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Vibration Lab: Brass Plant EP

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Im Dub gibt es zwei große Sub-Genres: 1. Der historische, jamaikanische Dub, basierend auf klassischen, handgespielten Reggae-Backings. Bei ihm steht der Mix im Vordergrund. 2. Der UK-Steppers-Dub, basierend auf digitalen Rhythms mit starker Betonung der Bassline sowie der four to the flour-Bassdrum. Hier steht das Bass-Erlebnis im Vordergrund. Eigentlich sind beide Stile inzwischen historisch und es stellt sich immer wieder die Frage nach dem Sound eines zeitgemäßen Dubs, der nicht Klischees bedient, sondern konzeptuell und ästhetisch auf der Höhe der Zeit ist und im Reigen moderner populärer Musik mitspielen kann. Darauf gibt es viele mögliche Antworten. Doch eine Antwort erscheint mir derzeit am überzeugendsten: die „Brass Plant EP“ (Reggae Roast) des Vibration Lab. Hinter diesem Namen stecken zwei Sound-Tüftler aus Bristol und London, die von sich behaupten, „Future Reggae“ zu produzieren. Mit einem Bein stehen sie im Reggae-Dub, mit dem anderen in aktueller, digitaler Bass-Music. Mit ihrer neuen EP ist ihnen ein großer Wurf gelungen. Ich bin der Meinung, dass es ihnen endlich geglückt ist, ihre Idee vom „Future Reggae“ in die Tat umzusetzen – obwohl es sich hier, streng genommen, um „Future Dub“ handelt. Im Zentrum ihrer Musik pocht das Herz des Dub, dunkel, stetig, energisch. Es treibt einen Strom an Bass durch den Organismus. Einen Tsunami an Bass, der an Fenstern und Türen rüttelt. Stoisch und repetitiv drängt er gegen Trommelfell, Bauch und Brust. Doch dann sind da noch die Reggae-fremden Sound-Elemente, die eher aus den Sphären elektronischer Club-Music stammen, sich aber kongenial in das Reggae-Fundament einfügen. Sie formen sich zu kleinen Melodien, teils winzigen Phrasen, die endlos wiederholt werden und sich schließlich zu einem komplexen, polyrhythmischen Ganzen von unglaublicher meditativer Kraft fügen. Präzise, druckvoll, dynamisch und wahnsinnig schön. Müsste ich jemandem erklären, was moderner Dub ist – ich würde diese EP vorspielen – in der Hoffnung, meine Zuhörer spontan zu missionieren und in das Lager der Dub-Enthusiasten zu locken. Als nächstes haben die beiden Vibration Lab-Jungs ein Album mit Linval Thompson in der Planung. Darauf bin ich mehr als gespannt.

Rating 5 Stars

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Five Star Review

Natural Numbers: In Dub

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Mit den „Signs & Wonders“ des in L. A. ansässigen Dub Clubs, entstanden unter der Regie von Club-Veranstalter, Old-School-Reggae-Fanatiker und Hobby-Produzent Tom Chasteen, bin ich vor zwei Jahren gar nicht warm geworden. Sie boten sehr schön reproduzierten Rub-A-Dub-Sound, blieben dabei aber so nah am Original, dass sich unweigerlich die Frage stellte: Warum eine Kopie, wenn man das Original schon hat? Nun präsentiert Chasteen sein neues Album „In Dub“ (Stones Throw) unter ebenfalls neuem Artist-Namen: Natural Numbers. Das macht schon deutlich, dass er hier einen anderen Weg einschlägt. Natürlich bleibt er der alten Schule treu, aber was die natürlichen Nummern hier zu Gehör bringen, ist weit davon entfernt, lediglich eine Kopie des jamaikanischen Originals sein zu wollen. Nein, hier ging Chasteen ambitionierter ans Werk und hat zehn Tracks produziert, die eigenständig und einzigartig sind. In einem wunderbar entspannten, warmen Sound perlen hier vor musikalischen Einfällen, Atmosphäre und beschwingten Melodien nur so strotzende Dubs aus den Lautsprechern. Da hat Mr. Dub Club ein richtig schönes Album abgeliefert, das dem klassischen, jamaikanischen Dub huldigt, ohne ihn zu klonen. Aufgenommen wurde das Album 2013 mit einer echten Los Angeles-„All Stars“-Studioband um den Bassisten Fully Fullwood. Von ihnen stammt dieser schöne, klassische, handgespielte, warme Reggae-Sound, den Chasteen dann mittels Live-Mix in – tja, wie soll ich es ausdrücken – schlicht grandiose Dubs verwandelt hat. Garniert mit Vocal-Einsprengseln, die den Eindruck vermitteln, als existierten Song-Originale (was vielleicht sogar der Fall ist – wer weiß?), begleitet von so manchem Gitarren-Solo, das direkt einem Western entsprungen sein könnte und kontrastiert von charmanten Orgel-Parts, wie sie Mr. Mittoo nicht schöner hätte abliefern können. In meinen Ohren die perfekte Fusion aus Old-Style und modernem Dub-Verständnis. In einem Interview sagt Tom Chasteen: „I’ve realized that I’m not Jamaican and I never will be.“ Vielleicht war das die entscheidende Erkenntnis, die zu diesem schönen, neuen Album geführt hat.

Rating 5 Stars

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Detroit Boys: Sexy Jamaicans

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Hier habe ich ein ambivalentes Dub-Album aufgetan: „Sexy Jamaicans“ (Candy Beats) von den Detroit Boys. Welch bescheuerter Titel und auch der Artist-Name ist für einen Dub-Act reichlich abwegig. In scharfem Kontrast dazu: Die Musik. Von den Dub-Alben, die aktuell in meiner Playlist rotieren, klicke ich am häufigsten auf „Sexy Jamaicans“ – und das bestimmt nicht wegen des Covers (welches das Niveau von Name und Titel locker hält). Nein, ich muss gestehen: trotz meiner Voreingenommenheit, gefällt mir der hier präsentierte Dub ganz außerordentlich. Schon bei den ersten Takten kann man hören, dass die Detroit Boys nicht aus der Reggae-Szene kommen. Unüberhörbar liegt hier eine Techno-, Pop- und House-Sozialisierung zu Grunde – und das Label Candy Beats scheint tatsächlich diesem Kontext zu entstammen (die Infos im Web sind spärlich). Jedenfalls bringt der unorthodoxe Umgang der Detroit Boys mit Dub einen verdammt frischen und knackigen Dub-Sound hervor. Sauber, präzise, druckvoll – aber auch warm und organisch, durchsetzt von schönen Bläser-Parts und geerdet in soliden Basslines. Entweder sind die Detroit Boys echte Naturtalente, oder sie haben heimlich geübt. Äußerst angenehm steuern sie uns durch unterschiedliche Stimmungen, vom eher melancholischen „England is too Cold for Me“ zum freudig-beschwingten „Key & Locks“ und intonieren dabei hübsche, kleine Melodien von echter Ohrwurmqualität. Also: gebt den Jungs eine Chance – und don’t judge a dub-album by it’s cover.

Rating 5 Stars

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Zion Train: Land of the Blind

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Neil Perch ist einer der wenigen, unermüdlichen Sound System-Betreiber und Produzenten, die Ende der 1980er Jahre den UK-Dub aus der Taufe hoben und heute noch aktiv sind. Unter dem Motto „Dubwise – No Compromise“ hat er den Aufstieg des UK-Dub und dessen Niedergang erlebt, hat mit seinem Projekt Zion Train an der Spitze der Bewegung gestanden, einen Major-Deal in der Tasche und die Geschicke des Dub in der Hand gehabt. Ein wahrer Veteran und Dub-Aktivist, der nun mit „Land of the Blind“ (Universal Egg) sein vierzehntes Zion-Train-Album vorlegt. Just another Zion Train-album? Keineswegs! Auch wenn man es nach dreizehn Vorgängern nicht für möglich hält: Ich finde, es ist eines der Besten. Und das liegt nicht daran, dass sich Zion Train neu erfunden hätte. Im Gegenteil! Was ich früher als halsstarrig kritisierte, würdige ich heute als stolzen, ehrwürdigen Stil: Der Sound von Zion Train ist eine Marke. An ihm sind Jahrzehnte flüchtiger musikalischer Moden und Genres spurlos vorüber gegangen. Er steht wie ein Fels in der Basswellen-Brandung. Nein, was das neue Zion-Train-Album so einzigartig macht, sind die 25 Jahre musikalische Erfahrung, die in ihm stecken. Neil Perch hat einfach ein untrügliches Gespür für starke Melodien, unwiderstehliche Grooves und perfekte Arrangements entwickelt, das hier, im „Land of the Blind“, zur vollen Entfaltung gelangt. Mit nahezu traumwandlerischer Sicherheit platziert er einen Hit nach dem anderen – wenn es so etwas wie „Hits“ in der Welt des Dub denn gäbe. Jeder einzelne der hier versammelten dreizehn Tracks, ist ein starkes Statement, einzigartig und unverwechselbar. Sei es durch ein spannungsvolles Arrangement, durch eine wunderschöne, melancholische Bläser-Phrase, durch einen unwiderstehlichen Rhythmus, durch eine geniale Bassmelodie oder durch den melodiösen Song eines der geschickt in der Playlist platzierten Gastvokalisten. Insbesondere Jazzmin Tutums strenge Dub-Poetry bietet einen reizvollen Kontrast zum treibenden Marsch der Beats. Hier hat Neil alles richtig gemacht und ein Album vorgelegt, das es mit neuen, hippen Dub-Produktionen locker aufnehmen kann – und zwar, in dem es fancy Effekten und dröhnenden Bassgewittern etwas ganz einfaches entgegensetzt: Style. Zion Train-Style! Habe ich schon erwähnt, dass mir das Album gut gefällt?

Rating 5 Stars

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Imhotep: Kheper Dub

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In der Dub-Szene tummeln sich eine ganze Menge obskurer Gestalten. Sound-Nerds, die ihre Nächte vor dem Laptop oder im Studio verbringen, an ihrer Musik schrauben aus reinem Vergnügen am eigenen Tun, ohne die geringste wirtschaftliche Perspektive. Diese Typen sind mir die liebsten. Denn unter ihnen lassen sich immer wieder tolle Entdeckungen machen. Wie jetzt z. B. bei Imhotep. Der ägyptische Pharao heißt eigentlich Pascal Perez, stammt aus Algier und hat heute in Marseille ein Studio, in dem er vor allem elektronische Musik produziert. 2012 erschien sein Album „Kheper“, das stilistisch irgendwo zwischen Elektro, TripHop und Dub changiert. Nun hat er eine Dub-Version daraus destilliert: „Kheper Dub“ (Imhotep), die – anders als das Ausgangsmaterial – zu hundert Prozent im Reggae-Dub angesiedelt ist. Kraftvolle Beats, dunkle Atmosphäre und – was es besonders reizvoll macht – allerlei Einflüsse von arabischer Musik. Wie gut arabische Musik und Dub zusammen gehen können, hat uns ja bereits The Spy From Cairo gezeigt. Imhotep geht jedoch nicht so weit wie er. Der Pharao „würzt“ seine Dubs eher mit arabischen Zutaten, als dass er sie auf kompletten arabischen Melodien und Arrangements aufbaut. Aber genau dieser sensible Einsatz macht den Reiz der Kheper Dubs aus. Es ist genau die richtige Dosis von Exotik und Geheimnis, die seiner Musik diese intensive und magische Atmosphäre verleiht.

Rating 5 Stars

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16FLIP: 10DUBB

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Als mir dieses Album auf meinen Streifzügen durchs weltweite Web begegnete, war ich spontan begeistert: „10DUBB“ (Dog Earr) von 16FLIP. So kryptisch wie die Namen, sind auch die Personen, die sich dahinter verbergen. Infos zu ihnen gibt es kaum, und wenn, dann sind sie auf japanisch. So viel scheint mir als gesichert: 16FLIP sind drei japanische Youngsters mit HipHop-Vorgeschichte. Mit 10DUBB legen sie nun ein wirklich verrücktes, hundert Prozent eklektizistisches Dub-Album vor, das mehr mit primitivistischer Sample-Technik als mit klassischem Dub zu tun hat, aber trotzdem – oder gerade deswegen – eine akustische Sensation ist. Die Jungs haben hier (von abgenudeltem Vinyl kopierte) Versatzstücke unterschiedlicher Genres grob mit der Schere ausgeschnitten und zu Loops und Rhythms zusammen getackert – jedem gestandenen Studio-Engineer dürften sich die Nackenhaare aufstellen. Doch wenn man sich von allen Vorurteilen emanzipiert und einfach mal mit unschuldigem Ohr hinhört, dann ist das Ergebnis schlicht genial. Die groben Samples verbinden sich zu akustisch unglaublich reichhaltigen Rhythms, die völlig abstrakt und im Detail doch ganz gegenständlich sind, die Ordnung und Präzision leugnen und doch eine fantastische Dynamik erzeugen, die so simpel gestrickt sind und doch ein komplexes Hörerlebnis im Kopf der Hörer auslösen. Mich erinnert das Prinzip und der Sound an die frühen Loop-Experimente von Steve Reich – nur mit dem Abstand von fünfzig Jahren Pop-Musikgeschichte.

Rating 5 Stars

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Thee Balancer: Back to Westmoreland

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Ich bin immer wieder erstaunt, welch schöne Dub-Produktionen hier in Deutschland entstehen. Viele davon fristen ein Dasein weit unterhalb des Radars der hiesigen Reggae-Community. Wie zum Beispiel: „Back to Westmoreland“ von Thee Balancer, veröffentlicht auf bandcamp.com. 71 Minuten, aufgeteilt auf nur acht, nah an Minimal-Elekronik gebaute Tracks. Keines der Stücke läuft kürzer als acht Minuten. Jedes ist eine faszinierende, hypnotische Hörerfahrung, eine akustische Reise durch unendlichen, von trägen Beats gekrümmten Raum und relative Zeit. Die Stücke beginnen stets ganz unscheinbar, entwickeln sich dann zu einem minimalistischen Beat, der zunächst wenig spannend erscheint, dann aber zunehmend größere hypnotische Sogwirkung entfaltet, bis der hörende Geist völlig in das Raum-Zeit-Kontinuum des Dubs eintaucht und sich selbst vergisst. Wer nur mal schnell reinhört und mit Fast Forward durch die Tracks stürmt, wird den Reiz des Albums nicht einmal ansatzweise erahnen können. Seinen Höhepunkt – und zugleich kathartisches Finale – erreicht das Album mit dem letzten Track „To be Pretty Sucks“. 16 Minuten läuft der Live-Dub, umspielt von Samples, Sounds, Hall und Echo. Ein gigantischer Dub, der ganz entfernt Erinnerungen an Basic Channel wach werden lässt. Superb.

Rating 5 Stars

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International Observer: Touched

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Nach „Seen“ und „Felt“ legt uns der International Observer (hinter dem sich der britische Producer Tom Baily verbirgt, der in den 1980er-Jahren die Pop-Band „The Thomson Twins“ leitete) nun sein drittes Album vor: „Touched“ (Dubmission). Obwohl der Name nur die Logik der Serie fortzusetzen scheint, ist er mit Bedacht gewählt, denn bei den Tracks auf dem neuen Album handelt es sich um eine Sammlung von Remixes – also um fremde Tracks, an die er Hand angelegt hat. Zeitlich umspannt die Sammlung die letzten 15 Jahre und enthält Stücke von den Black Seeds, dem Bombay Dub Orchestra, Banco De Gaia, Pitch Black oder Warp Technique – um nur die bekanntesten zu nennen. Doch trotz der heterogenen Herkunft der Tracks, klingt das Album sehr geschlossen und ganz und gar typisch nach International Observer. Melodiöse, warme, behagliche Beats sind sein Markenzeichen, bis ins letzte Detail sorgsam arrangiert und austariert. Seine Stücke besitzen einen unwiderstehlichen Flow. Sie fließen völlig entspannt und doch alles andere als spannungslos. Seien es die Samples indischer Musik im Stück des Bombay Dub Orchesters, die sanften Bläsersätze und Akkordeons im Pitch Black-Remix oder die Vocal-Samples im WarpTechnique-Dub, stets sind es diese Details, die ein Stück akzentuieren, es prägen und die Aufmerksamkeit der Hörer durch die Beats leiten. Oft sind es auch winzige Melodiefetzen aus dem großen Fundus des Reggae, die hier für angenehme Déjà-Vus sorgen (nur um danach die nagende Frage zu hinterlassen: „woher kenne ich diesen Bläsersatz, dieses Gesangsfragment?“).  Tom Baily gehört meines Erachtens zu den spannendsten, zeitgenössischen Dub-Produzenten. Ich könnte definitiv mehr von seiner Musik gebrauchen. Durchschnittlich alle drei Jahre ein Album ist einfach zu wenig.

Rating 5 Stars

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Dub Syndicate: Hard Food

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Es war das Dub Syndicate, das mich 1982 mit dem von Adrian Sherwood produzierten Album „Pounding System“ erstmals auf die Spur von Dub setzte. Die Hausband von On-U-Sound, mit Style Scott am Schlagzeug und Flabba Holt am Bass. Zwei herausragende Musiker, die auch das Rückgrat der legendären Roots Radics bildeten. Über 20 Alben nahm Scott im Namen des Syndikats auf (die Aufnahmen der Roots Radics sind ungezählt), spielte die Tracks mit Flabba in Jamaika ein, fügte dann in Zusammenarbeit mit Sherwood in London Overdubs hinzu und ließ selbigen schließlich die Dubs mixen. Nun liegt „Hard Food“ (Echo Beach) vor, das letzte Album des Dub Syndicate. Ein weiteres wird es nicht geben, denn Scott wurde vor zwei Monaten in seinem Haus in Jamaika ermordet. Ein tragisches Ereignis, das eine nüchterne Rezension seines letzten Werkes unmöglich macht. Da verwundert es mich nicht, dass schon der erste Track Wehmut in mir aufkommen lässt, denn „Sound Collision“ erklingt in hundertprozentigem Dub Syndicate-Trademark-Sound, so als lägen zwischen „Pounding System“ und „Hard Food“ keine unglaublichen 32 Jahre. An Position 4 erklingt dann mit „Love Addis Ababa“ ein melancholisches Instrumental mit sanften Bläsern und traumschönem Cellospiel. Ein wunderbares und dank seiner Instrumentierung für Dub auch sehr ungewöhnliches Stück, das zeigt, dass Scott noch voller musikalischer Ideen steckte und uns in Zukunft wohl noch viel spannende Musik geboten hätte. Ähnlich schön ist „Gipsy Magic“, das den kraftvollen Reggae-Beat mit den wehmütigen Melodien einer Violine kontrastiert. Ich bin ganz gerührt von der emotionalen Kraft dieser Musik. Style, der Stilist, hat auch hier wieder ein paar sehr erlesene Sangesgäste hinzu gebeten: Lee Perry (okay, das mit dem Gesang ist relativ zu verstehen), Bunny Wailer, U-Roy, der hier über eine Version des „Police in Helicopter“-Riddims toasted und ein Bursche namens Magma, der ein paar Dancehall-Vibes beisteuert. Als Bonus gibt es noch drei hochklassige Dubs. Krönender Abschluss eines sehr schönen Albums, das viel Spaß macht und doch traurig stimmt.

Rating 5 Stars

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Razoof Jahliya: Dubs & Remixes

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Uwe Lehr, der Mann hinter Razoof steht für eine sehr spannende, ungemein moderne und kosmopolitische Auffassung von Reggae. Auf seinem letztjährigen Album Jahliya Sound präsentierte er zwölf hervorragende Produktionen, die alle gleichermaßen von Open-Mindness wie von soliden Reggae-Groves geprägt waren. Ein großartiges Album. Nun legt er mit Razoof: Jahliya – Dubs & Remixes (Poets Club) die dazu passenden Dub-Versions vor. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein klassisches Dub-Album, sondern um Remixes, die Uwe Lehr aus aller Welt und allen musikalischen Welten zusammen gesammelt hat. So liefert der Dubvisionist aus Hannover z. B. einen grandiosen Steppers-Remix, Cocotaxi aus Schweden pimpt Jaquees ohnehin schon sehr lebhaften Song „Life is a Journey“ auf Dancehall und US-Dubstep-Meister Rob Paine lässt Lutan Fyahs Song zu genau dem mutieren, was er am besten drauf hat: Dubstep. Dabei misst er sich mit Berlins Dubstep-Counterpart samsa, der hier mit wuchtigem Elektro-Bass zu Werke zieht. Dub-House gibt es von Salz aus Köln zu hören, die hier erneut beweisen, wie perfekt sich die Ästhetik von House auf Dub-Reggae anwenden lässt. Meine Favoriten sind jedoch die beiden Remixes von Eleven55, die irgendwo zwischen Minimal-Dubtechno und Dubstep liegen und doch den Reggae-Charm des Originals zu wahren wissen. Da einige Songs und einige Rhythms mehrfach remixt wurden, ist es zudem überaus spannend, zu vergleichen, wie sehr sich das Originalmaterial in den Händen von Remixern fremder Genres verändert. Doch bei aller Verschiedenheit der Akteure und der Styles: Das Album ist eine solide Einheit, sicher ruhend auf einem unerschütterlichen Reggae-Fundament, das selbst heftige Beats anderer Genres locker wegsteckt. Daher, meine lieben Dub-Freunde, bekommt ihr hier genug Bekanntes, um euch heimisch zu fühlen und genug Neues, um eine spannende musikalische Erfahrung zu machen. Ohren auf und durch!

Rating 5 Stars