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Five Star Review

Augustus Pablo: Original Rockers

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VP/Greensleeves fährt fort mit der Aufarbeitung des Augustus Pablo-Erbes. Die Wahl fällt dieses Mal auf die bekannte Compilation „Original Rockers“ (VP). Ursprünglich 1979 als 10-Track-LP auf Greensleeves erschienen, versammelte die Scheibe einige der spannendsten Pablo-Produktionen aus der zweiten Hälfte der 1970er Jahre. In den folgenden Jahren erfuhr das Album diverse Reinkarnationen, wuchs 1987 beim Sprung auf CD um ein paar Tracks an – und dann noch einmal 2001, als das erste Remaster veröffentlicht wurde. Doch verglichen mit dem, was jetzt vorliegt, waren das halbherzige Unternehmungen. Denn erst jetzt, 37 Jahre nach der Erstveröffentlichung, gibt es die einzig wahre Deluxe-Edition dieser grandiosen Zusammenstellung von Augustus Pablo-Meisterwerken, erweitert um zusätzliche 13 Tracks, im Original-Cover und in einer Soundqualität, wie sie zuvor niemals zu hören war. Auch historischer Akkuratesse verpflichtete man sich: Bei der Erstveröffentlichung wünschte sich Greensleeves „Tubby’s Dub Song“ auf dem Album, Pablo konnte allerdings die Original-Bänder nicht finden und schickte statt dessen „Pablo’s Theme Song“, eine andere Version des Stückes, die aber als „Tubby’s Dub Song“ betitelt wurde. Nun hat alles seine Richtigkeit: Track 4 heißt jetzt korrekt „Pablo’s Theme Song“ und „Tubby’s Dub Song“ gibt’s als Bonus. Darüber hinaus findet der Dub-Freund weitere Pablo/Tubby-Juwelen wie z. B. „Love Won’t Come Easy“ von den Heptones (in zwei Versionen) oder Cassava Rock mit dem jungen Big Youth oder auch„Africa Dub“ und „Lightning Flash“, alles fantastische Instrumentals und Dubs, die ihre betörende Schönheit bis heute nicht verloren haben.

Rating 5 Stars

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Five Star Reggae Review

Marcel-Philipp: Morning Sessions, Vol. 1 & 2

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Dub ist tendenziell eine eher dunkle Musik. Magisch, mystisch, metaphysisch – tief und schwer. Doch wie wäre es mal mit der kompletten Antithese zu unserem Lieblings-Sound: Eine fröhliche, beschwingte, optimistische Musik, die zu einem sonnigen Sommermorgen auf dem Land passt? Hier ist sie: Marcel-Philipp: „Morning Sessions Vol. 1“ und „Morning Sessions Vol. 2“ (Ashera Records). Der junge Multiinstrumentalist aus Baden-Württemberg präsentiert uns hier 24 auf zwei Alben verteilte, so ungemein beschwingte Instrumentals, dass es eine pure Freude ist. Wer beim Hören der „Morning Sessions“ nicht die Sonne aufgehen spürt, muss unverbesserlicher Misanthrop sein. Sein Sound erinnert mich an jene Studio One-Aufnahmen, bei denen Jackie Mittoo in die Tasten griff und der Groove nur so strömte. Auch bei Marcel-Philipp spielt die Orgel eine Hauptrolle – direkt nach der Melodica, jenem Instrument, das untrennbar mit dem Namen Augustus Pablo verknüpft ist. Die ihrem Klang innenwohnende Einfachheit und kindliche Unschuld passen kongenial zu den schlichten und dadurch nur umso schöneren Melodien, die Marcel-Philipp ihr entlockt. Auch das Arrangement der meist an frühen Reggae erinnernden Uptempo-Beats der Instrumentals zeichnet sich durch Einfachheit aus. Wer will, könnte das für naiv und unterkomplex halten. Ich hingegen neige dazu, an dieser durch und durch optimistischen Musik einfach Spaß zu haben.

Rating 5 Stars

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Five Star Review

Mad Professor and the Robotics featuring Lee Scratch Perry: Black Ark Classics in Dub

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Bei Alben, in deren Titel der Name Lee Perrys auftaucht, bin ich reflexhaft skeptisch. Zu oft schon wurde ich Opfer einer hemmungslosen „Perryploitation“. Doch da Mad Professor eigentlich ein seriöser Typ ist und er zudem clever genug war, neben „Perry“ auch „Black Ark“ in den Titel zu schreiben, klickte ich neugierig hinein, in das neue Album „Mad Professor and the Robotics featuring Lee Scratch Perry: Black Ark Classics in Dub“ (Ariwa). Und siehe da, der verrückte Professor hat tatsächlich mal wieder eine verrückte Idee in die Tat umgesetzt und ein kleines, feines Konzept-Meisterwerk vollbracht: Lee Perry-Klassiker (allerdings nicht nur aus der Black Ark-Ära) nachproduziert und sie zu großartigen, modernen Dubs und Instrumentals verarbeitet. Gelegentlich steuert Perry ein paar Vocals bei, was aber klar geht. Meistens hören wir pure Dubs, virtuos instrumentiert und arrangiert, druckvoll eingespielt und natürlich akademisch-raffiniert vom Professor gemixt. Und obwohl hier alles so schön modern klingt, ist es dem Professor und seinen begnadeten Robotics gelungen, den Vibe der alten Originalaufnahmen herauf zu beschwören. Hätte Lee Perry seine Black Ark nicht zerstört und würde heute noch produzieren – die Chancen stünden nicht schlecht, dass seine Aufnahmen sich genau so anhören würden. Hier sind sie alle, die lieben Klassiker: „Party Time“, „Soul Fire“, „Groovy Situation“, „Roast Fish and Cornbread“, „Zion Blood“ und viele andere mehr. Ich kann das Album gar nicht hoch genug loben. Zu dumm, dass Mad Professor in den letzten Jahren auch so viel mittelmäßige Musik produziert und veröffentlicht hat. Womöglich kostet diese Praxis dem „Black Ark Classics In Dub“-Album jetzt die Aufmerksamkeit, die es verdient hätte, um als neuer Dub-Klassiker in die Geschichte des Genres einzugehen.

Rating 5 Stars

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Five Star Review

Dub Spencer & Trance Hill: Physical Echoes

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Und da reiten sie wieder: Dub Spencer und Trance Hill! Ihr neues Album trägt den schönen Titel „Physical Echoes“ (Echo Beach), der gewiss auf die geradezu physische Hörerfahrung anspielt, die ihre gewaltigen Bassfrequenzen stets ermöglichen. Typisch für die vier Schweizer ist ihr minimalistischer, handgespielter Dub-Sound, der nicht selten psychedelisch, trance-hafte Züge annimmt. Ihr neustes Werk baut auch auf diesem soliden Fundament, doch scheint die hierauf errichtete Sound-Architektur einen kleinen Evolutionssprung zu vollziehen. Der raue, rockige Charme ihrer früheren Alben weicht hier einem stärker elektronisch geprägten Klang. Die ganze Anmutung wirkt dichter, intensiver und noch „dubbiger“. Im Kontrast dazu gibt es aber auch geradezu beschwingte, melodiöse Dubs, wie „Polar“ oder „Wanna Ride“ und mit „Hyperactive Echo“ sogar so etwas wie Dub-Funk. Es ist also gar nicht so einfach, das Album auf den Punkt zu bringen. Mir scheint, dass die Jungs hier die Tür zu etwas neuem aufstoßen, ohne schon komplett hindurch gegangen zu sein. Und mir scheint auch, dass das, was da kommt, verdammt gut sein wird – denn „Physical Echoes“ zählt für mich schon zu den spannendsten Alben des Dub-Quartetts.

Rating 5 Stars

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Five Star Review

Blundetto: World of Dub

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Es gibt Dub-Alben, die fallen einfach so vom Himmel. Ohne Ankündigung, ohne vorherige große Erwartungen, ohne dass jemand auf sie gewartet hätte. Plötzlich sind sie da und wollen von mir angeklickt werden. „World of Dub“ (Heavenly Sweetness) von Blundetto ist so ein Album. Weder sein unscheinbarer Titel, noch das simple einfarbige Cover ließ mich im entferntesten vermuten, welch unglaubliche Dub-Schatz sich hier verbirgt. Blundetto war mir zwar entfernt ein Begriff. Sein Debut-Album „Bad Bad Things“ von 2010 hatte ich mal durchgehört, aber ohne dass es einen bleibenden Eindruck bei mir hinterließ. Zwei Alben später hatte ich den Pariser Musiker, der seine Tunes in einer kleinen Zweizimmerwohnung in der Nähe des Gare du Nord zwischen einer gigantischen Vinyl-Plattensammlung, alten Aufnahmegeräten, exotischen Instrumenten und übervollen Aschenbechern aufzunehmen pflegt, schon wieder vergessen. Zu unrecht, wie sich jetzt zeigt, denn seine schrägen, souligen Reggae-Produktionen, wie sie auf dem Vocal-Album „World Of“ zu hören sind, klingen durchaus spannend. Trotzdem sind sie kein Vergleich zu dem, was Max Guiget alias Blundetto nun auf der Dub-Version dieses Albums gezaubert hat. „World of Dub“ ist eine Klasse für sich. Es ist ein Paradebeispiel dafür, wozu Dub – wenn sein Konzept richtig verstanden und konsequent umgesetzt wird – im Stande ist. Aus den souligen, manchmal etwas sperrigen Stücken des Originals sind hier gewaltige Bass-Wunder geworden, vollständig dekonstruiert und neu Interpretiert. Das Ergebnis ist ein merkwürdig widersprüchlicher Sound: einerseits absolut reduziert, fast schon minimalistisch, andererseits jedoch voller „analoger“ Atmosphäre und schräger Ideen, die manchmal an Adrian Sherwoods Frühwerk denken lassen. Manchmal aber auch an Lee Perrys Drum-Machine-Experimente oder daran, wie Bob Marleys Song „Work“ auch hätte klingen können: dunkel, geheimnisvoll und magisch. Oft sind es ja die Genre-Aussenseiter, die so spannende Sachen produzieren, weil sie sich einfach nicht um Regeln und Konventionen scheren. Blundetto ist so ein Typ und in seiner verrückten World of Dub können wir eine neue Spezies von Dub entdecken, die uns noch lange faszinieren wird.

Rating 5 Stars

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Five Star Review

Umberto Echo: The Name of the Dub

Unknown

In schöner Regelmäßigkeit legt der Münchner Dub Wizard Umberto Echo alle zwei Jahre ein neues Dub-Album vor. „The Name of the Dub“ (Echo Beach) ist sein neues Werk betitelt und das Cover zeigt ihn mit Bassbox und Mischpult inmitten von unzähligen, zu hohen Stapeln aufgetürmten Büchern. Unter ihnen so gewichtige Werke wie „Roots of Dub“, „Dub Alamanac“, „Battle of Dub“ und „Dub for Dubbies“. Auch, wenn man nicht William von Baskerville heißt, ist das Rätsel ist schnell gelöst. Umberto Echo spielt hier auf „The Name of the Rose“ seines Namensvetters Umberto Eco an. Wir erinnern uns: In dem Buch geht es um das „zweite Buch der Poetik“ des Aristoteles, in dem – nach der Tragödie im ersten Teil – die Komödie behandelt wird. Ein Buch, dessen Seiten der finstere Mönch und Hüter der Klosterbibliothek, Jorge von Burgos, vergiftet hat, weil er die in diesem Buch vertretene, positive Einstellung zur Freude und zum Lachen für zu gefährlich hielt. Niemand sollte es lesen und diesen Akt des Frevels überleben. Doch jetzt kommt Umberto Echo, tritt Mönch Jorge kräftig in den Hintern und spielt uns 17 verbotene Tracks aus dem Buch der Freude und des Lachens vor. Statt uns auf die transzendente Dimension von Dub einzuschwören (wie es Aldubb mit seinem letzten Album so vortrefflich getan hat), oder uns gar auf eine vermeintlich einzig wahre Schule des Dub verpflichten zu wollen, greift Umberto Echo einfach beherzt in die Regler und verbreitet puren Spaß. Mixt munter die Genres – wie wir es ja von ihm gewohnt sind – und knallt uns Bass, Melodien und gut gelaunte Produktionen um die Ohren, dass es eine Freude ist. Dazu greift er erneut auf Produktionen befreundeter Musiker zurück und konzentriert sich voll und ganz auf den Dub-Mix. Minimalismus und Dekonstruktion sind seine Sache nicht. Fast alle Dubs sind lebensprall und reich an Melodien, Sounds und Dub-Effekten. Da passt es gut ins Bild, dass einige der Dubs auf populären Tunes von z. B. Dubmatix, Sara Lugo, den Senior Allstars, Jahcoustics oder Jamaram basieren, deren Original-Vocal-Versionen noch im Ohr nachklingen, wenn Mr. Echo sich daran macht, seine verspielten Dub-Versions anzustimmen. Schöner Nebeneffekt: Das Ganze ist ein richtig netter Showcase europäischer Reggae-Produktionen. Lange Schreibe, kurzer Sinn: Schieden sich an Echos „Elevator Dubs“ noch die Geister, so werden hier, im Namen des Dub, alle ihren Spaß haben.

Rating 5 Stars

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Five Star Review

Singers & Players: War of Words

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Wer sich gelegentlich in den Musik Online-Stores und bei den Streaming-Diensten umschaut, wird feststellen, dass zur Zeit der komplette ON-U-Sound-Back-Katalog online gestellt wird. Was liegt da näher, als einem der legendärsten Alben des Labels, „War of Words“ (On-U Sound), eine stolze analoge Vinyl-Reissue zu spendieren? Das Original erschien 1981 auf dem amerikanischen Label 99 Records und erst ein Jahr später auf On-U-Sound in Großbritannien. Es war das Debut der „Singers & Players“, eines virtuellen und niemals klar definierten Kollektivs verschiedener Reggae-Musiker, Deejays und Singer. Produzent Adrian Sherwood trieb damals die Vision um, mit 15 bis 20 Musikern in wechselnden Formationen den On-U-Sound-Kosmos und seine sehr spezielle Vorstellung von Post-Punk Roots und experimentellem Dub entstehen zu lassen. Im Zentrum dieses historischen Albums steht die sanfte Stimme von Bim Sherman, die auf fünf der sieben Tracks gefeatured wird. In scharfem Kontrast dazu steht Prince Far Is raues Organ, das vor allem auf dem Track „Quanté Jubila“ im Duett mit Crucial Tony zu hören ist. Dazwischen (und in den Extended Versions) sind Dubs eingestreut, die – hört man sie heute mit Blick auf die nachfolgenden rund 35 Jahre Dub-Historie – immer noch unglaublich innovativ klingen. Doch es sind weniger die einzelnen Stücke, die den besonderen Reiz des Albums ausmachen als vielmehr ihre Kombination – zumal die hier versammelten vier Extended Versions auch in sich schon eine Kombination aus Vocal- Deejay- und Dub-Version sind. Durch diese Zusammenstellung, den eigenwillig-räumlichen Dub-Syndicate-Sound und den durchgehenden markanten Dub-Mix aller Tracks, erhält das Album starken Konzept-Charakter – der seinerseits einen faszinierenden Flow zur Folge hat, in dem man sich als Hörer unweigerlich verliert. Einige wiederentdeckte, bisher unveröffentlichte Tracks aus den „War of Words“-Sessions erblicken zudem auf der EP „War of Version“ erstmals das Licht der Öffentlichkeit.

Rating 5 Stars

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Five Star Review

Aldubb: A Timescale of Creation – Symphony No. 1 in Dub minor

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Oha, was ist das denn? Da mokiere ich mich an dieser Stelle stets über einfallslose Steppers-Klischees (obwohl diese ja von Zeit zu Zeit und am richtigen Ort auch gerade recht sein können) und fordere mehr Experiment, mehr Überraschung, mehr Freidenkertum – und dann das! Ein Album, das diese Forderung absolut ernst nimmt. Das mit allem bricht, was typischerweise Dub ausmacht. Das Konventionen radikal hinterfragt, sich um Genre und Stil nicht schert, beherzt musikalische Grenzen überschreitet und überhaupt alles anders macht, als man es erwarten würde. Oder anders ausgedrückt: Das neue Werk von Aldubb ist entweder ein geniales Konzeptalbum oder verkopfter Murks. „A Timescale of Creation – Symphony No. 1 in Dub minor“ (Feingeist Records), lautet der komplette Titel und demonstriert den verrückt hohen Anspruch des Albums. Eine Reise durch Raum und Zeit des Universums, vom Urknall, den Sekundenfragmenten danach, über unsere aktuelle Existenz bis in eine ungewisse, aber optimistisch erscheinende Zukunft – in Dub, versteht sich. Die 13 Tracks des Albums fließen nahtlos ineinander, ergeben ein einziges 42 Minuten langes Stück, eine Dub-Symphonie aus subsonischen Bassfrequenzen, donnerndem Wobble-Bass, elektronischen Sound-Wolken, klassisch-symphonischen Streichern, fein dosierten Klarinetten- und Posaunenklängen und – man glaubt es kaum – ganz normalen Reggae-Beats. Creation Rebels „Starship Africa“ trifft auf Hey-O-Hansen, trifft auf Matthias Arfmann, trifft auf Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“. So etwas kann verdammt leicht in die Hose gehen. Zwar würde die Kritik positiv darüber zu schreiben, denn Kunst hat gegenüber profaner Unterhaltung immer einen Bonus. Aber nicht selten wäre das hochgelobte Werk tatsächlich langweilig. Es gehörte zwar in eine gepflegt-anspruchsvolle Sammlung, würde aber eigentlich nie freiwillig aufgelegt. Wie anders ist es hier! Aldubbs Exkursion durch die obskure Geschichte unseres Universums und in unsere noch viel obskurere Zukunft, ist mit jedem Takt unterhaltsam, packend und einfach unglaublich schön. Das Verhältnis zwischen neuen, verstörenden (dafür aber um so spannenderen) Reizen auf der einen Seite und soliden, wohlvertrauten Beats und Harmonien auf der anderen, stimmt exakt. Es ist unmöglich, sich der Faszination dieser akustischen Reise zu entziehen. Und wer beim Hören nicht zumindest eine Ahnung davon bekommt, was Dub, über das bekannte Konzept hinaus, noch alles mehr sein kann, muss entweder taub oder borniert sein. Aldubb stößt hier eine Tür zu einer neuen Dimension von Dub auf. Gehen wir hindurch!

Rating 5 Stars

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Brother Culture: All a We

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Nick Manasseh ist auch einer meiner großen Dub-Heroen. Schon in den 1990ern war ich hin und weg von seinen hoch innovativen und schlicht wunderschönen Dub-Produktionen. Man erinnere sich z. B. an das grandiose „Dub The Millennium“ oder an seine Produktion für die Brasilianer Cool Hipnoise, deren Album „Showcase & More“ 2003 auf Echo Beach erschienen war und das ich gefühlt mindestens 200 mal gehört habe. Wer nicht so weit zurück denken mag, sollte sich einfach auf dem Label „Roots Garden“ umhören, um in Nicks fantastische Welt des Roots & Dub einzutauchen. Seine neuste Produktion ist das Showcase-Album „All a We“ (Roots Garden) für Brother Culture. Während der DJ-Veteran aus Brixton hier sechs schöne Old-School-Style-Toasts zum besten gibt, wollen wir unser Ohr lieber mal den darunter liegenden Produktionen – und insbesondere den sechs Dub-Versionen – leihen. Tja, und was es da zu hören gibt, ist einfach mal wieder wahnsinnig gut. Wie macht der Mann das nur? Seit 30 Jahren produziert er Reggae und Dub – und zwar stets an vorderster Front des Genres. Seit „Dub The Millenium“ 1993 von Acid Jazz lizensiert wurde, hat Nick seine Pole-Position inne. Wie keinem anderen Dub-Produzenten ist es ihm gelungen, am Puls der Zeit zu bleiben, sich selbst und die Musik stets zu erneuern und voraus zu denken, statt irgendwo in der Vergangenheit stehen zu bleiben (wie z. B. Mad Professor), sich zu wiederholen (z. B. Deadzone), oder sich in scheininnovative Kopfgeburten (z. B. Adrian Sherwood) zu flüchten. Dabei klingen die Produktionen von Nick selten spektakulär, sind niemals selbstgefällig oder aufmerksamkeitsheischend. Ganz im Gegenteil kommen sie eher unauffällig und selbstverständlich daher. Oft ist man schon mitten im Song, bevor einem dieser durch heftiges eigenes Kopfnicken überhaupt erst richtig bewusst wird. Statt mit großer Geste „Hier, hier!“ zu rufen, schleichen sich Nicks Produktionen in den Körper und versetzen ihn in Bewegung. Der Groove hat genau die richtige Körpertemperatur. Man versinkt in ihm, wie in wohl temperiertem Badewasser. Der Sound ist klar und kraftvoll, die Kompositionen perfekt strukturiert und arrangiert. „All a We“ ist deshalb aus meiner Sicht eines der besten Alben des laufenden Jahres.

Rating 5 Stars

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Five Star Review

The Senior Allstars: Dub from Jamdown – Darker than Blue

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Ein schlichtes, einfaches, unkompliziertes Album ist von den Senior-Allstars nicht zu erwarten. Ohne Konzept läuft bei ihnen nämlich gar nichts. Das fängt schon damit an, dass die Band Dub statt Reggae mit Gesang spielt – auch live. Ein Instrumentalalbum von Dub-Produzenten remixen zu lassen, die Dubs dann live als Album wieder einzuspielen, um sie schließlich mit Gesang zu versehen und erneut remixen zu lassen, klingt nach einem komplizierten Konzept, oder? Genau das steckt hinter den Alben „In Dub“, „What Next?“ und „Verbalized and Dubbed“. Im Vergleich dazu wirkt das Konzept hinter dem neuen Album „Dub from Jamdown – Darker than Blue“ (Echo Beach) auf den ersten Blick fast simpel: 2001 erschien auf Blood & Fire der von Steve Barrow und Mark Ainley zusammengestellte Sampler, „Darker than Blue: Soul from Jamdown 1973 – 1980“ mit Reggae-Reworkings von US-Soul Klassikern. Von diesem Sampler waren Markus Dassmann, Arne Piri, Gudze und Thomas Hoppe so angetan, dass sie beschlossen, die Stücke instrumental neu einzuspielen und ein neues Dub-Album der Senior Allstars daraus zu zaubern: „ Dub from Jamdown – Darker than Blue“ (Echo Beach). Oder einfacher ausgedrückt: Die Senior Allstars spielen die Stücke von Reggae-Artists nach, welche die Stücke von Soul-Artists nachgespielt haben. Alles klar? Es sind also Songs in der dritten Inkarnation. Na, wenn das mal nicht doch ein typisches Senior-Allstar-Konzept ist! Doch jedes Konzept ist nur so gut wie das, was hinten raus kommt – wie schon unser Bundeskanzler A. D. wusste. Tja, und das ist mal wieder der gute, alte, handgespielte, puristische, entspannte und leicht jazzige Sound der Allstars. Extrem präzise, reduced to the max, zugleich aber menschlich warm, organisch und stets leicht melancholisch – die Jungs haben ihren Stil gefunden. Und offenbar auch das richtige Material, um ihn einzusetzen: Songs wie „Baltimore“, „Aint no Sunshine“ oder „Why Can’t We Live Together“ klingen in ihrer Umsetzung einfach grandios.

Rating 5 Stars