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Reggae Review

Various: Invasion of the Mysteron Killer Sounds

Normalerweise wird den Backings moderner Dancehall-Produktionen wenig Aufmerksamkeit entgegen gebracht. Version-Excursion-Maniacs kennen sie zwar alle, aber nur, um diverse Vokal-Versionen aneinander reihen zu können. Als Instrumentalstücke sind sie unbedeutend. In meiner Sammlung findet sich z. B. nur ein einsamer Greensleeves-Release („The Biggest Rhythms“) von 2004, der sich digitalen Dancehall-Rhythms als Instrumentalversionen widmet. Das Desinteresse an diesen Produktionen ist nicht verwunderlich, denn viele von ihnen sind kaum mehr als minimale Loops, seelenlose Stakkato-Beats, die als Instrumental nicht bestehen können. Stuart Baker von Soul Jazz Records hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, jene Produktionen zusammen zu tragen, die eigenständige musikalische Qualität besitzen und mehr sind als stupide Logic-Sequenzen. Um diese Kollektion an die britische Musikgegenwart anzudocken (und damit ihre musikhistorische Relevanz zu dokumentieren), verfiel Baker auf die Idee, den jamaikanischen Produktionen UK-Produzenten wie Harmonic 313, Diplo, Roots Manuva, South Rakkas Crew und The Bug beizumischen, also allesamt Produktionen, die (weitgehend) außerhalb des Reggae-Kosmos entstanden sind. Als Chef-Kurator verpflichtete der Soul Jazz-Manager letztgenannten, Kevin Martin, der unter dem Namen „The Bug“ unklassifizierbare Musik, irgendwo zwischen Dancehall, Dubstep und Grime, produziert. Satte 35 Tracks haben die beiden zusammen getragen und auf eine Doppel-CDs gepresst. Aus der Jamaika-Fraktion sind Produzenten wie Steely & Clevie, Lenky, Fat Eyes, Firehouse Crew, Ward 21 oder Dave Kelly vertreten. Sogar Veteranen wie King Tubby, Computer Paul oder Prince Jazzbo sind mit ihren digitalen Produktionen aus den 1980er und 90er Jahren dabei. Auf dem Papier klingt das alles ziemlich gut und man muss Soul Jazz zugestehen, hier mit viel Spürsinn ein innovatives Thema entdeckt zu haben. Doch wie klingt es tatsächlich? Tja, sagen wir mal: interessant. Es gibt zweifellos klasse Produktionen, wie „Diwali“ von Lenky oder „Sign Rhythm“ von Andre Gray, die entweder mit einer wunderbar eingängigen Melodie oder einem genial vertrackten Rhythmus überzeugen können. Es gibt aber auch allzu simple Loops, die sich kaum als „Produktionen“ bezeichnen lassen. Reine F-Musik, deren einzige Qualität darin besteht, nicht für den Einsatz in Fahrstühlen, sondern für die Dancehall produziert worden zu sein. „Dub“ im engeren Sinne ist hier das Wenigste, denn meist stammen die Rhythms von den B-Seiten der Singles und laufen ohne Dubmix stur durch. Macht Soul Jazz hier also viel Marketing-Wirbel um Bagatellmusik oder haben Baker und Martin etwas entdeckt, dessen Wert bisher unerkannt geblieben war, obwohl es allen stets vor Augen stand? Diese Frage muss leider jeder für sich selbst beantworten. Und das genau ist die eigentliche Leistung der Kompilation: sie ermöglicht es uns, dieser Frage nachzugehen, indem sie uns das Material in gebündelter Form verfügbar macht, und uns so erlaubt, genau hinzuhören und Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was stets zu Recht oder zu Unrecht in den Hintergrund verbannt war.

 

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Augustus Pablo: Message Music

Augustus Pablo ist wahrscheinlich der bekannteste Instrumentalist des Reggae. Sein Melodika-Spiel ist jedem Reggae-Freund ein Begriff und seine Roots-Produktionen aus den 1970er Jahren sind berühmt. Damals passten seine Instrumentals gut in die Zeit, denn Dub war (auch in Jamaika) eine angesagte Musik. „King Tubby Meets Rockers Uptown“: Pablo, Tubby, Melodika, Dub – in den 70ern passte das alles perfekt zusammen und traf den Geschmack der Zeit. Doch der ändert sich bekanntlich, und mit der Geburt des digitalen Reggae verabschiedete sich Mitte der 1980er Jahre das von Pablo repräsentierte Roots-Verständnis. Das Genre Dub starb in diesem Zuge in Jamaika gleich gänzlich aus. Während die Digitalisierung des Reggae dem One Drop den Garaus machte, eröffnete sie der Musik andererseits aber auch völlig neue Möglichkeiten. Genau in diesem Zwiespalt, aus Verlust des Wertgeschätzten und Gewinn des Neuen, fand sich Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre auch Augustus Pablo wieder. Zum einen stand er mit seiner Instrumentalmusik auf verlorenem Posten, andererseits boten sich seinem musikalischen Forschergeist neue Produktionsmethoden. Dieser Zusammenprall zweier grundverschiedener Musikkulturen führte bei Pablo zu einer Hybrid-Musik, in der er z. B. digitale Drums mit akustischen Percussions kombinierte, oder ein synthetischer Bass auf seine handgespielte Melodikamelodie traf. Wie sich diese, seinerzeit von Roots-Fans wie Dancehall-Jüngern gleichermaßen gering geschätzte, Musik anhörte, lässt sich nun auf dem Album „Message Music“ (Pressure Sounds) erfahren, das Reggae-Historiker Pete Holdsworth ganz dem Spätwerk des Musikers und Produzenten gewidmet hat. Erstaunlich ist, dass sich Pablos digital/analoges Hybridwerk aus heutiger Sicht gar nicht so antiquiert anhört, wie man es vermuten könnte. Im Gegenteil, da Pablo sich nicht bedingungslos (wie andere Produzenten der Zeit) dem digitalen Sound verschrieben hatte, klingt seine Musik zeitlos modern. Die von Pablo-Epigone Lightman heute produzierten Instrumentals klingen da keineswegs neuer. Es ist daher beileibe keine Pflichtaufgabe, dem Spätwerk Pablos Aufmerksamkeit zu schenken, es ist, im Gegenteil, ein echtes Vergnügen. Statt historisch/akademischen Interesses, bedarf es hier lediglich Spaß an guter Dub-Musik.

 

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Earlyworm: Natty Droid

“Earlyworm” – was für ein genialer Name, oder? Hinter ihm verbirgt sich ein begnadeter Dub-Producer aus Toronto, der jüngst sein ebenso geniales Album vorgestellt hat: “Natty Droid” (Renegade). Dubmatix preist es als extraterrestrischen “Future Dub”, eine Beschreibung, die Titel und Covergestaltung zwar gerecht wird, die Erwartungshaltung aber viel zu sehr in Richtung Techno, Dubstep oder gar Dubhouse lenkt. Tatsächlich klingt der frühe Wurm durchaus klassisch, tendiert zu Heavy Duty Steppers und vermeidet weitgehend allzu elektronische Sounds. Man könnte auch sagen: Er macht vieles richtig: melodische Basslines, spannungsvolle Arrangements sowie inspirierte Mixe, zum Beispiel. Doch da ist noch mehr: spätestens beim dritten Hören wirken die Dubs wie liebgewordene Songs, jeder von ihnen hat seinen eigenen, unverwechselbaren Charakter. Hier zeigt sich, dass Dub viel mehr sein kann, als Rhythmus und Sound, nämlich auch Melodie und Harmonie. Es ist schon klasse, dass Natty Droid so eigenständige, individuelle Stücke bietet und doch stilistisch so geschlossen ist. Und das auf höchstem Niveau, denn keines der Stücke fällt gegen ein anderes ab. Jedem liegt eine starke Idee zugrunde, die bravurös umgesetzt wurde. Was soll ich sagen? Ist wirklich ein tolles Album,  definitiv mein Lieblingsalbum der letzten Wochen.

 

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Max Tannone

Vor einiger Zeit schrieb ich an dieser Stelle über das Mash Up-Projekt „Mos Dub“ von Max Tannone. Hier sampelte der New Yorker „Remix Artist, Producer und DJ“ diverse Reggae-Backings zu faszinierenden Instrumental-Mash-Ups, über die er die Wortakrobatik des Rappers Mos Def legte. Eine freundliche Anfrage bei Tannone führte dazu, dass nun die Instrumentals kostenlos zum Download bereit stehen. Verrückt-verdrehte, genial-fantastische Dubs – Reggae durch und durch und doch unverkennbar Werk eines Hip Hop-Artists, da sie von Breaks und der unvermittelten Kombination unterschiedlichsten Quellmaterials geprägt sind. So treffen hier The Slickers, Desmond Dekker, Scientist, Lee Perry, King Tubby, Errol Thompson und Johnny Osbourne aufeinander. Doch so gut die mit Mos Def garnierte Versionen auch sind, die Instrumentals ohne den Rap sind noch viel, viel besser – und zudem sind sie sogar noch kostenlos: www.maxtannone.com/projects/mosdub

Inzwischen hat Tannone bereits den Nachfolger zu Mos Dub produziert: „Dub Kweli“. Gleiches Prinzip, gleiche Methode, ähnliches Ergebnis: Statt Mos Def, ist es diesmal Hip Hop Artist Talib Kweli, der hier seine Raps über die Reggae Mash-Ups zum besten gibt. Das Beste aber ist, dass Tannone hier ebenfalls die Instrumentals zum Download zur Verfügung stellt, die – zumindest nach meinem Geschmack – ohne Kweli-Rap sogar doppelt so gut sind. Im Vergleich zum Mos Dub-Projekt sind die Kweli-Instrumentals allerdings weniger experimentell geraten, weniger von Breaks durchsetzt und aus weniger Quellmaterial zusammengebaut. Sie wirken folgerichtig „geschlossener“ und auch irgendwie professioneller. So könnte auch ein kommerzielles Album klingen. Trotzdem ist es grandiose Musik, die hier kostenlos angeboten wird: www.maxtannone.com/projects/dubkweli

 

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Dub (R)evolution Review

Dub Evolution, Mai 2011

Zur Zeit beeindruckt mich am meisten das neue Werk von Chris Dubflow: „Echostream“ (myspace.com/chrisdubflow). Der Schweizer spielt meine heimliche Lieblingsvariante von Dub: repetitiven, treibenden, leicht technoiden, elektronischen Dub à la Zion Train, Dreadzone, Rhythm & Sound, Rockers HiFi …. Ich bin von dem minimalistischen Groove dieser Musik besessen: Getragen von warmen Akkorden und einer tiefen, tiefen, tiefen Bassline, shuffeln und synkopieren sich die Beats durch angenehm lange Tracks und lassen die Hörer in einen meditativen Zustand versinken – bis die Musik zu purem Bewusstseinszustand wird. Sie ist nicht länger ein akustisch wahrnehmbarer „Gegenstand“. Sie löst sich vielmehr auf und wird zur reinen Gegenwart. Dies ist ein faszinierender Prozess, der übrigens ganz und gar ohne den Einfluss bewusstseinserweiternder Hilfsmittel zu erleben ist. Musik, wie die von Christ Dubflow, reicht dafür vollkommen aus. Der „Flow“ seiner Musik ist überwältigend. Vielleicht liegt es daran, dass seine Tracks keine bis ins Letzte ausgeklügelten und fein justierten Kunstwerke sind, sondern mit reduziertem Equipment in einem Take aufgenommene Rhythms, die ohne Overdubbing und Postproduction auskommen. Direkt, analog und schlicht faszinierend.

Zu Chris Dubflows „Echostream“ passt ein anderes Album ganz gut: „Boudub“ (The Studio Stereo/Download) von Otis Reading, obwohl wir es hier nicht mit dem unentrinnbaren hypnotischen (Dub)Flow zu tun haben. Der Belgier geht viel experimenteller vor, bricht den Flow ab, sobald man beginnt, sich darin wohl zu fühlen. Ein wenig erinnert mich sein neues Album an Hey-O-Hansen, obwohl Readings Sound viel technoider ist. Er lässt sich nicht leicht einordnen, zumal er sein neues Werk teils nahe am Dubstep gebaut hat – ohne jedoch den Reggae-Offbeat gegen die typischen, schlimmen Synthie-Flächen einzutauschen. „Techno“, „Dubstep“ – das klingt jetzt nach brutaler, vordergründiger Musik, doch „Boudub“ ist das Gegenteil. Die Tracks sind komplex, stecken voller Breaks, voller Tempowechsel und nicht zuletzt voller Überraschungen. Das alles wirkt trotzdem recht entspannt und lebt von dem Kontrast zu den gelegentlichen härteren Passagen. Wer also seine grauen Zellen mal wieder mit einem intellektuellen Dub-Erlebnis bespaßen will, der sollte sich auf die faszinierende Boudub-Journey einlassen, sich zurück lehnen und die Ohren spitzen.

Und da isse wieder: Die neue King Size Dub-Compilation! Gestartet in den 1990er Jahren und inzwischen bei „King Size Dub, Chapter 15“ (Echo Beach) angelangt, ist es die meines Wissens dienstälteste Dub-Compilation-Reihe der Welt. Und Label-Betreiber Nikolai ist zu recht stolz auf insgesamt über 100.000 verkaufte Exemplare. Congratulations! War die Reihe in ihren jungen Tagen eher eine Bestandsaufnahme der damals turbulenten Dub-Szene der 1990er Jahre, so hat sie sich nun zu einem Echo Beach- und Collision-Label-Showcase entwickelt. Daher finden sich auf „Chapter 15“ die bekannten und hoch geschätzten Namen vom Strand des Echos: Ruts DC (als Rob Smith-Remix), Noiseshaper, Martha & The Muffins, Up, Bustle & Out, Tack>>Head, Dubblestandart, Dubmatix, Dub Spencer & Trance Hill, Umberto Echo, Jamaram u. a. Die Auswahl ist wunderbar harmonisch, entspannt und zugleich genügend abwechslungsreich. Der Dubmatix-Track „Deep Dark Dub“, der uns hier als Remix von Felix Wolter präsentiert wird (bereits eine kleine Preview auf das superbe, in Kürze erscheinende Remix-Album von Dubmatix), ist mein persönliches Highlight des Samplers, dicht gefolgt vom außerordentlich schwungvollen Track „Rootsman“ aus dem Dreadzone-Headquarter sowie Aldubbs Remix „Wa Doo Dubb“ – einer witzigen Version des Eek A Mouse-Klassikers im Dubstep-Style.

Und dann wäre da noch eine weitere Ausgabe der Greensleevesschen „Evolution Of Dub“ (Greensleeves), die sich mit „Volume 6“ dem Werk Prince Jammys verschrieben hat. Meine anfängliche Begeisterung für das „Evolution Of Dub“-Projekt ist inzwischen allerdings einer kleinen Frustration gewichen, da die Evolution bei Greensleeves doch etwas arg auf der Stelle tritt. Was zunächst nach einer fundamentalen Aufarbeitung der Geschichte des Genres aussah, entpuppt sich zusehends mehr als Vehikel zur bloßen Wiederveröffentlichung des Label-Back-Catalogues. Natürlich ist Jammy einer der wichtigen Protagonisten des Dub, aber sind alle vier Alben „Crucial In Dub“, „Kamikazi Dub“, „Uhuruh in Dub“ und „Osbourne In Dub“ gleichermaßen wichtige Meilensteine des Genres?  Meines Erachtens hat nur „Kamikazi Dub“ einen prominenten Platz in der Evolutionsgeschichte verdient. Das Album zeigt Jammy in Höchstform – sowohl was die Produktionen, als auch den fantastischen Mix betrifft. Der nach dem Kurosawa-Klassiker benannte Track „Throne Of Blood“ gehört für mich in die Galerie der zehn größten Meisterwerke des Dub. Dieser Track rettet die ganze 4-CD-Box.

Ein Mann, der mit seinen Dub-Werken zu Recht ein wesentliches Kapitel der Dub-Evolution schreiben könnte, ist Neil Perch. Mit seinem 1991 gegründeten Dub-Projekt Zion Train erfand er Mitte der 1990er Jahre (fast!) im Alleingang (Dreadzone war ja auch noch da) Dub-House und erschloss dem Genre damit eine Hörerschaft weit jenseits von Reggae und Dub. Nun widmet ihm das Label Nascente unter dem Titel „Dub Revolutionaries: Zion Train – The Very Best Of“ (Nascente) eine zwei CDs umfassende Werkschau, die von den eher traditionell orientierten Anfängen über die Dub-House-Phase bis hin zum heutigen Status als Wächter des originären UK-Dub-Sounds reicht. Das Zion Train-Oeuvre in so komprimierter Form zu hören, macht deutlich, wie unglaublich progressiv Neil Perch seinerzeit war. Im Kontrast dazu ist es fast schade, dass er bei seinen jüngeren Arbeiten zu sehr am klassischen UK-Sound kleben bleibt.

Bill Laswell ist so etwas wie der Eastcoast Godfather of Bass. Wenn in New York und Umgebung Musik jenseits des Mainstream gemacht wird – in deren Zentrum der Bass steht – dann hat Laswell mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seine Finger im Spiel. Im vorliegenden Fall mussten sich seine rührigen Finger allerdings auf die Knöpfe und Regler des Mischpults beschränken: David Solid Gould & Bill Laswell, „Dub Of The Passover“ (Tzadik.com) ist die Dub-Version des Instrumentalalbums „Feast Of The Passover“ von David Gould, das – ungewöhnlich für ein Reggae-Album – auf dem Label von John Zorn erschienen ist. „Feast Of The Passover“ ist der Versuch, jüdische Festtagslieder mit Reggae zu kreuzen, was auch gar nicht so schlecht gelungen ist, da die leicht melancholischen, jüdischen Melodien ausgesprochen schön sind und gut mit den langsamen Reggae-Beats harmonieren. Doch so schön die Stücke des Originalalbums auch sind – der für US-Reggae typische, trockene und etwas hölzerne Sound ist es nicht. Und hier kommt Laswell ins Spiel und mixt aus der drögen Vorlage ein wunderbar fluffiges Dub-Album. Immer wieder faszinierend, wie sehr sich der Charakter von Musik allein mit Hilfe des Mischpults verwandeln lässt. Dabei ist Laswells Mix ganz unaufgeregt und klassisch – aber der Mann weiß um die Bedeutung des Sounds und ist in der Lage, diesen virtuos zu beherrschen. So ist „Dub The Passover“ zu einem wunderschönen, entspannten Dub-Werk geworden, das vor allem durch wohlklingende Melodien und einen wunderbar warmen, harmonischen Sound besticht.

Zum Schluss seien noch kurz die „Berlin Sessions“ (Irie-Ites) von Aldubb, Dubmatix und Mighty Howard erwähnt. Die drei hatten sich während der letzten Dubmatix-Tour für ein Wochenende im Berliner Studio Aldubbs eingeschlossen und drei Songs, inklusive Dub-Version produziert. Diese sind nun als EP bei Irie-Ites erschienen und beweisen, dass sich Reggae auch bei uns in jamaikanischem Tempo produzieren lässt.

 

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Various, „Dub Zealand“

Zur Zeit ist Fat Freddie’s Drop zweifellos der musikalische Exportstar Neuseelands (zumindest, was unser Genre betrifft). Aber die Insel hat noch deutlich mehr Dub zu bieten, wie der neue Sampler „Dub Zealand“ (Green Queen Music) beweist, der uns vierzehn äußerst schöne Dub-Tracks präsentiert. Das Grundelement fast aller hier versammelten Stücke ist dieser merkwürdig weiche, entspannte und manchmal subtil verschroben wirkende Sound, der offensichtlich typisch für die Musik der Kiwis ist. Einige der neuseeländischen Dub-Protagonisten des Samplers sind uns übrigens  wohlbekannt: The Black Seeds, Unitone HiFi, International Observer, The Nomad und Katchafire. Andere gilt es unbedingt neu zu entdecken wie z. B. den Dub Terminator, der hier einen fantastischen Science-Fiction-Track geliefert hat, oder Jefferson Belt, dessen Drummachine und Gesangsfragmente spontan an Lee Perry denken lassen; oder Jstar & Dr. Cat, die uns beweisen, dass Qualitäts-Dubstep auch am anderen Ende der Welt angekommen ist. Ich bin jedenfalls bass erstaunt, dass Neuseelands Dub-Landschaften so reich blühen. Vielleicht gibt es eine Seelenverwandschaft zwischen den Bewohnern der „Inseln“ Jamaika und Neuseeland – und natürlich England!

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„Transnational Dubstep“ vs. Forty Thieves Orkestar, „Last Band Standing“

Dubstep – der große Hype der letzten Jahre. Nach anfänglicher Begeisterung, trat bei mir schnell Ernüchterung ein: Verglichen mit Dub war Dubstep oftmals schlicht langweilig. Außerdem fehlt der Reggae-Offbeat, was die Sache ohnehin schon fragwürdig macht. Jetzt aber bin ich auf ein ausgesprochen spannenden und nach meinem Geschmack auch sehr, sehr guten Dubstep-Sampler gestoßen: „Generation Bass Presents: Transnational Dubstep“ (Six Degrees). Was den hier präsentierten Dubstep so außergewöhnlich macht, ist der titelgebende „transnationale“ Sound. Denn hier mischen sich der Wobble-Bass und die Percussion-Loops mit Elementen traditioneller Weltmusik, wie arabische Chants, Cumbia, Balkan-Beats, Gipsy Swing, Sufi-Music oder gar fernöstlichen Harmonien. Das Ergebnis ist eine absolut organische Verbindung von Dubstep und Weltmusik. Aus gewöhnlich eher eintönigem Dubstep wird hier ein wahres Feuerwerk aus Polyrhythmik, synkopierten Beats, fremder Melodien und schräger Instrumentierung. Kompiliert wurde der Sampler übrigens vom Betreiber des einflussreichen Dubstep-Blogs generationbass.com.

Gehen wir noch einen Schritt weiter und überschreiten mit „Last Band Standing“ (Enja) vom Forty Thieves Orkestar, die Grenze von Dub und Reggae in Richtung Worldmusic vollständig. Seit 1994 gibt es die bunt gemischte Combo aus London und Istanbul, die Balkan Gypsy-Beats und Bauchtanz mit starken Reggae- und Dub-Einflüssen verbindet. Blechbläser, Klarinetten, Violinen, Akkordeon und perkussive Beats werden sich hier zu einer faszinierenden Melange, bei der man stets einen Reggae-Beat durchklingen zu hören glaubt. Die Rhythmen sind wunderbar komplex und doch uneingeschränkt groovy, die Melodien eingängig und doch fremd und der Studiomix zurückhaltend und doch voller Finesse. Ich glaube, es ist nicht zu verbergen, dass ich mich in dieses Album verliebt habe – auch, wenn eine Nähe zu Dub nur mit gutem Willen attestiert werden kann. Das Album bietet aber alles, was guter Dub haben muss: gute Instrumentalmusik, interessante Beats, virtuose Studioarbeit, tolle musikalische Ideen und nicht zuletzt einen fetten Groove. Es fehlen nur die Bassdominanz und die Dubeffekte – die für Dub allerdings konstatierend sind. Tja, ich kann es drehen und wenden: Dub ist es zwar nicht – aber es ist trotzdem super!

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Dub Spencer & Trance Hill, „The Clashification Of Dub“ vs. Jamaram, „In Dub“

Da habe ich vor kurzem noch das Joe Stummer-Tribute „Shatter The Hotel“ auf Platz 10 meiner Dub-Top-Ten 2010 gewählt, da kommt schon ein neues Clash-Tribute ins Haus: Dub Spencer & Trance Hill, „The Clashification Of Dub“ (Echo Beach). Die vier schweizer Space-Cowboys bieten uns hier eine rockig, düstere Dubification bekannter Clash-Hits. Handgespielt, ein Sound mit Ecken und Kanten, klassisch und mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail gedubbt. Das Ganze klingt fast wie eine Live-Produktion, ungeschliffen, rockig und doch voller Reggae-Vibes. Beim ersten Hören ist mir die brillante Qualität des Albums allerdings gar nicht so bewusst geworden, was verdeutlicht, dass wir es hier nicht mit vordergründigen, eingängigen Beats zu tun haben, sondern im Gegenteil mit durchaus komplexen und hintergründigen Instrumentals, vollständig durchkomponiert und von einer spannungsvollen Dramaturgie bestimmt. Hinzu kommt diese düstere, fast psychedelische Atmosphäre – dieser Funke Wahnsinn in der Musik, der sie ein wenig unzugänglich, aber zugleich auch so verführerisch macht. Mit The Clash hat diese dubifizierte Neuinterpretation nur noch am Rande zu tun. Joe Strummers Songs scheinen lediglich ein Startpunkt für die ausgedehnten musikalischen Exkursionen der Space Cowboys gewesen zu sein, Exkursionen, hinein in die weite Prärie psychedelischer Transzendenz, immer weiter, bis ihre Silhouetten vor dem flirrenden Feuerball der untergehenden Sonne in der Ferne verschwinden.

Neben „Clashification“ schickt das sympathische Hamburger Dub-Label Echo Beach (was würden wir ohne es machen?), ein zweites, grundverschiedenes Dub-Album ins Rennen: „Jamaram In Dub“ (Echo Beach). Statt rau, düster und rockig zu klingen, bieten Jamaram hundert Prozent Niceness: Positive, energetische Rhythms, voller Sturm und Drang, denen man den Spaß der achtköpfigen Band anhört. Das ist keine ins Transzendentale driftende Musik, sondern einfacher, großartiger Reggae – virtuos gedubbt von Umberto Echo. Ein schöner, warmer Sound, handgespielt, sehr abwechslungsreich und inspiriert. Empfiehlt sich bei Dub Spencer & Trance Hill das aufmerksame Hinhören, so entfaltet „Jamaram in Dub“ seine Wirkung viel unmittelbarer. Die positiven Kraft dieser Musik springt einen förmlich an. Wer sie hört, kommt gut drauf. Und der Dub-Wizzard Mr. Echo tat gut daran, diesen Drive nicht einem allzu komplizierten Mix zu opfern. Er agiert zurückhaltend im Hintergrund und gibt der Musik Raum zur Entfaltung. Jamaram und Dub Spencer & Trance Hill – man muss sie alle beide (oder alle drei?) lieben!

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Reggae Review

Blue Riddim Band, „Tribute“

Ich habe schwer den Eindruck, dass die amerikanischen Bands langsam besser werden. Was mich das vermuten lässt? „Tribute“ (Rougher Records, Download oder über den deutschen Vertrieb), der Blue Riddim Band! Statt sich dem Roots-Reggae zu verschreiben, wie ihn nahezu alle anderen US-Reggae-Bands spielen (und dass meist mit einem eklatenten Grooove-Defizit), widmen die acht Musiker ihr Tribute den Originators der jamakanischen Musik, Coxsone Dodd und Duke Reid. Dazu haben sie schlicht und ergreifend ihre Lieblingssongs aus der Ära des Ska, Rocksteady und frühen Reggae instrumental neu interpretiert und anschließend durch den Dubwolf gedreht. Was dabei heraus gekommen ist, klingt verdammt authentisch. „Love Without Feeling“ der Heptones, „Only A Smile“ der Paragons, „Baba Boom“ der Jamaicans oder „Fatty Fatty“ der Heptones erklingen in einem von Bläsern getragenem, mit Orgel verzierten und einem luftigen Schlagzeug befeuerten Sound. Fast meint man das Knacken alter Vinylplatten zu vernehmen. Selbst die Dub-Effekte klingen irgendwie nach Studio One. Da kann man sich natürlich fragen, warum man sich statt des Originals ein US-Remake anhören soll. Die schlichte Antwort könnte lauten: Weil das Remake verdammt viel Spaß macht.

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Scholars Word, „Dub Collection“

Bereits 2009 erschienen, doch jetzt erst über einen deutschen Vertrieb erhältlich, ist „Dub Collection“ (Scholars Word) zweifellos eines der besten Dub-Alben, das in jüngerer Zeit in den USA produziert wurde. Bei Scholars Word handelt es sich eigentlich um eine ganz normale, amerikanische Reggae-Band, die solo oder als Backing Band vieler jamaikanischer Artists bereits unzählige Male durch die USA getourt sind, den deutschen Reggae-Fans aber – verständlicher Weise – bisher verborgen geblieben ist. So sind bis 2009 – von uns unbemerkt – fünf Alben entstanden, deren Best Of-Selection unter die Finger des Dub-Meisters Jahboo geraten sind und anschließend in Form solider Dub-Mixes auf das vorliegende Album gepackt wurden. Ich kenne die Originale nicht, aber eines ist ganz eindeutig: Die Dubs sind superb! Die vierköpfige Band hat ernsthaft verstanden, was Groove ist. So kraftvolle Beats, so exakt auf den Punkt, so zielsicher ins Herz des Roots-Addicts, dass es eine pure Freude ist. Der Sound ist dabei wunderbar weich, warm, entspannt und doch energiegeladen, die Riddims sind großartig. Gekrönt wird das Ganze von überaus angenehmen Melodien, einem soliden Mix und vor allem der faszinierenden Eigenschaft, unweigerlich ein gutes Gefühl zu verbreiten, sobald das Album erklingt.