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Slimmah Sound: Dub Foundation

Mit „Dub Foundation“ (Slimmah Sounds) präsentiert Tim „Slimmah Sound“ Baumgarten ein neues, äußerst schönes Dub-Album. Der niederländische Drummer und Produzent, dessen Wurzeln im Roots- und Dub-Reggae verankert sind, beweist mit diesem Werk erneut seine handwerkliche Präzision und kreative Vision. Sein Stil, der live eingespielte Instrumente mit digitaler Produktion verbindet, klingt reifer denn je und trägt eine spürbare Tiefe in sich, die sich durch alle Tracks zieht. „Dub Foundation“ ist (einmal mehr) eine Hommage an die goldene Ära des Roots Reggae. Die schweren Basslines und die klar strukturierten Riddims erinnern an die Großmeister der 70er und 80er Jahre – Sly & Robbie, Yabby You oder Linval Thompson –, doch gleichzeitig bringt Slimmah Sound moderne Produktionsweisen ein, die seine Musik im aktuellen Sound System-Vibe verorten. Einflüsse von Zion Train, Vibronics und Alpha & Omega sind klar erkennbar. Jetzt wird es kompliziert: „Dub Foundation“ ist die Dub-Version von „INI Foundation“ – was allerdings ein Showcase-Album mit 12 Tracks ist. Fünf der sechs Dubs auf diesem Album, finden sich nun auf „Dub Foundation“ wieder. Klingt nach keinem gute Deal, allerdings erscheint mir der Sound auf dem „kleinen“ Album viel besser. Die Tracks auf „Dub Foundation“ entfalten sich langsam, lassen Raum für Echo, Hall und fein abgestimmte Dub-Arrangements. Besonders beeindruckend ist die rhythmische Struktur der Dubs, die immer spannend bleibt. Zudem ist der klassische Dub-Mix hervorragend gelungen – er erzeugt eine fast magische Wirkung. Besonders beeindruckend ist die Detailverliebtheit, mit der Tim Baumgarten klassische Dub-Techniken einsetzt, ohne in einen Retro-Habitus zu verfallen. Der Sound ist warm, tief und organisch, jedes Element hat seinen Platz und trägt zur Gesamtwirkung bei. Die Verschmelzung von Analog-Feeling mit digitaler Präzision ist zweifellos besonders gelungen. Allerdings ist das Album mit nur fünf Tracks recht kurz geraten. Wer mehr möchte, sollte zu „INI Foundation“ greifen, das neben den Dub-Versionen auch die Vocal-Interpretationen von Idren Natural enthält.

Bewertung: 4.5 von 5.
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The Wavestate Project: Dubocracy

Regelmäßig tauchen Dub-Alben scheinbar aus dem Nichts auf. „Dubocracy“ (Dave Meeker) von The Wavestate Project ist genau so ein Fall. Plötzlich ist es da – mit einem ansprechenden Cover, einem Titel, der zur aktuellen Weltlage passt, und neun Tracks, die sich spontan in meine Wahrnehmungssphäre gedrängt haben. Die Recherche zur Urheberschaft des Werkes fördert spärliche offiziellen Informationen zutage, laut derer das Album die Fusion von Reggae, Dub und Acid-Synthesizern erforscht, um eine neue Klanglandschaft zu erschaffen. Klingt nach einem generischen ChatGPT-Textchen. Also bleibt nichts anderes, als genau hinzuhören. Ein erster Verdacht drängt sich auf: Hat hier jemand sein neues Spielzeug ausprobiert? Immerhin gibt es von Korg einen Synthesizer mit dem Namen „Wavestate“. Und tatsächlich, der zweite Track klingt direkt so, als hätte The Wavestate Project einfach mal drauflosgespielt – dominante Synthie-Sounds, etwas holpriger Rhythm. Doch dann ändert sich das Bild schlagartig: Plötzlich sind da wunderbar produzierte Dub-Tracks, die alle Register des Genres ziehen. Entweder hat der Produzent eine steile Lernkurve hingelegt, oder hier ist doch ein erfahrener Dub-Nerd am Werk. Aber lassen wir die Spekulationen. Entscheidend ist, was hinten rauskommt – und das überzeugt. Die Reggae-Rhythmen sind tight produziert, der Sound ist satt und sauber, die Dub-Mixes spannend. Die Musik strahlt eine helle, beschwingte Grundstimmung aus, die sofort gute Laune verbreitet. Das prägende Element des Albums ist jedoch in der Tat zweifellos der Synthesizer. Doch keine Sorge – hier gibt es keine nervigen Flächen oder ausufernde elektronische Spielereien. Der Korg-Synth übernimmt vielmehr die Rolle des Lead-Instruments und fügt sich ganz bescheiden und harmonisch in das Gesamtbild ein. Er bleibt zwar immer als Synthesizer erkennbar, aber er stellt sich ganz in den Dienst markanter, schöner Melodien, die weit über das generische Gedudel hinausgehen, das man von manchem „echten“ Live-Leadinstrument im Dub kennt. Das Resultat: Dub-Songs, die fast zum Mitsummen einladen. „Dubocracy“ ist kein Album für Dub-Puristen, die ausschließlich nach klassischen Klängen suchen. Aber für alle, die Dub mit offenen Ohren genießen bietet es eine spannende und erfrischende Hörerfahrung. Ein Album, das gute Laune macht – und das ist ja schon viel Wert.

Bewertung: 4 von 5.

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Mr. Woodwicker: Under My Voodo

Es ist fast ein Fluch, über aktuellen Dub zu schreiben. Wie beneide ich all jene Musikjournalisten, die sich mit bekannten Hip-Hop- oder Pop-Artists befassen dürfen! Artists also, die ein umfangreiches Oeuvre vorweisen, zu denen es zahllose Interviews, Feuilleton-Artikel oder sogar handfeste Skandale gibt – kurz: über die es eine Menge zu erzählen gibt. Ich hingegen durchforste spärliche Bandcamp-Biografien oder stolpere über lieblos gepflegte Instagram-Accounts. Das Konzept „Website“ mit umfassender Discographie und detaillierter Künstlerbiografie? Offenbar ein Relikt vergangener Zeiten. Bleibt also nur die Musik. Doch seien wir ehrlich: So groß die experimentellen Freiräume im Dub auch sind, neunzig Prozent der Produktionen unterscheiden sich nur in Nuancen voneinander. Ich sitze dann vor meinem Mac und frage mich: Was kann ich noch über diese Musik schreiben, das ich nicht schon tausendmal gesagt habe? Und während ich grüble, schweifen meine Gedanken ab – in (selbst-)kritische Reflexionen wie diese hier, die letztlich auch nirgendwohin führen. Tragisch. Warum dieser Exkurs? Weil „Under My Voodoo“ (Mr. Woodwicker Records) von Mr. Woodwicker wieder so ein Fall ist. Bei Bandcamp erfahre ich nur „Udine, Italy“ und eine nichts sagende Randnotiz, dass seine Musik vom Dub der 1970er inspiriert sei. Welch bahnbrechende Erkenntnis! Viel mehr kann ich euch also nicht über diesen Künstler berichten – außer, dass sein Album „Under My Voodoo“ wirklich schöner Dub ist. Ja, er atmet den Geist der 70er, ist aber soundtechnisch auf modernem Niveau produziert. Handgemixte Dubs, satte Bässe, Riddims, die vertraut klingen – aber keine Remakes sind. Aber hey – am Ende ist der dubblog doch nichts anderes als eine kompetent kuratierte Dub-Ausstellung. Ihr habt den Albumtitel, also ab zu Spotify, Bandcamp oder wo auch immer ihr eure Musik hört. Viel Spaß dabei!

Bewertung: 4 von 5.
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Gary Clunk: Archives of Dub, Vol. 4

In schöner Regelmäßigkeit veröffentlicht Gary Clunk – der trotz seines Namens Franzose ist und in der Nähe von Bordeaux lebt und arbeitet – solide Steppers-Alben, deren Sound perfekt in die französische Dub-Szene passt. Jetzt legt er „Archives of Dub, Vol. 4“ (Culture Dub) vor. Das Album enthält zwölf Tracks aus seinem Archiv der Jahre 2015 bis 2023, die er hier in Dub-Fassungen präsentiert. Alle Stücke stammen unzweifelhaft aus dem Computer, wurden aber laut Clunks Aussage analog produziert – was den Sound für mich allerdings kein bisschen organischer macht. Wir hören fetten Steppers-Dub in jeweils zwei Cuts. Im Sound System macht das sicher viel Spaß, aber beim bewussten Zuhören klingen mir Sound und Arrangements etwas zu konventionell. Da in den letzten Monaten aber recht wenige gute neue Dub-Alben veröffentlicht wurden, will ich nicht meckern und freue mich über diese Dosis Clunk’schen Dubs.

Bewertung: 3.5 von 5.
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Dub Syndicate: Obscured By Version

Vom anfänglichen Studioprojekt der ersten Dub Syndicate Jahre, hat sich die Band grundlegend gewandelt. Lincoln Valentine „Style“ Scott wurde Ende der 80er Jahre Bandleader und Co-Produzent, trat in den Vordergrund und etablierte Dub Syndicate als faszinierenden Live-Act auf zahlreichen Festivals. Dub Syndicate wurde Style Scotts wichtigstes musikalisches Projekt. Dies war auch die Blütezeit der Band. Mit einer Reihe von Alben, die das Beste der aktuellen jamaikanischen Musik mit den wilden Studioexperimenten des britischen Produzenten Adrian Sherwood verbanden, schufen die beiden eine bahnbrechende Musik, die Dreads, Potheads und Raver gleichermaßen begeisterte. Tragischerweise fand Dub Syndicate ein jähes Ende, als Style Scott, einer der bedeutendsten Drummer Jamaikas, am 9. Oktober 2014 in seinem Haus in Jamaika sinnlos ermordet wurde.

Nach der „Ambience In Dub„-Box, die die frühen Dub Syndicate Alben zusammenfasste, knüpft „Out Here On The Perimeter“ genau da an, und setzt die Geschichte Ende der 1980er bis 1996er Jahre fort. Die vier Alben aus der „Strike The Balance“, „Stoned Immaculate“, „Echomania“ und „Ital Breakfast“ Ära wurden gerade auch auf Vinyl neu aufgelegt. Außerdem hat Adrian Sherwood ein spezielles Bonusalbum „Obscured by Version“ (On .U Sound) mit brandneuen Versionen von Rhythmen aus dieser Zeit zusammengestellt.
„Obscured by Version“, das sowohl einzeln als auch als Teil der Dub Syndicate Box „Out Here on the Perimeter 1989 –1996“ veröffentlicht wurde, ist Adrian Sherwoods 2025er-Neuauflage und Neuinterpretation von Material aus dieser glorreichen Zeit. Die Veröffentlichung bleibt dem ursprünglichen Sound der Gruppe treu, der tief in der Reggae- und jamaikanischen Musiktradition verwurzelt ist, und erweitert gleichzeitig die Grenzen des Dub mit ungewöhnlichen Echos, Samples und Soundeffekten. Einige Vocals und Rhythmen werden den Fans der Originalalben bekannt vorkommen, dennoch klingt alles frisch und knackig wie ein brandneues Werk im Stil der früheren Arbeiten von Dub Syndicate. Die Qualität ist auf dem gleichen hohen Niveau. „Plains of Africa (Echo, Echo, Echo)“ stammt von „Echomania“, „Pleasurezone Transmitter“ basiert auf „Dubbing Psycho Thriller“, einer verrückten, wie immer etwas abgedrehten Performance von Lee „Scratch“ Perry. „Intercommunications“ stammt von der großartigen 1987er-Single „Night Train“ – einer meiner absoluten Lieblingstracks von Dub Syndicate. „Command Centre“ lässt sich relativ leicht von „Roots Commandment“ ableiten und „Alive And Burning Bright“ ist im Original „Glory To God“.
Adrian Sherwood gelingt mit seinen Neuinterpretationen eine angemessene Hommage an die langjährige Freundschaft und kreative Zusammenarbeit mit Style Scott. „Obscured by Version“ klingt so frisch und innovativ wie alle Dub Syndicate Klassiker zuvor.

Bewertung: 4.5 von 5.
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Good Over Evil: 12 Tribes

Oft höre ich neue Dub-Alben zum ersten mal während ich arbeite. Ich sitze dann vorzugsweise abends vor dem Computer, befinde mich in einem angenehmen Flow – weil ich endlich ungestört bin – schreibe, lese, konzipiere, bin konzentriert bei der Sache. Und ich gebe zu, dass so manches Dub-Album nahezu unbeachtet durchläuft. Ja ja, ich genieße dann die warme Atmosphäre der Musik, lasse mich tragen von den langsamen Beats, aber ich höre nicht wirklich hin. Bei „12 Tribes“ (Good Over Evil) von Good Over Evil war es etwas ganz anderes. Schon als die Bassline der ersten Tracks erklang, konnte ich nicht anders als aufhorchen. Seither ist es eines meiner aktuellen Lieblingsalben. Ich bin immer wieder erstaunt, dass es in dem stilistisch eher schmalen Rahmen zeitgenössischen Reggae-Dubs (also diesseits von Experimenten, Retro-Sound und Crossover-Spielereien) immer noch gelingen kann, Musik zu produzieren, die sich so deutlich vom Durchschnitt absetzt. Musik, die aus irgend einem rätselhaften Grund besser ist, als der Rest. „12 Tribes“ ist eines von diesen Alben. Die Effekte sind hier meisterhaft eingesetzt, der Sound ist druckvoll und klar. Jeder Track entfaltet eine eigene Atmosphäre, ohne den roten Faden zu verlieren. Es ist ein Album, das Dub in seiner reinsten Form zelebriert, aber mit einer Präzision und Intensität, die nicht oft erreicht wird. Hier scheint alles zu stimmen: Sound, Basslines, Komposition, Arrangement und Mix. Kraftvoll aber nicht brachial, magisch aber nicht düster, minimalistisch aber nicht langweilig, melodiös aber nicht kitschig. Hinter Good Over Evil stecken übrigens die beiden Spanier Jah Ivan und Dani Roots. Schon mit ihrem Album „Life Arkitect“ von 2023 haben die beiden bewiesen, dass sie ein feines Gespür für tiefgründigen, atmosphärischen Dub haben. Auch ihr späteres Projekt „Roots of One“ und die dazugehörige Dub-Version „Roots of Dub“ zeigten, dass hier zwei Produzenten am Werk sind, die nicht einfach nur Patterns aneinanderreihen, sondern Dub als künstlerischen Ausdruck begreifen. Am meisten Aufmerksamkeit bekamen sie zuletzt wohl für ihre Dub-Version von Aka Bekas Album „Living Testament“ – doch während dieses Projekt auf fremdem Material basierte, ist „12 Tribes“ ein reines Good Over Evil-Werk. Und es ist, ohne Frage, ihr bisher bestes.

Bewertung: 4.5 von 5.

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Ghost Dubs: Extended Damaged Versions

Das letztjährige Album „Damaged“ (Pressure) von Ghost Dubs (alias Michael Fiedler, alias Jah Schulz) stieß ja bereits gewagt tief in den Grenzbereich des Genres vor. Jetzt ist mit „Extended Damaged Versions“ die – äh – Dub Version von „Damaged“ erschienen. Dem Titel nach also wörtlich „ausgedehnte Versionen der Beschädigung“ – das verheißt nichts Gutes. Es gab ja schon zu „Damaged“ Stimmen, die Fiedler Musik als „Studio-Testsounds“ bezeichneten. Ich würde präzisieren, dass es insbesondere um einen Test der Membranschwingungstiefe von Subwoofer-Scoops ging. Aber im Ernst: Die Musik von Ghost Dub ist streng genommen eine Neuinterpretation jener Sounds von Basic Channel/Rhythm & Sound aus den frühen 2000er Jahren, die damals das Spannungsfeld zwischen Minimal Techno und Dub austesteten. Im Vergleich zu „Damaged“ bricht Mr. Ghost Dubs bei den „Damaged Versions“ das typische Shuffle-Muster des Originals auf, fordert die Hörgewohnheiten noch weiter heraus, dreht den Bass noch mehr rein und lässt die Musik dadurch noch abstrakter, noch dunkler, noch böser werden. Auch wenn wir glaubten, „Damaged“ geht an die Grenzen dessen, was Dub sein kann, so belehrt und Fiedler: Es geht noch weiter. „Exdended Damaged Versions“ ist eine Reise durch dystopische Klanglandschaften, ein Sounddesign-Labyrinth, das mehr mit experimenteller Elektronik als mit Roots-Ästhetik gemein hat. Und doch steckt tief unter den dicken Schichten aus Bass und Delay der treibende Beat von Reggae, dekonstruiert und in super Slow Motion, aber doch auch organisch und dynamisch. Tracks wie „Dub Regulator“ brechen mit roher Wucht aus den Boxen, ein massiver, technoider Groove, der sich hypnotisch voran wälzt. „Chemical Version“ hingegen ist ein Strudel aus Delay-Spiralen, eine klangliche Täuschung, die in ihrer Tiefenstruktur an die besten Werke des deutschen Techno-Pioniers Porter Ricks erinnert. „Thin Dub“ ist ein weiteres Highlight, eine klangliche Verdichtung aus Hall, Echo und minimalistischer Percussion, die sich im Nichts aufzulösen scheint und doch alles andere als substanzlos wirkt. Die Essenz dieses Albums liegt in der völligen Hingabe an das Mischpult als Instrument, an das Prinzip der klanglichen Dekonstruktion. Fiedler zerstückelt seine eigenen Tracks, transformiert sie in neue Gebilde, die fragmentarisch, aber keineswegs unzusammenhängend wirken. Besonders das abschließende „Lobotomy Version“ zeigt, dass hier nicht einfach nur Dub produziert wurde, sondern eine Art sonisches Ritual stattgefunden hat – ein hypnotischer, ambienter Abstieg in die tiefsten Regionen der Bass-Abgründe.

Bewertung: 4.5 von 5.

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Danny T & Tradesman: Wicked City

Ich muss gestehen, Danny T und Tradesman hatte ich schon fast vergessen. Das Produktionsduo aus Leeds, spezialisiert auf Dancehall und UK-Steppers, ist nämlich nicht gerade für seine Produktivität bekannt. Ein Blick in seine Diskographie zeigt: Ein Album von 2017 und ein Remix von 2019, das war’s bisher. Aber jetzt, nach satten sieben Jahren, melden es sich zurück mit einem neuen Werk: „Wicked City“ (Moonshine Recordings). Das Album enthält zwar nur sechs Tracks (also weniger als einen pro Jahr), aber wie sagt man so schön? Was lange währt, wird endlich gut. Die Tracks sind digitale Produktionen, ganz klar mit dem Fokus auf Sound System Sessions produziert. Also Dubs, die ordentlich Härte mitbringen und keinen Hehl daraus machen, dass sie digitalen Ursprungs sind. Was mir besonders auffällt, sind die erstaunlich fantasievollen Arrangements. Schöne Drumpatterns und Percussions, brutale, elektronisch verzerrte Basslines und viele kleine Melodien, die sich geschickt einfügen. Klar, eigentlich das übliche Zeugs, könnte man sagen. Aber hier ist es so umgesetzt, dass man es auch bewusst anhören und gemütlich zuhause auf dem Sofa genießen kann. I like it.

Bewertung: 3.5 von 5.
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Gregory Isaacs: Slum in Dub (Re-Release)

Die Freunde des Reggae und Dub werden sich über die Wiederveröffentlichung dieses Dub-Albums freuen. Ursprünglich wurde „Slum in Dub“ 1978 in England bei Burning Sounds veröffentlicht und gleichzeitig in Jamaika von Gregory Isaacs auf seinem Cash & Carry Label unter dem Titel „Dub In The Slum“ herausgebracht. Die A-Seite der Burning Sounds-Ausgabe war die B-Seite des Cash & Carry-Labels und umgekehrt. Im Laufe der Jahre wurde „Slum in Dub“ in regelmäßigen Abständen immer wieder neu aufgelegt. Die neueste Vinyl-Veröffentlichung kommt wieder von Burning Sounds. Wie das Original enthält die LP keine Bonustracks und erscheint auf farbigem Vinyl.

Vor allem enthält „Slum in Dub“ Dub-Versionen von Stücken aus Gregory Isaacs’ selbstproduziertem Album „Cool Ruler“ aus dem Jahr 1978. Von „Public Eyes“ bis „Aso“ sind die Originale auf der „Cool Ruler“ zu finden. Eine Neuinterpretation des „Party Time“ Riddims findet sich auf „Nigger“ und „Leaving“ heißt im Original „Black Against Black“ und ist auf Gregorys „Extra Classic“. Der vorletzte Track „Leggo Beast“ wird dem einen oder anderen als „Spirit Of Umoja“ von Dennis Brown oder Augustus Pablo bekannt sein. Der Riddim ist der Heptones-Klassiker „Sweet Talking“. Das Album schließt mit „Embarrassment“, dem Leroy Sibbles & Heptones Song „Love Won’t Come Easy“ aus alten Studio One Zeiten.
Gemischt wurde das Ganze vom legendären Prince Jammy aka King Jammy im King Tubby’s. Aufgenommen wurde das Album zusammen mit den Revolutionaries im Channel One Studio in Kingston. Ein herausragendes Merkmal von „Slum in Dub“ ist die außergewöhnliche Klangqualität und der meisterhafte Mix von Jammy. Jammy beschränkt sich mehr auf den Einsatz von Effekten und hält sich beim Weglassen von Instrumenten deutlich zurück, so dass die originalen Melodielinien nahezu unangetastet bleiben. Die subtile Integration von verblassenden Gesangsfragmenten, die sparsam über die Tracks verstreut sind, trägt zu einem fesselnden Hörerlebnis bei.

„Slum in Dub“ ist eines der herausragenden Alben aus der Blütezeit des Dub. Jeder Track ist ein echter Klassiker. Die Rhythmen sind ansteckend und die Klangwelten, die sich daraus ergeben, einfach spacig. Dieses Album zeigt wieder einmal überdeutlich, dass ein starkes Ausgangsmaterial immer noch der Schlüssel zu einem großartigen Dub-Album ist, das „Slum In Dub“ in meinen Ohren nun mal ist. Irgendwie scheinen die Melodien schon immer da gewesen zu sein.

Bewertung: 4.5 von 5.
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Christafari: Prophetic Dub

Christafari, das musikalische Familienunternehmen von Pastor Mark Mohr, kennt man hier im dubblog.de spätestens seit der Review ihres „Dub Supreme“-Albums. Kurz zusammengefasst geht es bei dem Act in erster Linie um tiefreligiöse Texte, zumeist getragen von (mitunter klassischen) Roots-Riddims, alles aufgenommen und dargeboten in opulenter 1A-Qualität. Das Ganze läuft offenbar sehr gut, wie z.B. ausgedehnte Tourneen und Streaming-Zahlen belegen (die schon mal in die Million gehen – allein schon wenn man lediglich Spotify als Maßstab nutzt). Von großer Beliebtheit in den hardcore-Reggae-Communities kann man allerdings nicht sprechen, da Christafari – nomen est omen – ein vorwiegend christliches Publikum ansprechen und es mutmaßlich einen großen Unterschied macht, ob und welchen Gott man in Reggae-Kreisen bewirbt. 

Nun mag man die regulären Releases der Band schätzen oder nicht; die zugehörigen Dub-Alben sind durchaus empfehlenswert, kratzen sie doch die Essenz aus der Überproduktion und verlieren weite Teile von der allzu präsenten Stimme Mark Mohr‘s. Letztere dominiert auch das 2024er-Album „The Prophet“, das zwischen Roots und Dancehall hin und her pendelt und auch mal einen EDM-Ausflug macht. 

2025 starten Christafari mit dem „Prophetic Dub“ (Lion of Zion Entertainment), dem Diät-behandelten Bruder des vorjährigen Propheten, und ein erstes Reinfühlen in das Album bestätigt die obgenannten Annahmen: Christafari’s Alben vertragen die Abspeck-Kur bestens – weg mit dem Stimmen-Overkill, raus mit vielen, mitunter verdächtig nach Synth klingenden Bläsersätzen und rein mit viel leichten, aber keineswegs leichtgewichtigen Dub-Effekten. Damit das Ganze nicht wegschwebt, gibt’s Erdung satt mit Bass – nicht immer und überall, sondern dort, wo’s passt.

Ob es jetzt unbedingt noch eine EDM-Version gebraucht hat, sei dahingestellt; Crossover-Versuche sind jedenfalls nichts Neues – kennen wir spätestens seit Marley, Wailer, Tosh & Konsorten. Wer also abhotten will, wird ebenfalls bedient.

Letztlich ist der „Prophetic Dub“ ein Sammelsurium verschiedener Stile, dessen Höhepunkte sich dort finden, wo man sich entweder dem bass-satten Roots oder dem ätherisch-schwebenden Klängen hingibt („Jerusalem Dub“). Der Rest ist 4-on the floor Mittelmaß, der den Kritiker relativ unbeeindruckt zurücklässt.

Bewertung: 3 von 5.