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Dennis Bovell meets Dubblestandart: @ Repulse „Reggae Classics“

Über Paul Zasky’s unter dem Dubblestandart-Etikett herausgebrachtes „Reggae Classics“-Album habe ich mir an dieser Stelle bereits lang und breit das Maul zerrissen. Zu groß war der qualitative Unterschied zum Vorgänger „Dub Realistic“; unverständlich die Entscheidung mit der zwar versierten, aber musikalisch eigenschaftslosen Firehouse Crew zusammenzuarbeiten. Glücklicherweise ist das Teil auf Echo Beach erschienen – dem wohl recyclingfreudigstem Label wo gibt. Und tatsächlich: Die ersten Tracks von „Reggae Classics“ feierten ihre Wiedergeburt auf „Dub Me Crazy“ (siehe auch René Wynands Rezension) – einer Compilation, für die Paolo Baldini die Aufnahmen zerlegt, entstaubt und aufpoliert hat. Das Ergebnis waren Dub-Remixes, die bar jeder Dubblestandart-Sterilität frisch und frech durch die Speaker dröhnen. Der nächste Streich des Labels war simpel die Bänder/Files beim Dubvisionisten abzugeben und auf’s Beste zu hoffen. Der Mann hat geliefert: Eine wunderbare, radikale Umdeutung der „Reggae-Classics“ in die melancholische Richtung. Bar jeglicher Original-Vocals, dafür mit Vocoder-Effekten und elegischen Klangteppichen aufgefüttert lässt er das Original-Album weit hinter sich.

Kann man das noch toppen? Einen Versuch ist es wert; also ab mit den Aufnahmen zu Dennis Bovell – Stichwort Matumbi, Stichwort LKJ. Er hat uns jetzt so etwas wie eine dritte Inkarnation des Albums beschert: „Dennis Bovell Meets Dubblestandart @ Repulse Reggae Classics“ (Echo Beach), so der sperrige Titel, weiß zu überraschen. Statt einer amtlichen Dub-Version singt (!) Bovell erst mal die Tracks neu ein bevor er sich an’s Dub-Mixing macht. Nun ist es wirklich nicht so, dass Bovell das erste Mal ans Mikrophon tritt, aber die Erwartungen des Rezensenten waren völlig andere. Und so kommt es, dass an die Stelle der kalten, ungelenk-eckigen, „denglish“-klingenden Vocals von Paul Zasky die mitunter nicht minder befremdliche Stimme von Bovell tritt. Sie ist roh, geradezu derb, bringt einen Schuss dreckigen Soul ein, wirkt auf ihre eigene Art ungelenk: Das ätherische „Fly Me to the Moon“ kann so die Erdanziehung nicht überwinden und crasht gnadenlos; auch die überarbeitete Version von „I‘m no Robot“ mit ihren neuen Backing-Vocals wirkt seltsam deplatziert und durch Bovell‘s dahintölpelnden Vibrato-Bariton bisweilen geradezu operettenhaft. Sozusagen ein Downgrade in die Holzklasse, die zwar nicht jedem Track gut steht, einigen jedoch eine gewisse Street-Credibility verpasst: Culture’s „Jah Jah See dem a Come“ oder Steel Pulse’s „Babylon the Bandit“ gewinnen so zweifellos.

Die Vocal-Tracks sind also mehr ein Gemischtwarenhandel oder – wenn man so will – ein 1€-Shop: Nicht alles hat die gleiche Qualität, nicht alles hält was es verspricht, manches ist selbst mit einem Euro noch überbezahlt. Das gilt freilich nicht für die Dub-Mixes, die es ja auch noch zu besprechen gilt, aber nicht vieler Worte bedürfen: Sie sind durchaus gelungen bis exzellent; hier ist Dennis Bovell über jeden Zweifel erhaben, hier kann der Dub-Master scheinen: Schön erdig, old-school und unaufgeregt, genau so etwas erwartet man sich von dem Mann. Dafür gibt’s die uneingeschränkte Kauf-Empfehlung. Was man mit der gesungenen Draufgabe macht, bleibt jedem selbst überlassen – ich habe sie unter „musikalischer Scherz“ abgelegt, den ich hin und wieder zu meinem Vergnügen hervorkrame. 

Bewertung: 3.5 von 5.

2 Antworten auf „Dennis Bovell meets Dubblestandart: @ Repulse „Reggae Classics““

Ich merke immer wieder, das ich nur ein Fan bin. Ihr seid natürlich auch Fans aber ihr habt euch auch zu speziellen Experten entwickelt oder es war euch schlicht weg mehr angeboren als mir. Jedenfalls überzeugt mich schon allein deine Beschreibung der Stimme von Dennis Bovell, gtkriz.
„Sie ist roh, geradezu derb, bringt einen Schuss dreckigen Soul ein, wirkt auf ihre eigene Art ungelenk“. Das finde ich sehr gut beschrieben, zumal es – für mich – nicht so klingt, als ob sie
komplett daneben liegen würde. Mir gefällt „natürlich“ besonders „der dreckige Soul“ in der Stimme und da Dennis Bovell ja in erster Linie immer für die Basslines zuständig war, sehe ich es ihm nach, das er nicht über die stimmliche Virtuosität eines Frederick „Toots“ Hibbert verfügt. Ich meine, das ich auch schon beim „Original“ den Kommentar abgegeben habe, das mich auch die Stimme von Paul Zaski nicht genervt hat. Natürlich viel sie gegenüber den Originalen zuweilen ganz weit ab und stellte klar, das Paul Zaski bei weitem nicht über das Charisma eines Joseph Hill oder eines David Hinds verfügt. Ich glaube, damit kann er leben. Denn auch Jamaica und deren, inzwischen weltweit verstreuten, „Botschafter“ bzw. deren Nachkommen,
konnten dieses Charisma – aus meiner Sicht – bei weitem nicht mehr erreichen.
Natürlich verfügt auch ein Buju Banton über ein gewisses Charisma aber mich überzeugt das nur gelegentlich. Schon allein sein letztes Album, was soll das sein ? Is wie Ackee and Saltfisch ohne Gewürze ! Boring ! ( ! Meine Meinung ! muss nicht unbedingt stimmen ). Und auch vorher fand ich den Buju immer schon sehr „durchwachsen“.
Warum schreibe ich hier eigentlich so viel über die Vocals ?!? Das liegt vor allem daran, das die Vocals hier für mich das wirklich Innovative an dem inzwischen 3. Aufguss sind. Und als Fan, nicht als über jeden zweifel erhabener Experte, muss ich sagen, das mir der Gesang ( oder sollte ich doch lieber die Vocals schreiben ) von Dennis Bovell größtenteils sehr zusagt.

( kleiner Einwurf zur Vorbeugung gegen Missverständnisse : Ich meine nicht dich gtkriz, wenn ich „über jeden Zweifel erhabener Experte“ schreibe. Auch wenn es natürlich so ist ;-) Das meine ich nur ganz allgemein und versteckt, steckt der Wunsch da mit drin, das ich selbst gern über jeden Zweifel erhaben wäre / Es sollte jedenfalls, keinesfalls als zickige Ironie aufgefassst werden …….. greetings ).

Das liegt vor allem an der Frequenz, mit der er singt. Auch die Lautstärke wirkt nicht überzogen, wie bei VPrecords. Seine Stimme ist eher tief und erinnert nicht im geringsten an plärrende,verwöhnte Kleinkinder an der Supermarktkasse. Da gibt es so viele – von Chezidek bis Queen Ifrika – die anscheinend meinen, das die Menschheit von Kopf bis Fuss auf „geplärre“ eingestellt ist. Da muss dringend an der Balance gefeilt werden. Nicht zwischen rechts und links sondern an der Balance zwischen Musik und geplärre.
Deshalb lasst mich lieber wieder über die Dubs schreiben. Und genau dabei stelle ich fest, das ich bei weitem nicht so ein DubExperte bin, wie ihr hier. Ich bin da wirklich nur ein Fan.

Und deshalb muss ich sagen, das ich weder die Dubs von Paolo Baldini noch die vom Dubvisionisten und auch nicht die von Dennis Bovell unbedingt gebraucht hätte. Das sind alles nur Files für mich. ( Obwohl ich die vom Paolo dennoch als Vinyl bestellt habe aber die kommt einfach nicht an Land ). Und auch die vom Dubvisionisten hätte ich mir bestellt, wenn es die denn unkompliziert zu kaufen gegeben hätte. Files haben immer noch den geringeren Stellenwert bei mir und deshalb bin ich mit der „Doppel LP“ + mitgelieferter CD am besten bedient.
Ich distanziere mich hier deshalb von den wahren Experten, weil ich nicht die Muße habe, mir die vesrchiedenen Dubversions nochmal so akribisch und mit voller Konzentration anzuhören, da auch DubMusic sich für mich in erster Linie durch den Riddim unterscheidet und die EffektMaschinerie nicht unbedingt ein komplett neues Musikerlebnis erzeugt.
Und warum habe ich mir dann die erweiterte Version von „Horror Zone“ zugelegt ?!? Erstens VINYL ! Zweitens bin ich da noch mehr Fan und drittens schlummert in mir vielleicht doch gelegentlich so etwas wie ein …….. Experte ;-)

Als ich von Reggae und Dub noch nix wusste, habe ich mich immer über „geklaute“ Musik geärgert. Ganz besonders als ich noch klein war, haben mich schon die deutschen Versions genervt, die von den englischsprachigen Hits einfach „geremixt“ wurden. Ausnahme „Ein Bett Im Kornfeld“ vom Jürgen Drews, war auch für mich akzeptabel. Original war, glaub ich, von den Bellamy Brothers oder so ähnlich. Je länger ich mich im ReggaeCosmos bewegte, stellte ich fest, das es in keiner Musik so viele Versions ( auch Coverversions ) gab und gibt, wie im Reggae und Dub. Da war ein krasser Umdenkungsprozess nötig, indem ich mich teilweise immer noch befinde.
Und so frage ich mich bei diesem „Dubblestandart-Projekt“ immer wieder, warum man davon so viele Aufgüsse macht ?! Ist man froh darüber, so tighte Riddims, von einer so versierten ReggaeBackGroundBand, wie der FireHouse Crew mixen und wieder remixen zu dürfen ? Auch wenn diese „musikalisch eigenschaftslos“ zu sein scheint. Das klingt härter als es ist, finde ich, denn auch wenn die Fire House Crew selbst – auch für mich – nicht so markante Eigenschaften hat, wie die Taxi Gang oder eben die Roots Radics, spielen die aus einem Guss und sind eben „aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt“. Wenn die spielen, dann groovt´s und es klemmt gar nix.

Ok, ich hoffe ich habe hier nicht zu „viel Rauch um Nichts“ gemacht. Ich versuche ja immer nur meine Eindrücke und gewisse Nebenwirkungen zu schildern. Es bleibt ja am Ende doch alles beim Alten. Auch diese Versions von und mit Dennis Bovell gefallen mir von vorn bis hinten sehr gut. Aber im Gegensatz zu gtkriz und eventuell vielen anderen, fand ich die „Originale“ von DubbleStandart mit der Fire House Crew schon richtig gut und all die zusätzlichen Files werden bei mir nicht unter „musikalischer Scherz“ ;-) , sondern unter „Magic Internet Records“ „abgelegt“ und gelegentlich, höchstwahrscheinlich auch zu meinem Vergnügen, hervorgekramt bzw. einfach nur angeklickt.

Übrigens : ( wir sind hier doch nicht bei Lech´s Kosmus ) Die Originale ! ( ohne Gänsefüßchen ) waren und sind eh am besten ;-) …………………………… lemmi

P.S. : Leider hatten die aber noch nicht SO (!) einen guten Sound ( muss man ja auch mal zugeben ).

jetz aber tschüss …………………… lemmi

Eine Rezension versucht bestenfalls genauer hinzusehen, Steine umzudrehen, tiefer zu graben, Verbindungen offenzulegen, Bezüge her- und Vergleiche anzustellen oder einfach nur hinzufühlen und zu reagieren. Letzten Endes ist sie aber trotz allen Bemühens nur eine weitere subjektive Meinung, die möglichst attraktiv dargeboten wird. Soviel zum Expertentum :-)

Zu den Inkarnationen/Neuauflagen/Coverversions/Remixes/Re-Dubs – deren Sinn kann man natürlich hinterfragen. Ich selbst bin Labels wie Echo Beach dankbar, dass wir durch sie mit einer Fülle von unterschiedlichen musikalischen Ansätzen konfrontiert sind und so für einen einzigen Release mehrere künstlerische Dimensionen erfahrbar sind. Das ist ja auch das Wesen des Dubs: Das Original wird um eine Dimension erweitert. Wunderbar!

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