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Winds of Matterhorn

Ich habe den Eindruck, dass Reggae-Instrumentals gerade ein Revival erleben. Man denke nur an die letzten Veröffentlichungen von Clive Hunt, den Roots Makers, Addis Records oder z. B. an die schöne Gregory Isaacs-Hommage von Megumi Mesaku. Nicht selten spielt dabei die Brass-Section eine große Rolle. So auch bei dieser beeindruckenden EP aus den Schweizer Bergen: „Winds of Matterhorn“. Mit einem Umfang von nur vier Titeln handelt es sich ja eigentlich um eine 12“-Single. Bekanntermaßen sind solche kurzen Formate für den dubblog nicht von Interesse. Aber in diesem Fall müssen wir eine Ausnahme machen. Denn die vier Tracks wiegen ein komplettes Album auf. Mit Schweizer Präzision produziert, handelt es sich keineswegs nur um Rhythms, die eigentlich als Song-Backing aufgenommen wurden, sondern um komplett durch komponierte instrumentale „Songs“. In anderen Musikstilen, wie Jazz, eigentlich eine Selbstverständlichkeiten, im Reggae aber leider weitgehend in Vergessenheit geraten. Deshalb sind wir bei den Winds of Matterhorn auch meilenweit entfernt von den typischen Dub-Instrumentals bei denen ein Soloinstrument (wie zum Beispiel die Melodica) gänzlich ohne Bezug zum vorproduzierten Rhtyhm ein uninspiriertes Soloding durchzieht. Es ist ganz offensichtlich dass die Tunes von Winds of Matterhorn von vorne herein als Instrumentals geplant, komponiert und ausgeführt wurden. Eine Funktion als Vocal-Backing war nie intendiert. Die Arrangements sind gleichermaßen kunst- wie kraftvoll und folgen einer cleveren Dramaturgie. Instrumental-Soli und Rhythmus sind eng miteinander verwoben, als führten sie einen innigen Dialog. Es gibt ordentliche Kontraste: Sensible, ruhige Passagen prallen auf eine Wall of Sound und die eleglischen Klänge von Flöte und Cello treffen auf schmetternde Bläsersätze. Langeweile kommt hier nicht auf.

Hinter den Winds of Matterhorn stecken Posaunist Matteo D’Amico und Produzent Jean-Baptise Bottliglieri, sowie eine ganze Reihe anderer versierter Musiker. Denn nach alter Manier, wurden hier alle Instrumente von Hand eingespielt. Der Sound ist schlicht fulminant, maximal dynamisch und einfach betörend. Das einzige Manko: Vier Tracks sind viel zu wenig. Wann kommt das Album? Bis dahin tröstet uns die Erkenntnis: Die europäischen Wareika Hills liegen in den Schweizer Alpen.

Bewertung: 4.5 von 5.

6 Antworten auf „Winds of Matterhorn“

Erst letztens dachte ich mir, dass in meiner Playlist sehr viele Titel mit einer Brass-Section drin sind – von den Solo-Instrumentalisten mal ganz abgesehen. Die „Winds of Matterhorn“ (was für ein Name) stechen da allerdings raus: Komposition, Arrangement und vor allem musikalische Versiertheit sind vom Allerfeinsten… sehr schön, mehr davon pa-lease!

Oh oh, so langsam muss ich wohl „mein Geheimnis“ lüften, das ich virtuose und gekonnt vorgetragene Musik nicht so richtig zu schätzen weiß. Ja, ich erkenne, das hier gute Musiker am Start sein müssen. Hier scheint jeder sein Handwerk zu verstehen. Auch der Sound und die Riddims sind sehr ansprechend. Manche Soli packen auch mich aber insgesamt ist mir das viel zu viel Gebläse um überhaupt ansatzweise ein Dubgefühl aufkommen zu lassen. Aber es geht hier ja auch gar nicht um Dub, sondern um Instrumentals. Von daher wird das schon alles ok so sein. Aber ich muss gestehen, mich lenkt das Gebläse zu sehr ab. Ich musste leider auch die Clive Hunt Scheibe in die Ecke stellen, weil mich das Gebläse letztenendes doch zu sehr nervt. Nun, ich kann es förmlich fühlen, wie sehr ihr euch die Haare rauft, bei meinen Ansichten aber ich brauche so viel Gebläse einfach nicht. Da entsteht bei mir keine Magie.
Vielleicht werden die vier Tunes ja noch durch DubVersions ergänzt, so das wir uns dann alle über „mehr davon“ freuen können und ich obendrein auch was für mein Dubherz bekomme.
Und dann wage ich mich jetzt auch noch ganz weit hinaus und stelle mal eine Frage, bei der ich am Ende als komplett Ahnungsloser dastehen könnte. Sehr oft und auch hier bei „Fire“ habe ich das Gefühl, das die Bassline eher an Polka erinnert als an Ska. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, das hier prinzipiell etwas nicht so ganz passt. Jedenfalls habe ich bei dem Ska von den Skatalites immer ein anderes, viel besseres SkaFeeling als bei den vielen Nachahmern „outside of Jamaica“.

So muss ich zwar keineswegs rauslaufen, wenn die EP läuft aber ich muss auch nicht traurig sein, das ich mir davon keine Vinyl oder CD kaufen kann.

Ich kann euch gut verstehen. Wenn nicht so eine latente Abneigung gegen zu viel Gebläse besteht, kann man diese Instrumentals bestimmt sehr gut genießen. Bei mir ist das ein bischen so, als ob auf einer nahezu perfekten Pizza viel zu viel Äpfel und Birnen mit drauf liegen. Die könnte man ja auch auf einer „DubPizza“ stark reduzieren oder meinetwegen auch ganz entfernen oder am besten durch fantasievolle DubEffekte mit köstlichem Blätterkrokant überziehen bzw. – so wie im Dub üblich – zu veredeln, das sie eher wie eine mystische Erscheinung rüberkommen und auch meine Synapsen nicht überfordern. Gerade beim Gebläse passt der Satz „weniger ist mehr“ aus meiner Sicht mal wieder perfekt.

Soweit aus meiner Perspektive …………………………. lemmi

„Polka“ :-)))
So ungefähr empfinde ich das auch, erinnert mich auch irgendwo an die balkanesischen Bläser-Ensembles. Der Track ist mir zu hektisch und deshalb als einziger der EP aus der Playlist geflogen.

Das mit den Bläsern… ich liebe die Posaune und ihren Klang, ebenso die Querflöte; ich mag auch die Trompete wenn sie ein wenig jazzig daherkommt – mit dem Saxophone hab‘ ich’s nicht so, das kommt mir meist wie eine Tröte rüber. Meine idealer Brass-Section wären zwei Posaunen und eine Trompete; und zumindest einer der drei sollte auch Querflöte spielen können.

Ich meine, dass sich im Reggae/Dub die Brass meist nicht durch exaktes Spiel & Timing auszeichnet, was aber durchaus seinen Charme hat. Wäre interessant, was die Phenix Horns über Reggae-Riddims hingepfeffert hätten.

Ja gtkriz ;-)

Ich glaube inzwischen zu wissen, das du es mit Ska sowieso nicht so hast. Mir ist schon des öfteren aufgefallen, oder ich sag mal lieber, schon ein paar mal aufgefallen, das du Ska-Tunes nicht mit in deine Deep in Dub Liste übernimmst, auch wenn sie eigentlich mit auf dem DubAlbum drauf waren.
Ich habe nix gegen Ska und auch nix gegen SkaDub aber ich habe so dermaßen oft das Gefühl, das europäer Ska mit Polka verwechseln. Und dann gibt es ja noch diejenigen, die den original Ska noch als zu langsam empfinden aber mit denen rede ich nicht ;-)
Da fällt mir eine Frage ein, auf die du nicht antworten musst. „Shark Attack Dub“ ist ja nun kein Ska aber der is auch rausgeflogen. Warum gerade der ?
Habe ich mit meinem Geschwärme von dem Tune eine Art Würgereiz ausgelöst ?
Im Grunde würde mich das schon interressieren aber wie gesagt, so wichtig ist es nun auch wieder nicht.
Mit den Bläsern sind wir uns ja dann eigentlich auch einig. Saxophon finde ich auch ganz gut aber die Dinger sind zu groß. Die kann man ab der Mitte durchsägen, damit die hohen, extrem penetranten Töne nicht gespielt werden können. Aber ganau auf diesen Tönen eiern die zu oft rum, weil sie das eventuell für besonders virtuos halten. Dean „Martin“ Frazer lässt grüßen.
Ich höre ja auch gern die süße Youtie ( Nomad Skank ) und die schaffe ich fast immer in einem Rutsch durchzuhören.
Ja, dann muss ich ja jetzt nochmal schauen, wer die „Phenix Horns“ sind ……….

Greetings ……………… lemmi

Der „Shark Attack Dub“ ist aufgrund des Drum Computers (grausame 08/15-HiHats) und der penetranten Billigsdorfer-Keyboards rausgeflogen. „Doesn’t spark a joy“ würde Marie Kondo sagen :-)

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