Kategorien
Review

Dublerone: Dub For Kailash

Wenn ich Dublerone lese, assoziiere ich unweigerlich „die zarteste Versuchung, seit es »Dubolade« gibt“. Dass die Schweiz mehr zu bieten hat, als Tresore, Banken, Franken, Berge, Käse, Rösti, Uhren und Schweizer Offizierstaschenmesser – um nur einige Klischees zu nennen – wissen wir Dubheads spätestens seit Hazer Baba, Dubment und allen voran Dub Spencer & Trance Hill. Nun kommt aus der Schweizer Hauptstadt Bern eine weitere zarte Dub-Versuchung mit dem schönen Namen „Dublerone“. Ein Projekt, das uns laut Infotext „the finest handcrafted Swiss chocolate dub music“ präsentiert. Mit dieser Formulierung haben die beiden Berner Multiinstrumentalisten Voni Rollins (Sax, Keys, Dub FX, Mix & Editing) und David Boumi (Drums, Bass, Guitar, Keys, Compositions) die Messlatte schon ziemlich hoch gelegt. Bereits der Titel des Albums „Dub For Kailash“ (PhaPha Records) weckte mein Interesse und steigerte meine Erwartungen. Dieser Berg fasziniert mich schon mehr als die Hälfte meines Lebens. Der Kailash im Transhimalaya, zu Deutsch „kostbares Schneejuwel“, gilt als der heiligste Berg der Tibeter und Hindus. Auch Buddhisten und Bön verehren ihn gleichermaßen. Hier ist das Quellgebiet der vier größten Flüsse des indischen Subkontinents. Aus Respekt vor seiner religiösen Bedeutung ist der Berg bis heute nicht bestiegen worden. Obwohl Reinhold Messner 1985 die erste Besteigungsgenehmigung erteilt wurde, verzichtete er glücklicherweise aus Rücksicht auf die Durchführung.

Doch zurück zu diesem wunderbaren Album, das mit einer Gesamtspielzeit von 27 Minuten für meinen Geschmack leider etwas kurz ausgefallen ist. Ehrlich gesagt, hatte ich bis vor ein paar Tagen noch nie etwas von Dublerone gehört. Doch bereits der Titeltrack und Opener „Dub For Kailash“ bietet alles, was das Dub-Herz begehrt. Auf den Klang einer Gebetsglocke und Mönchsgesängen folgt ein fetter, rollender Bass, eine satte Bläsersektion, zarte Klänge einer sirrenden Tanpura, die dann in ein richtig fetziges Rockgitarrensolo münden. Überhaupt sind die Soundeffekte auf dem ganzen Album durchdacht und wirkungsvoll eingesetzt. Eine ganz andere Stimmung vermittelt der zweite Track des Albums, „Oblingada“. Hier klingt alles eher nach Bossa Nova und erinnert durch die mit Streichern unterlegte Bläsersektion an den soulig, funkigen Acid Jazz der späten 80er Jahre. Auch „Badman & Robadub“ besticht durch ein kräftiges Bass- und Schlagzeugfundament, auf dem sich die Gastmusiker Marco Wäspi an der Trompete und Maro Widmer an der Posaune so richtig austoben können, bevor sich ein paar jazzig angelegte Gitarrenläufe ihren Weg bahnen. „Just Bees and Dub and Flowers“ erinnert mit seinen sanften Gitarrenläufen an Wes Montgomery, bevor sich ein jazzig schräges Saxofon wellenförmig in den Vordergrund schiebt. Besonders positiv fällt mir bei „Dub For Kailash“ auf, dass sich die Tracks immer mehr in jazzige Gefilde begeben und die Blue Notes die Oberhand gewinnen. Wobei die üblichen Reggae- und Dub-Muster erhalten bleiben.

Alles in allem ein äußerst kurzweiliges Album, welches uns das Duo Dublerone mit seinen Mitstreitern hier präsentiert. Es würde mich nicht wundern, wenn David Boumi, Voni Rollins und die anderen beteiligten Musiker ebenfalls Absolventen der Musikhochschule Luzern wären. Egal, viel wichtiger ist doch, dass wir wie gewohnt ein sehr feines, hochwertiges Produkt aus der Schweiz geboten bekommen, das darüber hinaus als besonderes Schmankerl auch auf Vinyl erhältlich ist.

Bewertung: 4 von 5.
Kategorien
Review

Count Dubula: The Rise Of … Count Dubula

It’s a Family Affair, denn auch den Brüdern Adam und Jordan Chini liegt die Musik im Blut. Doch zunächst einmal zurück an den Anfang, wo alles begann. Familie Chini wanderte in den 1920er Jahren aus Italien in die USA ein. Ed Chini, der Großvater von Adam und Jordan, verdiente sich als kleiner Junge seinen Lebensunterhalt als Akkordeonspieler bei Radiosendern in Chicago. Nach dem Umzug der Familie nach Kalifornien wurde Ed, der sich zunehmend für Jazz begeisterte, Akkordeonist in der Band „The Four Sharps“. Eds Sohn Robert Chini trat in die Fußstapfen seines Vaters, lernte früh Schlagzeug und wurde später Songwriter für Motown. In den 1970er Jahren hatte Robert denselben Manager wie Muhammad Ali und hätte beinahe seinen großen Durchbruch gehabt, als er einen seiner Songs an Quincy Jones schickte, der für Michael Jacksons „Off The Wall“-Sessions infrage kam. Leider schaffte es der Song nur knapp nicht in die Auswahl. Von mehreren hundert eingereichten Songs landete er zwischen Platz 10 und 15. Schade, aber knapp vorbei ist eben auch vorbei.

Adam wurde 1985 geboren und bekam mit fünf Jahren sein erstes Schlagzeug. Sein jüngerer Bruder Jordan kam sechs Jahre später, 1991, zur Welt. Auch Jordan bekam mit sechs Jahren sein erstes Instrument, eine Gitarre. Da Robert Chini, der Vater der beiden Jungs, einen Job als Künstlerbetreuer bei Carvin Audio angenommen hatte, standen zu Hause regelmäßig neue Homerecording-Geräte zum Ausprobieren herum. Jordan Chini bastelte schon früh in seinem Zimmer an verrückter elektronischer Musik, wie sie Aphex Twin oder Autechre machten.

Trotz des Altersunterschieds von sechs Jahren waren Adam und Jordan immer eng miteinander verbunden und spielten auch zusammen in denselben Bands. Zwischenzeitlich gingen sie musikalisch getrennte Wege. Jordan Chini hat sich zum Multiinstrumentalisten und Musikproduzenten gemausert und unter dem Namen „Boy Dude: Cassette For You“ ein Album veröffentlicht, auf dem er Lo-Fi-Songwriting und Psychedelia mit der Ästhetik von experimentellem Funk und Soul verschmilzt.

Unter seinem neuen Alter Ego „Count Dubula“ (dubula = Zulu-Ausdruck für schießen, feuern) veröffentlichte er vor zwei Monaten „The Rise of Count Dubula“ (CQQL Records). Es ist nicht auszuschließen, dass Jordan das Album im Alleingang aufgenommen hat. Da er schon immer viel mit Soundtechniken gearbeitet hat, kann man auch hier davon ausgehen, dass Jordan mit einer Reihe von Gitarren, Bässen, Drumcomputern und Vintage-Synthesizern bewaffnet ins Studio verschwunden ist und sich ans Werk gemacht hat. Für mich ist „The Rise of Count Dubula“ pures Hörvergnügen. Jeder Song hat seine eigene Melodie, die Keyboards wabern lang und breit durch den Äther, die Dub-Effekte sind nicht übertrieben, der Bass rollt langsam und träge, aber immer mit Druck. Der Keyboardsound ist oft etwas pompös, fast theatralisch. Herrlich, wie das Theremin im Track „Born Again“ jault. Das ganze Album erinnert mich auch musikalisch an Jack Arnold B-Movies aus den 50er Jahren (Die unglaubliche Geschichte des Mister C.; Der Schrecken schleicht durch die Nacht; Tarantula etc.). Auch hier teilweise billigste Effekte, wie z. B. in „Black Lung“ ein ordentliches morgendliches Abhusten eines Kettenrauchers Marke „Letzte Grüße aus Davos“ oder ein fettes Aushusten nach einem Zug aus der Hookah. Aber ich mag das ganze Konzept so wie es ist: kurzweilig, dubbig, unscharf, emotional, trippig, verträumt, oder … denkt euch was aus.

Zusammengefasst: „The Rise of Count Dubula“ von Count Dubula ist ein amerikanisches Dub-Reggae-Projekt aus Los Angeles, Kalifornien, das vom Musikproduzenten und Komponisten Jordan Chini im traditionellen Dub-Stil eingespielt, aufgenommen und abgemischt wurde. Mit analogem Delay, Federhall und einem Big Knob Filter wurden die Aufnahmen durch einen Achtkanal-Mixer/Tape-Maschine Tascam 388 geschickt und dann mit einem improvisierten Ansatz abgemischt. Die Idee mit dem Kassettencover gefällt mir sehr gut. Das Album und das Layout wurden dadurch beeinflusst, dass Jordan Chini einige Aufnahmen seines Vaters (Robert Chini – ehemaliger Songwriter für Motown Records), also eine Kassette, aus den späten 70er Jahren ausgrub, was wiederum Jordan dazu inspirierte, in ähnlicher Weise zu experimentieren. Das Ergebnis kann sich hören lassen.

Bewertung: 4 von 5.
Kategorien
Review

Tropical Dub Connection: Outtanational Steppas Mixtape Vol. 2

Endlich angekommen: Die zweite Etappe der musikalischen Weltreise der Tropical DUB Connection, „Outtanational Steppas Mixtape Vol. 2“ ist absolviert. Wieder ein faszinierendes Dub-Album, das nahtlos an seinen Vorgänger anknüpft. Wie Vol. 1 verwebt es musikalische Einflüsse vieler Stile des Global Pop und traditioneller „Worldmusic“ mit dem mächtigen Sound von Dub. Ein kaleidoskopisches Erlebnis, das uns auf eine Klangreise um die Welt mitnimmt. Die Sammlung verschiedenster Stile und musikalischer Kulturen reicht von Argentinien über Kuba, Portorico, Jamaika, Großbritannien, USA, Kenia, Nigeria, Mali, Indien, Türkei bis zur Republik Tuwa. Jedes dieser Länder trägt seine Harmonien, Instrumente, Rhythmen und Melodien bei, die hier mit Dub verschmolzen werden. Das Album ist eine wahrhaft globale Reise und ein einzigartiges auditives Erlebnis. Von den meditativen Klängen und Gesängen des indischen Subkontinents mit Instrumenten wie Santoor, Sarangi, Bansuri-Flöte, Shenai, Sitar und Tanpura, über die pulsierenden afrikanischen Balafon-, Kora-, Ngoni- und Tribal-Stimmen bis hin zu modernem Afrobeats. Die musikalische Vielfalt ist umfassend. Und es gibt noch mehr davon: Southern Country Blues, argentinischen Tango und die orientalischen Vibes der türkischen Baglama, der Alaturka-Geige und der Mey-Flöte. All diese Elemente erzeugen ein beeindruckendes Mosaik von Klängen und Rhythmen, das uns Lauschende tief in die kulturelle Essenz jeder Kultur eintauchen lässt. Kling zu eklektizistisch? Kann sein, dass ein paar Instrumente, Rhythmen und Harmonien einer komplexen musikalischen Kultur nicht gerecht werden. Aber hier geht es ja nicht um das Porträt spezieller musikalischer Traditionen, als vielmehr um die Erschaffung eines globalen Sounds im Zeichen des Dub. Akustisch überfliegen wir Regionen, Länder, ja ganze Kontinente innerhalb weniger Minuten. Was uns dabei bewusst wird: Die ganze Welt steckt voller faszinierender Musik jenseits unseres beschränkten Horizontes. Was es da alles zu entdecken gibt! Das Album ist also nicht nur eine eindrucksvolle musikalische Leistung, sondern auch ein Zeugnis für die Macht der Musik, Barrieren zu überwinden und Kulturen zusammenzubringen. Die Mischung aus traditionellen und modernen Klängen schafft eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Osten und Westen, und bietet ein faszinierendes Hörerlebnis, das den kulturellen Reichtum der Erde feiert. Trotz seiner Vielfalt bleibt „Outtanational Steppas Mixtape Vol. 2“ in seiner Essenz ein Dub-Album. Die Produktion ist superb, und der Mix schafft es, die vielfältigen Klänge zu einem harmonischen Ganzen zu verweben. Die Reise, die das Album anbietet, ist nicht nur unterhaltsam, sondern auch aufschlussreich und inspirierend. Sie lädt dazu ein, die Welt durch die Ohren zu erleben und die universelle Sprache der Musik zu genießen.

Bewertung: 4.5 von 5.
Kategorien
Review

Channel One Sound System: Down In The Dub Vaults

Jah Shaka war bis zu seinem plötzlichen Tod höchstwahrscheinlich das bekannteste Reggae-Soundsystem Großbritanniens und darüber hinaus. Das Channel One Sound System der Brüder Mikey Dread und Jah T ist in Sachen Popularität und Bekanntheit fast ebenbürtig. Die beiden übernahmen 1979 das Geschäft ihres Vaters und brachten ihren Sound zu den lokalen Blues-Dances. Den Namen Channel One wählte Mikey als Hommage an das legendäre Channel One Studio auf Jamaika. Seit 1983 tritt Channel One jedes Jahr beim Notting Hill Carnival auf, der heute auf den Tag genau beginnt und am Montag, dem 28. August endet. Nachdem Mikey eine Auswahl von Greensleeves beim Notting Hill Carnival 2022 gespielt hatte, wurde er gebeten, in den Tresoren von Greensleeves zu stöbern und Tracks vorzuschlagen, die sich für ein Doppelalbum eignen würden. Nun ist es so weit: Pünktlich zu diesem weltweit einmaligen Ereignis präsentieren die „Roots Defenders of Notting Hill Carnival“ eine Sammlung von 20 Tracks als Doppel-Gatefold-Vinyl – „Channel One Sound System: Down In The Dub Vaults“ (Greensleeves). Eine LP mit Gesang und eine LP mit den dazugehörigen Dubs. Dazu ist Mikey Dread tief in die Schatzkammer des Greensleeves Labels gestiegen und hat einige längst vergessene Perlen ans Tageslicht befördert, die vor vielen Jahren als Maxi-Singles veröffentlicht wurden. Mit Künstlern wie Reggae Regular, Keith Hudson, Michael Prophet und Linval Thompson sowie Dubs von Sly & Robbie, Roots Radics und Rockers All-Stars bietet „Down In The Dub Vaults“ einen Überblick über die Tracks und Dubs, die über die Jahre eine wichtige Rolle in der Channel One-Rotation gespielt haben:
Michael Prophet mit „Just Talking“ ist so ein Klassiker, den Mikey Dread zum ersten Mal auf Jamaika gehört hat. Dieser Heavyweight-Dub aus dem Schneideraum des Channel One Studios in der Maxfield Ave, Jamaika, wird seit vielen Jahren vom Channel One Sound System auf ihren Dances gespielt. Auch Tetracks „Trappers“ von Gussie Clarke und Sly & Robbie durfte bei keiner Session fehlen. Mikey Dread sagt: „Einer der Tracks, bei denen man weiß, wann die KT88-Röhren aufgewärmt sind, ist „Let Go This One“ von Anthony Johnson.“ Fast schon eine Hymne für das Channel One Soundsystem ist „Can’t Pop No Style“ geworden. Der Song des jungen Hugh Mundell, entstanden unter der Regie von Augustus Pablo, ist auch heute noch fester Bestandteil ihres aktuellen Repertoires. Abschließend möchte ich noch zwei meiner persönlichen Highlights aus dieser wunderbaren Sammlung alter, ehrwürdiger Riddims hervorheben: Zum einen den von mir sehr geschätzten Keith Hudson mit „Bloody Eyes“ und dem dazugehörigen Dub „My Eyes Are Red“, zum anderen die Reggae Regulars mit „Black Star Liner“ und dem Dub-Pendant „The Dub (It’s Coming)“. Trotz unzähliger Durchläufe höre ich diese Maxi-Single aus meiner Sammlung immer noch mit wachsender Begeisterung.
Fazit: Diese Veröffentlichung enthält Tracks, die das Channel One Soundsystem seit über 40 Jahren spielt. „Das Projekt beleuchtet die Geschichte echter Roots & Culture Music mit Vocals & Dubs auf zwei Vinylplatten, die von einigen legendären Reggae-Künstlern stammen. Viele junge Leute kennen diese Hymnen nicht und haben sie vielleicht noch nie gehört, also ist diese Veröffentlichung wirklich für die nächste Generation von Soundsystems gedacht, die gerade erst anfangen“, sagt Mikey Dread.

Bewertung: 4.5 von 5.
Kategorien
Review

Hollie Cook: Happy Hour in Dub

„Warum wir ein Dub Album von „Happy Hour“ machen? Weil wir die viele musikalische Details zur Geltung bringen wollten, die es in den Songs noch zu entdecken und freizulegen gab“, erklärt Produzent Ben Mckone. Logisch, denn die helle Stimme von Hollie Cook ist in ihrer Musik so präsent, dass sie eine Menge von dem Verdeckt, was musikalisch im Hintergrund geschieht. Deshalb gibt es jetzt „Happy Hour in Dub“ (Merge), die Dub-Version ihres 2022 veröffentlichtem Lovers Rock-Albums „Happy Hour“. Schön, denn ich liebe Dub-Versionen und ich hatte noch die Instrumental- und Dub-Versionen ihrer Prince Fatty-Produktionen im Ohr. Doch welch Enttäuschung! Leider fehlt „Happy Hour In Dub“ die musikalische Kraft und der Ideenreichtum, die Cooks frühere Arbeiten, insbesondere jene von Prince Fatty produzierten, auszeichneten. Die Produktion und Instrumentalisierung sind technisch zwar tadellos, aber formale Exzellenz macht noch lange keine gute Musik. Es gibt in der Happy Hour in Dub durchaus Momente der Brillanz, die teils schönen Arrangements und das geschickte Mixing beeindrucken – ja, die von Mckone erwähnten Details existieren tatsächlich – , aber trotzdem bleibt das Album als Ganzes ziemlich blutleer. Abgesehen davon sind die Streicher- und Synthie-Flächen sowie schmalzige Background-Harmonien, die immer wieder die typische Lovers-Rock-Atmosphäre herauf beschwören, einfach nervtötend. Aber das mag eine ganz und gar subjektive Einschätzung sein. Ich mag Schlager nicht, egal in welches Genre und musikalische Kultur sie sich kleiden. Umso erstaunlicher jedoch, wie inspirierend und vielfältig Prince Fatty einst Lovers Rock interpretierte. Doch genau vor diesem Hintergrund kann „Happy Hour in Dub“ leider nur verlieren. Und da frage ich mich wirklich, warum Cook und Fatty nicht mal wieder ein gemeinsames Album aufnehmen.

Bewertung: 3 von 5.
Kategorien
Review

Various: Dub Masters

Das „Various“ aka „Various Artists“ im Titel der Rezension ist ein ziemliches Overstatement, zumal am zu rezensierenden Album lediglich die Riddims/Dub Versions der Herrschaften Sly & Robbie, der Roots Radics und Peter Chemist beteiligt sind. Wobei Letzterer in seiner Produzenten-Rolle wiederum u.a. die beiden ersten als Instrumentalisten nutzt. Ein Kreis schliesst sich sozusagen, noch bevor man den ersten Ton gehört hat.

Das vor kurzem erschienene Album „Dub Masters“ (Reggae Library Records), geriert sich vom Cover-Artwork her als Billigprodukt, und in einem gewissen Sinn ist es das auch: Hier werden einige wenige Dubs unterschiedlichster akustischer Qualität ohne erkennbaren Grund zusammengewürfelt; Mastering hat offensichtlich (offenhörlich wenn’s denn das Wort gäbe) nicht stattgefunden. Quasi ein Produkt für die Letztverwertung am digitalen Wühltisch, Marke K-Tel. Macht alles in allem einen Gnaden-Stern, danke für’s Gespräch.

Ein anderer Ansatz für die Rezension ergibt sich, wenn man den Blick auf die Tracklist richtet: Da findet sich eine kleine, aber eindrucksvolle Ansammlung exzellenter Dubs bzw. Tracks von Black Uhuru, Earl Cunningham, Barrington Levy, Jimmy Riley und Sly Dunbar himself; dazu noch ein paar klassische Dub-Outings von nicht minder klassischen Riddims: Cuss Cuss, Level Vibes oder Breaking Up (hier irrtümlich als Real Rock Dub angeführt). Das Album ist also ein kleines „Powerhouse“ und der Makel des fehlenden Masterings trägt plötzlich zur Authentizität der Tracks bei – wenn auch das herumfiedeln am Lautstärkeknopf ziemlich nervt.

Und so liefert „Dub Masters“ einen Blick zurück in die ‚good old days‘ – so plus/minus das Jahr 1980 würde ich sagen – und erinnert daran, was Dub jamaikanischer Prägung damals ausmachte: Die absolute Vormachtstellung von Drum & Bass und das gewiefte Aus- und Einblenden der (ohnehin schon kargen) anderen Tonspuren. Diese Konzentration auf’s Wesentliche klappt akustisch hervorragend und zeigt, dass man durchaus auf die heute mitunter grenzenlosen Echo & Hall-Orgien verzichten kann: Ein paar Akzente hie und da tun’s auch. Wenn der Rohling – sprich: der Riddim – Qualität hat, braucht’s nicht viel um Ohrengold zu produzieren. Well done, Dubmasters – und damit meine ich die eigentlichen Stars des Albums: Die Toningenieure und Mix-Meister, die die Kunst des Weglassens zelebrieren. Hat wohl jemand bei Reggae Library Records vergessen, sie namentlich zu erwähnen.

Bewertung: 4 von 5.
Kategorien
Review

African Head Charge: A Trip to Bolgatanga

Es hat sich ja bereits herumgesprochen, dass das neue African Head Charge-Album „Trip to Bolgatanga“ (On-U Sound) im Vergleich zum übermächtigen Frühwerk nicht ganz aus einem Guss ist. Das war vorauszusehen. Die fünf bis sechs Referenz-Alben, die zuletzt auch als Box-Set wieder veröffentlicht wurden, sind nun mal der Goldstandard, den dieses Langzeitprojekt selbst gesetzt hat. Alle bis hin zu zuletzt „Voodoo of the Godsent“ (2011) sind erklärtermaßen Studio-Projekte, bipolare Klangexperimente mit dem Drumming von Bonjo I als Wurzelwerk und Erdung, und als zweitem Kraftzentrum: Sherwoods Reservoir an Sounds, Riddims, Geräten und Mixmanövern sowie sein erweiterter Freundeskreis. Daneben hat es aber immer wieder Projekte und Phasen gegeben, in denen der Soundpegel eher in Richtung Bonjo neigte: AHC live zum Beispiel, wenn Sherwood nicht am Mischer stand, oder der Ausflug zum Acid Jazz Label, der Bonjo Gelegenheit gab, sich als Bandleader auszuprobieren. Die Alben haben eher apokryphen Status, denn die damals gern so genannten „Sci-Fi-“ und „Industrial“-Elemente blieben dabei draußen. Nämliches gilt für das eigens für Bonjos Roots-Forschung eingerichtete Projekt Noah House of Dread, das ich damals als Ethno-Kitsch empfand. Heute urteile ich milder und erkenne es als frühen und völlig verständlichen Versuch Bonjos, sich künstlerisch freizuschwimmen. In allen seinen Arbeiten aber, und das gilt auch für „A Trip to Bolgatanga“, spiegelt sich sein jeweiliges Verhältnis zu Afrika. Geboren auf Jamaika, wuchs Bonjo Iyabinghi Noah zunächst im Rasta-Camp seiner Großmutter in Clarendon auf. Seinen Eltern folgte er nur widerwillig nach England, wo er sich in den Sechzigern als Trommler etablierte, bis sich sein Weg schließlich mit dem Adrian Sherwoods kreuzte.

Zum Zeitpunkt des ersten AHC-Albums war das „Africa“ für ihn wie für Sherwood noch eher eine abstrakte Idee, ein Traumland wie in Brian Enos und David Byrnes Album „My Life in a Bush of Ghosts“, auf das AHC eine britische Antwort sein wollten. Als Inspiration dienten ihnen eher die Einwandererkultur und die Diaspora-Perspektive von UK als eigene Erfahrungen am realen Ort. „Visions of a Psychedelic Africa“ hieß es noch 2005, dabei war inzwischen allerhand passiert. Mehrere Reisen nach Ghana Bonjo dazu gebracht, sich für immer längere Perioden dort aufzuhalten, und mittlerweile hat sich sein Lebensmittelpunkt komplett dorthin verlagert. Afrika wurde für ihn mehr und mehr vom Sehnsuchtsort zu Realität. Nach einer Zeit an der Küste ist er mittlerweile ins Landesinnere gezogen, in die Upper Region nahe der Grenze zu Burkina Faso. Das Klima ist hier trockener, Muslime sind im Vergleich zum christlichen Süden in der Mehrheit, und musikalisch dominiert die Kultur der ethnischen Gruppe der Frafra: zum Einen eine sehr eigene Form von, zumeist von Frauen gesungenen, Gospel, sowie zum Anderen die Jungskultur der Kologo-Barden. Das sind die Griots der Gegend, sie begleiten ihren Gesang mit zweisaitigen Lauten und dürfen auf keiner Hochzeit, keiner Beerdigung fehlen.
King Ayisoba ist der erste, der aus dieser Graswurzelkultur heraus eine internationale Karriere aufbaute, und er eröffnet das Album auf seine bewährte Weise. Das hat soundtechnisch keinen Präzedensfall auf irgendeinem AHC-Album, abgesehen von Mutabarukas Gastauftritt auf „Vision of a Psychedelic Africa“ (2005), ein Album, auf dem sich das Schisma, mit dem wie es hier zu tun haben, bereits abzuzeichnen begann. Bass und Percussions sind hier noch aufs Allerzurückhaltendste reduziert, und auch der Mix belässt es bei zwei, drei Hallfahnen. Das folgende Instrumental „Accra“ will offenbar ein Tribut and die Hauptstadt sein und imitiert gewissermaßen deren von Afrobeats dominierten, urbaneren Sound. Zum normalerweise elektronisch glatt frisierten Original verhält es sich freilich wie seinerzeit Sherwood-Tunes wie „Zero Zero One“ zum damaligen Dancehall-Reggae. Einen Kreis zum Frühwerk schließt dabei unaufdringlich Klarinettist Steve Beresford, der sonst eher in Free-Jazz-Zirkeln tätig ist, damals aber auch seinen (atonalen) Teil zum AHC-Debüt beigetragen hat. Seine (tonale) Klarinette ist auch dabei, als das Album im dritten Song endlich vertrautes Terrain erreicht: „Push Me Pull You“ wiegt sich majestätisch in abgebremstem Tempo und hätte auf jedes der klassischen Alben gepasst. „I Chant Too“ behält den schleppenden Groove und natürlich das Chanting bei, beschwört dabei aber via Keyboard eine seltsame New Age Stimmung herauf, die den Track zum schlappsten der ersten Seite macht. Denn mit „Asalatua“ schließt die A-Seite mit einem Uptempo-Chaser, der wohlige Erinnerungen an „In Pursuit of Shashamane Land“ weckt.

Zwischen diesen vier (!) Polen – Lokale Dialekte, klassischer AHC-Sound, Pop-Experiment und misslungene Ballade – wiederholt sich das Spiel mit Variationen auf der zweiten Seite. Damit hat das Album ein stilistisches Spektrum, das eher an einen „Pay It All Back“ Sampler erinnert. Das macht die Songauswahl für DJs allerdings auch anschlussfähig für andere Genres von Afrobeat über House bis Reggae und Dubstep… und in Einzelfällen auch für die deepe Listening Session. Viel ärgerlicher finde ich im Vergleich zu zwei Ausfällen dass auch die guten Nummern unter vier Minuten bleiben und damit kaum Gelegenheit bekommen, sich zu entfalten. Hier müssen wir auf folgende Remixes und B-Seiten warten. Von der Produktion ist das Album zwar ein bisschen vielseitiger als ihm gut tut, dabei aber auch sehr subtil und durchlässig. Dass die vertrauten Hausmusiker Doug Wimbish, Skip McDonald und Crocodile dabei sind, ist der Musik kaum anzumerken, so minimalistisch und pointiert und manchmal schlicht technisch sind ihre Beiträge – möglicherweise Anzeichen von Altersmilde. Vor allem schreibt sich in dem Album die produktive Spannung zwischen Bonjo und Sherwood als Songwriter und Songgestalter fort, die nach einer Weile auf Augenhöhe nun zugunsten Bonjos Seite ausgeschlagen ist. Für den ist Afrika mittlerweile eine sehr reale Angelegenheit, und alle Songs reflektieren dies auf musikalische, philosophische oder soziale Weise. Das betrifft auch sein eigenes Drumming, dass einst auf Nyabinghi-Patterns basierte, während er sich nun mittlerweile auch die vielfältigen westafrikanischen Dialekte angeeignet hat. Auch insofern ist „Afrika“ für ihn weit konkreter als zur Zeit von „Off the Beaten Track“. Natürlich war in Bolgatanga außer King Aysoba noch die halbe Nachbarschaft in das Projekt involviert. African Head Charge ist in 2023 Bonjos Projekt, wir hören seine neue Heimat durch seine Ohren und Drums. Und wie bei jedem guten Storyteller lohnt es sich immer, einfach mal zuzuhören.

Bewertung: 4 von 5.
Kategorien
Review Zweite Meinung

Jah Myhrakle: Who Keeps The Seals Dub

Es braucht nicht viel, um den Rezensenten glücklich zu machen; es reicht ein basslastiger, aber trotzdem dynamischer Mix mit Drums der Marke Sledgehammer – sprich solche, die man nicht nur hören, sondern vor allem fühlen kann… Drums der druckvollen Art, liebevoll „Schädelspalter“ genannt. Dann noch ein paar Dub-Effekte dazu – mehr braucht’s tatsächlich nicht für das kleine Glück, den Ohr-Orgasmus.

Ein solches Erlebnis bietet – entsprechende Lautstärke vorausgesetzt – Jah Myhrakle’s „Who Keeps The Seals Dub“ (Gold Den Arkc Recordz). Also schnell fünf Sterne für das Album vergeben und fertig. Danke für’s Gespräch!

Von wegen – ich kram‘ gerne die akustische Lupe aus und werf‘ einen Blick hinter die Kulissen; so ein klassischer Dub erscheint ja nicht plötzlich aus dem Nichts. Das gilt auch für Jah Myhrakle, auf dessen Vokal-Album „He Who keeps The Seals“ der zu besprechende Dub-Release basiert.

Herr Myhrakle selbst bedient sich gerne lustiger Schreibweisen und haut ein Album nach dem anderen raus – alle mit mehr oder weniger schöner Cover-Artwork. Seiner mitunter schwer verständlichen, vermutlich tiefgründigen Texte betet er gnaden- und emotionslos runter, komme was da wolle. Wer sich jetzt an Vaughn Benjamin aka Akae Beka erinnert fühlt, hat recht: Wir haben es hier mit einem Klon zu tun. Oder mit einer Kreuzung von Akae Beka und Jah Rubal – das trifft’s wohl am Besten. Und da wie dort gilt: Weniger wäre mehr gewesen, denn maximaler Output ist nun mal nicht mit maximaler Qualität gleichzusetzen.

Zurück zum Dub, zurück zu „Who Keeps The Seals Dub“. Wie oben festgestellt, ist die dynamische Akustik beglückend; die Dub Effekte sind gut gemacht, wenn auch zumeist sinnfrei platziert. Geht man etwas tiefer und zerpflückt die Strukturen der Tracks, kommt man leider an den belanglosen, uninspirierten Basslines nicht vorbei – ein großes Manko im Dub-Universum, wo die wahren Hooks zumeist in den Basslines zu finden sind. Unter Berücksichtigung aller Pros und Cons bleibt also unter’m Strich – trotz des mediokren Ausgangsmaterials – ein Album mit Hammer-Dynamik: Keineswegs schlecht, aber 5-Sterne-Material muss mehr bieten können.

Bewertung: 3.5 von 5.
Kategorien
Five Star Review

Jah Myhrakle: Who Keeps The Seals Dub

Beginnen wir doch mit einem Kommentar und der darin enthaltenen Feststellung von lemmi: „… da es wohl sehr schwer zu sein scheint, da überhaupt etwas drüber zu erfahren!“

Ja, das kann ich ohne weiteres unterschreiben, und weil ich bis heute keinen Fratzebook-Account habe und auch keinen brauche, weiß ich auch nicht, was dort auf dem Account von Jah Myhrakle zu lesen ist. Gutes Marketing sieht anders aus. Was ich von Jah Myhrakle über andere Kanäle herausfinden konnte, ist, dass er mit bürgerlichem Namen Eric Garbutt heißt und aus Belize kommt. Bereits 2020 veröffentlichte er sein drittes Album „All 4 U“. In der Zwischenzeit sind noch etliche dazugekommen. Es ist der helle Wahnsinn, wie viele Tracks von Jah Myhrakle alleine bei Amazon zu finden sind. Im Mai 2023 wurde „He Who Keeps The Seals“ veröffentlicht, dem dann im Juli „He Who Keeps The Seals Dub “ (Gold Den Arkc Recordsz) folgte. Wie schon auf den Vorgängeralben zeichnet sich auch Jah Myhrakles neues Album „He Who Keeps The Seals (Dub)“ durch einen originalen Roots-Reggae-Sound aus, der auch seine kraftvolle Stimme und die spirituelle Botschaft von Rastafari sehr überzeugend zum Ausdruck bringt. Die Vocals wurden in Brooklyn, New York, bei Gold Den Arkc Recordsz aufgenommen und abgemischt. Wo die fantastischen Dub-Mixe entstanden sind und wer dafür verantwortlich ist, kann ich leider nicht mit völliger Gewissheit sagen. Da Jah Myhrakle aber schon öfter mit dem einflussreichen Produzenten und Soundengineer Laurent „Tippy“ Alfred von I Grade Dub aus St. Croix zusammengearbeitet hat, könnte ich mir vorstellen, dass der auch dieses Album gemixt und gemastert hat. Die fetten Dub-Soundscapes und der gemächliche, ruhige Flow lassen mich darauf schließen. Die One-Drop-Riddims und sanften Basslines verschmelzen mit leicht Jazz-inspirierten Gitarren-Sounds, akustischen Texturen und eingewobenen Dub-Elementen zu einem prächtigen Gesamtwerk. Irgendwo kann ich in der vorliegenden Musik auch eine enge Verwandtschaft zu dem im November 2019 verstorbenen Vaughn Benjamin von Akae Beka heraushören, mit dem Jah Myhrakle ebenfalls zusammengearbeitet hat. Jah Myhrakle ist offensichtlich unerschütterlich auf seiner Mission, die kraftvolle Botschaft Rastafaris unter das Volk zu bringen. Für mich ist der vielschichtige Sound von „He Who Keeps The Seals Dub“ Meditation, Inspiration und Intensität in einem.


Kurzum: Jah Myhrakle ist ein elektrisierender Reggae-Künstler, der dich – im positiven Sinne – mental und spirituell beeinflussen wird.

Bewertung: 5 von 5.
Kategorien
Review

Aquarius Rock: The Hip Reggae World of Herman Chin-Loy

Herman Chin-Loy war von Kindheit an musikbegeistert. Zu Unrecht wird Herman Chin-Loy viel zu oft einfach vergessen, wenn die ganz Großen der Dub-Geschichte aufgezählt werden. Dabei gehört er mit seinem „Aquarius Dub“ aus 1973 im Grunde zu den Speerspitzen dieses Genres. Bevor er 1969 im zarten Alter von 21 Jahren seinen eigenen Plattenladen Aquarius und sein eigenes Label eröffnete, verkaufte er Schallplatten, arbeitete in Plattenläden und legte als DJ in einigen der angesagtesten Clubs Kingstons auf.

Obwohl er für die Gesangsspuren verantwortlich war, waren es seine fabelhaften Instrumentalstücke, die seine frühe Karriere am besten definieren und auf die sich diese Zusammenstellung konzentriert. Herman Chin Loy hat einen Sound, der so unverwechselbar ist wie kaum ein anderer im Reggae. Wie Lee Scratch Perry, war auch er stets auf das Schräge und Ungewöhnliche spezialisiert. Seine Labels Scorpio und Aquarius sind für einige der innovativsten Instrumentalstücke des Reggae verantwortlich. Von seinem Plattenladen in Kingston aus konnte er Anfang der 70er Jahre die „Street“-Vibes vieler seiner jungen, hippen Kunden perfekt einfangen. Anfangs entstanden seine ersten Instrumentalplatten unter dem Namen Augustus Pablo. Bis ein dünner junger Mann namens Horace Swaby mit einer Melodica in seinem Laden auftauchte. Herman gab dem jungen Swaby den Namen Augustus Pablo und nahm ihn mit ins Studio. Der Rest ist Geschichte.

Hier auf „Aquarius Rock“ (Pressure Sounds) haben wir einige der lebendigsten funky Reggae-Tracks, die je auf Jamaika gemacht wurden. Es gibt auch eine Handvoll Vokal-Tracks, aber auch die sind Killas. Die auf dem Album versammelten Instrumentalstücke zeigen eindrucksvoll Hermans frühe Studiokarriere. Chin-Loy machte sich im Studio die Talente der Hippy Boys (auch als The Upsetters II bekannt) und der Now Generation zunutze und begann, eine Flut von Instrumentals zu veröffentlichen, auf die sich diese Zusammenstellung verstärkt konzentriert. Die von Keyboards dominierten Stücke wurden Augustus Pablo zugeschrieben, unabhängig davon, wer tatsächlich an den Tasten saß. Von dem jungen Melodica-Spieler, der bei Chin-Loy aufgetaucht war, veröffentlichte der Produzent dessen erste Single „Iggy Iggy“ ebenfalls unter dem Pseudonym Augustus Pablo. Horace Swaby behielt seinen neuen Künstlernamen bei und landete immer wieder Hits, allen voran „East of the River Nile“, mit dem er seinen unverwechselbaren Far-East-Sound etablierte.

Auf „Aquarius Rock“ findet sich ein halbes Dutzend klassischer Pablo/Swaby-Solosingles, bei denen der Produzent zum Teil auch als DJ fungiert. Einige Aufnahmen sind mit Instrumentalstücken kombiniert, was die außergewöhnliche Arbeit der Band und die erstaunliche Kreativität von A. Pablo selbst noch mehr unterstreicht. Das musikalische Können ist durchweg phänomenal, sei es bei den Instrumentalstücken der Band, den Soloausflügen der Bläser, den mitreißenden Melodica-Stücken und natürlich den von Keyboards dominierten Stücken. Diese Instrumentalstücke sowie die Solostücke von A. Pablo machen den Großteil des vorliegenden Sets aus. Zwei Vokalstücke stammen von Alton Ellis, der sein „Alton’s Official Daughter“ sauber, jedoch etwas ungeschliffen vorträgt, während Dennis Brown das „Song My Mother Used to Sing“ gefühlvoller beisteuert. Eine unbekannter Archie McKay singt „Pick Up the Pieces“, das nichts mit dem Klassiker der Royals zu tun hat. Beres Hammond präsentiert hier eine seiner frühesten Aufnahmen, ein unglaublich warmes „No More War“, gefolgt von Hermans „No More Version“. Weniger bekannt als sein Cousin Leslie Kong, verdient Herman Chin-Loy dennoch die vollste Aufmerksamkeit, und diese Compilation ist eine längst überfällige Hommage an eines der einflussreichsten Talente des Reggae. Die feinen Scat-Intros stammen alle von Herman Chin-Loy höchstpersönlich.

Bewertung: 4.5 von 5.