976 mit dem von Tommy Cowan produzierten „Hit Song“ ein weiterer Erfolg.
Im Großen und Ganzen waren die frühen 1970er Jahre eine erfolgreiche Zeit für Roman. Er begann, neue Songs für bekannte Produzenten wie Glen Brown (Never Too Young), Derrick Harriott (Changing Times), Everton Da Silva (Rice & Peas), Phil Pratt (Fire At Your Heel) und Linval Thompson aufzunehmen. Obwohl er 1976 in die USA emigrierte, hielt er stets engen Kontakt zu seinem Heimatland und machte dort weiterhin zahlreiche Aufnahmen. Man sagt, „Rice and Peas“ sei sein bekanntester Song, den er 1979 auch für Linval Thompson aufnahm. Insgesamt nahm er mehr als 70 Singles und eine gute Handvoll Alben auf und konnte auf eine mehr als 30 Jahre währende Karriere zurückblicken. Am 25. Januar 2004 starb Roman alias Romeo oder Romie Stewart im Alter von nur 46 Jahren an einem Herzinfarkt. Am Abend zuvor hatte er ein Konzert seines guten alten Freundes Freddie McGregor besucht. Danach ging Roman zu einer Geburtstagsfeier, wo er noch zwei Lieder sang. Als Roman sein drittes Lied singen wollte, soll er das Mikrofon ausgeschaltet und über Schmerzen in der Brust geklagt haben. Später brach er zusammen und wurde ins Krankenhaus gebracht, wo er im Koma lag und am nächsten Tag starb.
Über zwanzig Jahre nach diesem tragischen Ereignis kommt nun Linval Thompson mit den verschollenen geglaubten Bändern um die Ecke. Der Gesang von Roman Stewart und die kraftvollen Riddims der Roots Radics Band wurden im Channel One Recording Studio der Hookim Brüder in der Maxfield Avenue in West Kingston, Jamaika, aufgenommen. Wie gesagt, Linval Thompson fand die Originalbänder und beauftragte Roberto Sánchez, sie in seinem A-Lone Ark Muzik Studio im spanischen Santander neu abzumischen. Dank der sachkundigen Konservierung des analogen Vintage-Sounds fühlt sich der Hörer in die frühe Dancehall-Ära zurückversetzt. Der kraftvolle Titeltrack „Give Thanks“ ist ein klassischer Roots-Song, der noch nie zuvor veröffentlicht wurde. Der Track und sein Dub-Pendant bieten einen fantastischen, basslastigen Riddim. Mit „Baby Come Back“ wendet sich Roman Stewart einem Liebeslied zu. Der Song wurde ursprünglich in England als 12? Vinyl von Cool Rockers veröffentlicht, einem kurzlebigen Ableger von Greensleeves Records, der sich auf Lovers Rock konzentrierte. Als Begleitband wurden The Revolutionaires genannt. Dass Roman sowohl in der Roots- als auch in der Lovers-Sparte des Reggae zu Hause ist, zeigt er überdeutlich. „Mr. Officer“ ist ein Stück, in dem es um die Probleme geht, die der Besitz des grünen Krauts (Herb, Lambsbread, Ganja, Kaya, Collie) mit sich bringt. Die restlichen Tracks auf dieser LP beschäftigen sich eher mit Herzensangelegenheiten, insbesondere mit Problemen, die zu Komplikationen in Beziehungen führen. Jeder Track hat seine eigenen Vorzüge und ist es wert, mehr als nur einmal gehört zu werden. Gesanglich glänzt Roman Stewart bei jedem Stück, und auch die schwergewichtigen Dubs von Roberto Sánchez sind ein echter Hörgenuss. Ein weiteres Mal hat der Dubmaster aus Nordspanien demonstriert, dass er erfahren genug ist, aus historischen Aufnahmen ein zeitgemäßes Album mit dem klassischen Sound des goldenen Zeitalters des Reggae zu schaffen.