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Dub (R)evolution Review

Dub Evolution Januar 2011

Die interessanteste Dub-Neuerscheinung des noch frischen Jahres kommt aus Münster, von den Senior Allstars, und trägt den schlichten aber dafür umso trefferenden Titel „In Dub“ (Skycap). Es ist gewissermaßen ein Geburtstagsgeschenk, das sich die Jungs gegönnt haben, denn als das Projekt 2009 geboren wurde, waren die Senioren 10 Jahre und fünf eigenständige Alben (also ohne Dr. Ring Ding) alt. „Von Anfang an ist Dub zwar ein wichtiges Element unserer (Instrumental-)Musik gewesen“, erklärt Thomas Hoppe, Schlagzeuger der Band, „aber ein richtig ordentliches Dub-Album war schon lange mein Traum“. Wie schön, dass sich so ein Traum auch umsetzen lässt. Mein lieber Riddim-Autorenkollege Karsten Frehe steuerte Kontakte zu einigen der zur Zeit interessantesten Dub-Produzenten bei, so dass sich eine illustre Schar an Sound-Tüftlern und Dub-Maniacs einfand, die insgesamt 14 Tracks der Senior Allstars in „richtig ordentliche“ Dubs zu verwandeln. Karsten hat jedem der 9 Dub-Meister im Booklet einen kleinen, informativen Text gewidmet: Umberto Echo (München), Alldub (Berlin) und Dubvisionist (Hannover), Webcam HiFi (Frankreich), Dubolic (Kroatien), Victor Rice (Brasilien), Crazy Baldhead (USA), El Bib (England) und Avatar (Irland). Alle haben ihre Arbeit sehr gut gemacht und saubere Dub-Mixes abgeliefert – Dub Mixes wohlgemerkt, keine Remixes. Es ging um das gute alte Tontechniker-Handwerk und nicht darum, neue Spuren einzuspielen und aus einem relaxten, Jazz-inspirierten Instrumental eine düstere Dubstep-Nummer zu zaubern. Daher ist es nicht ganz leicht, stilistische Unterschiede der verschiedenen Akteure herauszuhören. Der leichte, lockere Uptempo-Sound der ehemaligen Ska-Band bleibt auch für die Dub-Version prägend. Im direkten Vergleich einiger Tracks vom letzen Senior Allstars-Album „Hazard“ mit ihren Dubs fällt allerdings auf, dass die Originale wahrscheinlich besser gemastert wurden. Die Präsenz und Klarheit des Original-Sounds ist schlicht fantastisch. Dafür erhalten die Dubs mehr Tiefe und Schwere, der Sound wirkt konzentrierter. Insgesamt also ein schönes Dub-Reworking, das gerade im Vergleich zu den Originalen faszinierend anzuhören ist.

Ein ähnliches Konzept verfolgt das britische Reggae-Kollektiv Pama International mit dem neuen Album „Pama International Meet Mad Professor: Rewired! In Dub“ (Rockers Revolt). Auch hier wurde ein bekannter Dub-Produzent, nämlich der verrückte Professor himself, eingeladen, bestehende Tracks zu dubben, und zwar die des 2009 erschienenen Pama-Albums „Outernational“. Der Professor hat hier alles gegeben, aber was kann er retten, wenn schon die Basis nicht richtig stimmt? Anders als die Senior Allstars hat Pama International nämlich keine so guten Rhythms gebaut, keine melodischen Basslines komponiert und keine wirklich spannenden Arrangements kreiert. Daher plätschern die Tracks einigermaßen uninspiriert daher, auch wenn Mad Professor viel Hall draufgegeben und sich am Mischpult die Finger wundgeschraubt hat. Dass mich das Dub-Album so wenig zu beeindrucken weiß, wundert mich schon, denn „Outernational“ gefiel mir eigentlich gar nicht so schlecht. Aber im direkten Vergleich wird deutlich, dass das Original sehr vom Gesang profitiert, der eine schöne Mischung aus James Brown, Desmond Dekker und Jimmy Cliff ist. Ist doch interessant zu sehen, dass die Effekte des Dub nicht geeignet sind, mangelnde musikalische Qualität zu kaschieren. Das Gegenteil ist der Fall: Dub konzentriert sich auf das Wesentlich und lässt Mängel dadurch um so deutlicher hervortreten.

Noch so ein Fall: Wieder geht es um den Dubmix vorhandenen Materials, nur ist der Dub-Master in diesem Fall niemand anderes als der wiederauferstandene Scientist: „Scientist Launches Dubstep Into Outer Space“ (Tectonic). Dem armen Kerl blieb zwar das Pama-Album erspart, aber dafür musste er Dubstep remixen. Gibt es eine Musik, die sich weniger für einen Dub-Mix eignet als Dubstep? Was will man bei dieser Minimal-Music noch mixen? Scientist wusste das offensichtlich auch nicht, weshalb sich seine Dubs nicht sonderlich von den Originalen unterscheiden – die übrigens in Form einer Doppel-CD praktischer Weise direkt beigelegt wurden. Anders jedoch als bei Mad Professor, ist das „Rohmaterial“ in diesem Falle gar nicht so übel. Bisher unveröffentlicht, stammen die Tracks von Dubstep-Koryphäen wie Kode 9, Shackleton, Distance, Digital Mystikz u.a. Wer einer Exkursion in Dubstep-Gefilden nicht abgeneigt ist, kann ja mal reinhören. Wer jedoch erwartet, den Scientist zu hören, den er aus den frühen 1980er Jahren kennt, wird eine herbe Enttäuschung verdauen müssen.

Aus Japan kommt ein von Glen Brown produziertes und von King Tubby gemischtes Dub-Album zu uns: „Big Dub – 15 Dubs From Lost Tapes“ (Rock A Shacka). Dub Vendor in England verkauft das gute Stück für 22 Pfund (26 Euro) zuzüglich Versandkosten. Ein exklusives Vergnügen also, der (zudem noch limitierten) CD zu lauschen. Und mit welchen Sensationen wartet die Luxus-Cd auf? Zum Beispiel mit Dubs zu Stücken wie „Never Too Young To Learn“, „Father Of The Living“, „Away With The Bad“, „Merry Up“, „As Long As There Is You“, „When I Fall In Love“ – aber auch mit Dubs von bisher unbekannten Stücken (schließlich reden wir hier von „lost Tapes“). Wie zu erwarten, ist der Glen Brown-Sound auch hier eher trocken und spröde und Tubby verfährt in bekannter Manier damit: Das Wenige reduziert er noch weiter, lässt gelegentlich Gitarre oder Keyboards anklingen, jubelt kräftig Echo drüber, nur um es dann wieder den mächtigen Zwei, Drum & Bass, zu opfern. Wir haben es hier mit einem wahrhaft minimalistischen Werk zu tun und ich muss zugeben, dass ich mich beim Hören durchaus gelangweilt habe – großem Meister und großer Kunst zum Trotz. Mir ist der Sound eine Nummer zu karg und die Dub-Mixes zu klassisch. Nach meinem Geschmack eher ein Album für die Sammlung, als fürs Hörvergnügen.

So, damit wäre ich mit der Jahresauftakt-Kolumne durch, die – wie ich gerade feststellen muss – fast vollständig aus Verrissen besteht. Das fängt ja gut an!

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Dub (R)evolution Review

Dub Evolution, November 2010

Ich bin ein großer Freund des Minimalen, was vielleicht meine Vorliebe für Dub erklärt, denn Dub ist eine minimalistische Musik. Das Großartige an Dub ist aber, dass dieser Minimalismus nicht langweilig wird, denn innerhalb seiner engen Grenzen, bietet Dub einen wahren Kosmos an Möglichkeiten. In einer Komposition aus wenigen Elementen, hat die Veränderung eines einzelnen der Elemente eine viel größere Relevanz fürs Ganze, als in einer Komposition, die aus sehr vielen Elementen besteht. Dub zu produzieren heißt daher, die musikalischen Elemente sehr präzise zu komponieren und zu manipulieren. Statt ein vorhandenes Musikstück mit Effekten aufzupeppen, geht es um das genaue Gegenteil, nämlich darum, Musik so weit zu reduzieren, dass jeder einzelne Bestandteil, jedes Instrument, jeder Ton, dessen Klang und Kontext Bedeutung gewinnt. Aus diesem Grund, ist das Anhören von Dub eine andere Erfahrung als der Genuss eines „normalen“ Musikstücks. Während wir einem normalen Musikstück folgen wie einer Erzählung, also gewissermaßen „gegenständlich“ mit einem klaren Fokus auf Gesangsmelodie und Text, betreten wir bei Dub einen abstrakten akustischen Raum, in dem sich unsere Aufmerksamkeit nicht an einem bevorzugten Gegenstand festhalten kann, sondern vielmehr jedem Einzelnen sowie zugleich dem Ganzen gilt. Vielleicht rührt daher der meditative Charakter von Dub: Er evoziert beim Hörer einen Zustand der vollständigen Offenheit und Achtsamkeit.

Beim Hören von Alborosies neuem Album „Dub Clash“ (Shengen/Import) erging es mir wieder genau so. Es ist eine Musik, in deren Tiefe man als Hörer eintaucht und sie in fast meditativem Zustand, aber mit hellwachem Geist, erlebt. Hier ist jedes Detail sorgsam ausgewählt, platziert und arrangiert. Alles ist am richtigen Platz, nichts dürfte fehlen, ohne dass das austarierte Gleichgewicht der Komposition zerstört würde. Hier haben wir den glücklichen Fall, dass hervorragende Produktionen einer kongenial ausgeklügelten Dub-Prozedur unterzogen wurden, mit dem Ergebnis, dass die Dubs besser sind als die Vocal-Originale. Während Albos Songs zweifellos gut sind, so bleibt es doch den Dubs vorbehalten, das musikalische Erlebnis zu einer wirklich faszinierenden, reichen Erfahrung werden zu lassen. Ein wichtiger Grund für das Zustandekommen dieser Erfahrung ist Alborosies Vorliebe für gute, alte, analoge Studiotechnik, der seine Musik einen unglaublich reichen, warmen und harmonischen Sound verdankt, voller Komplexität und Tiefe. Seine andere Vorliebe gilt klassischen Riddims wie z. B. „Bobby Babylon“, „Full Up“ oder „When I Fall In Love“, was nicht nur schöne Basslines garantiert, sondern ebenfalls ein interessanten Aspekt des dem Dub eingeschriebenen Minimalismusprinzips darstellt. „Analoge Studiotechnik“ und „klassische Riddims“ klingt nach Old School – und das ist es auch und zwar volle Kanne. Nicht ohne Grund widmet Albo das Album King Tubby. Vor allem das erste Stück, das bezeichnender Weise mit „Tribute To The King“ betitelt ist, könnte von eben jenem gemischt worden sein. Doch im weiteren Verlauf emanzipiert sich Alborosie von der Vorlage und findet zu seinem eigenen Sound, der mit einem Bein in der Klassik, mit dem anderen aber im Hier und Jetzt steht. Je weiter das Album voranschreitet, desto reduzierter und hypnotisierender werden die Dubs, gewinnen an Erdung und Intensität und ziehen den Hörer immer tiefer in ihren Bann, bis schließlich die letzten Töne des sechzehnten Tracks verklingen und man aus der musikalischen Meditation erwacht – erfrischt und befriedigt und ein wenig verwundert darüber, warum diese großartige Musik Dub in Jamaika ausgestorben ist und erst ein Europäer sie dorthin zurück bringen muss.

Aus dem Heimatland Alborosies, Italien, kommt auch die Wicked Dub Division, ein typischer Vertreter der sehr starken Dub- und Roots-Szene jenseits der Alpen. Soeben ist das erste Album der Division erschienen: „The Singles Collection“(WDD/Download). Darauf bieten sie in gewisser Hinsicht ein echtes Kontrastprogramm zu Albos „Dub Clash“, denn statt ausgeklügelter Kompositionen und feinfühliger Mixe, geht‘s hier dubtechnisch voll auf die 12: Steppers galore, wuchtig, brutal, kompromisslos. Aufgebaut als Showcase-Album, gibt‘s stets zuerst die A-Seite der Single und dann den Dub. Doch nicht selten ist die Vokalversion ebenfalls ein Dub und der Gesang eher rudimentär vorhanden. Wer auf diese Art von UK-Steppers-Neuinterpretation steht, der könnte sich auch mal das etwas ältere Album von R.estistence in Dub, „Avampuest Dub“ (Alambic Conspiracy/Download) anhören.

2003 erschien das Pink-Floyd-Remake „Dub Side Of The Moon“. Damals schrieb ich in dieser Kolumne (ja, so lange gibt es sie schon!): „Schade, dass hier eine Menge Energie und eine noch größere Menge Innovationswillen auf das falsche Projekt verschwendet wurden. Vielleicht musste es aber mal versucht werden, um das Thema abhaken zu können – denn auch im Scheitern liegt die Chance zur Erkenntnis“. So kann man sich irren. Was ein Urteil hinsichtlich des Scheiterns im musikalischen Sinne betrifft, nehme ich nichts zurück. Im kommerziellen Sinne ist das Projekt jedoch alles andere als gescheitert. Unzählige (wahrscheinlich) Rock-Fans, stürzten sich auf das Album und ließen es zu einem der erfolgreichsten der Dekade werden. Anlass genug für die Easy Star All-Stars um Lem Oppenheimer, den Relaunch zu relaunchen. Dazu haben die Amis vor allem britische Dubber wie Groove Corporation, Dreadzone, Adrian Sherwood oder Mad Professor angeheuert, um Remixe von „Dub Side“ zu erstellen. Das Ergebnis ist nun „Dubber Side Of The Moon“ (Easy Star/Broken Silence) betitelt und krankt nach meiner Auffassung an den gleichen Unzulänglichkeiten wie „Dub Side“, nämlich daran, dass die Pink Floyd-Rock-Songs einfach nicht mit Reggae harmonieren. Die Produktionen sind oft gar nicht so schlecht, doch unverständlicher Weise haben viele Remixer die Gesangspassagen in ihre Dubs übernommen und damit das Ergebnis ungenießbar gemacht. Aber vielleicht stehe ich mit meiner Meinung auch alleine da. Meine Reggae-Facebook-Freunde haben sich jedenfalls ziemlich positiv über das Album geäußert und vor allem Mad Professor gelobt, der hier angeblich zu alter Größe zurück findet. Na ja, ich wollte es nur erwähnt haben …

Easy Star bedient den amerikanischen Markt übrigens auch mit den Produktionen der neuseeländischen Band The Black Seeds, die nun – wie passend – auch ein Remix-Album vorlegen: „Specials – Remixes And Versions From Solid Ground“ (Best Seven). Wie der Titel bereits klar stellt, haben wir es hier mit einem Remix ihres letzten Albums zu tun, wobei zu erwähnen ist, dass es sich bei den Remixes keineswegs ausschließlich um Dubs handelt. Überhaupt ist den Black Seeds mit dem klassischen Begriff von Dub nicht wirklich beizukommen. Ihr musikalischer Mix aus Reggae, Funk, Soul, Afro-Beat und recht untypischem (und witziger Weise stark an Fat Freddy‘s Drop erinnernden) Gesang, lässt einfach keinen deepen Dub-Mix zu. Die Musik klingt zu luftig, zu gutgelaunt und ist stets mehr Song statt Sound. Wer also auf der Suche ist nach einem eher unkonventionellen, souligen Reggae-Album mit gelegentlichen Dub-Exkursionen, der sollte sich die Specials mal zu Gemüte führen. Ansonsten reicht „Solid Ground“ als Begleitmusik zum Sonntagsfrühstück vollkommen aus.

Das dänische Chill-Out-Label Music For Dreams hatte ich bisher nicht auf dem Schirm, obwohl Labelchef Kenneth Bager schon seit geraumer Zeit EPs mit Dub-inspirierter elektronischer Musik veröffentlicht. Nun ist die Compilation der EP-Compilations erschienen: „World Dub Pastry Vol. 1-5“ (Music For Dreams/Download). Auf ihr finden sich 20 Tracks, die sich vielleicht am besten als Ibiza-Chill-Out-Dubs bezeichnen lassen und sich stilistisch irgendwo zwischen Minimal-House und Reggae-Dub mit gelegentlichen Worldmusic-Einsprengseln einordnen lassen. Die Musik hat einen schönen warmen Klang, sanfte Beats und einen entspannten Flow. Gefällt mir eigentlich ganz gut, obwohl es mir nicht gelingt, mich länger als zehn Minuten auf die Musik zu konzentrieren. Ich habe das Album jetzt bestimmt schon fünf mal gehört und kann mich darin immer noch nicht orientieren. Den durchweg sehr feinfühlig produzierten Stücken fehlt es schlicht und ergreifend an Ecken und Kanten. Statt nach vorne ins Bewusstsein zu dringen, streben die Tracks in den Hintergrund, bilden einen Soundtrack, der eher gefühlt statt bewusst wahrgenommen werden will. Was fast schade ist, denn die Beats, Sounds und Samples, die hier zum Einsatz kommen, sind für sich genommen richtig gut, nur im Zusammenspiel verlieren sie an Prägnanz und werden zur Klangtextur. Da aber genau das der Anspruch von Chill-Out-Music ist, gibt es hier eigentlich rein gar nichts zu meckern. Es gibt immer Situationen im Leben, wo man genau solche Musik gebrauchen kann.

So ziemlich das Gegenteil von Chill Out bietet das Netlabel Subbass (http://www.subbass.blogsport.de), das sich Dubsptep aus Deutschland verschrieben hat. Bereits im August veröffentlichte Label-Chef Uwe Heller die erste Labelcompilation „Subbass – Dubstep Made In Germany“. Darauf finden sich durchgängig hochwertige, klasse produzierte, energiegeladene Tracks, die voller Ideen stecken und zusammen ein äußerst abwechslungsreiches Album ergeben. Statt länger darüber zu lesen, hört es euch doch selber an. Es steht kostenlos zum Download bereit: http://subbass.blogsport.de/releases/

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Charts Review

Meine Dub Top 10 des Jahres 2010

1. Adrian Sherwood & Lee Perry: Dubsetter
2. Alborosie: Dub Clash
3. Dubmatix: System Shakedown
4. Lee Perry: Sound System Scratch
5. Hey-O-Hansen: We So Horny
6. Various: Evolution Of Dub Vol. 5
7. Dubblestandart: Marijuana Dreams
8. Dubkasm: Transformed in Dub
9. Various: Jahtarian Dubbers, Vol. 2
10. Various: Shatter The Hotel

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Prince Fatty: Supersize

Aah, Prince Fatty! Ich liebe seine Musik. Entdeckt habe ich Mike Pelanconi 2008, dank seines grandiosen Old School-Dub Albums „Survival Of The Fattest“. Das ist positiver, melodiöser, absoluter Wohlfühl-Dub aus dem UK. Weit, weit weg vom militanten Steppers oder meditativem Minimal. Einfach nur uplifting.
Nun, zwei Jahre später präsentiert Fatty sein neues Werk: „Supersize“ (Mr. Bongo) und es ist – kaum zu glauben – KEIN Dub-Album (zumindest weitgehend). Wieder hat Mr. Pelanconi superbe Old School-Produktionen kreiert, hat sie dann aber, statt sie nur durch den Dub-Wolf zu drehen, Koryphäen wie Winston Francis, Little Roy, Dennis Alcapone, Hollie Cook (Tochter des Sex-Pistols-Drummers Paul Cook) und Horseman gegeben, damit diese sich an ihnen gütlich tun. Natürlich konnten sie nicht anders, als zu dieser grandiosen Musik tolle Songs abzuliefern. Und so ist ein überaus schönes, klassisches Reggae-Album entstanden, auf dem man jeden Song mitsingen und jeden Groove in Tanzschritte umsetzen möchte. Natürlich fehlen auch Dubs nicht, wie etwa „Roof Over My Head“, eine Variation über den bekannten Song der Mighty Diamonds. Mein absoluter Favorit ist aber Little Roys Stück „Christopher Columbus“. Da geht mir schlicht das Herz auf und ich weiß wieder ganz genau, warum Reggae meine Musik ist.

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Reggae Review

Fabriclive.54: David Rodigan

Im Norden Londons residiert der Fabric Nightclub, seit Jahren schon der vielleicht progressivste Club in der vielleicht musikalisch progressivsten Stadt des Planenten. Zu hören gibt es hier cutting-egdge music, stets an vorderster Front des musikalischen Underground, irgendwo im Spektrum zwischen House, Techno, Electro, Drum & Bass, Dubstep und Future Bass. Hier geben sich freitags die angesagtesten DJs den Tonabnehmer in die Hand und spielen Gigs, von denen wir in Deutschland nur träumen. Begleitend zu den Clubnächten, bringt Fabric die CD-Reihe „Fabriclive“ heraus, deren Veröffentlichungen je von einem der Gast-DJs kuratiert werden. Und jetzt ratet mal, wer Vol. 54 kompiliert hat? Niemand geringeres als uns aller David Rodigan! „I deliberately avoided the obvious tracks which have appeared repeatedly on reggae compilation albums over the years. fabric, the club, and fabric the record label, is at the cutting edge of music and so I wanted to uphold that legacy with my album“, kommentiert der Meister sein Werk und ich kann ihm nur beipflichten: Seine Selection ist großartig (auch wenn sie Reggae-Fans nichts Neues bietet). Rodigans Konzept ist einfach und bestechend: geschickt mischt er klassische Aufnahmen mit neuen Produktionen (die sich nicht selten, über Jahrzente hinweg aufeinander beziehen) und gibt dem Unwissenden so zumindest eine Ahnung der mittlerweile fünfzigjährigen Entwicklungsgeschichte von Reggae (bei deren Anblick die Dubstep-Jünger erblassen dürften). Ich war besonders überrascht, dass Rodigan hier sogar mehrere Dub-Stücke präsentiert – bei dem aufgeschlossenen Fabric-Publikum offenbar kein Problem. Eine weitere Überraschung wr Rodigans Vorliebe für One Drop-Reggae: unter den 20 Tracks finden sich nur zwei Dancehall-Produktionen – da kenn ich Rodigan Live aber anders. Hier gibt es mehr Informationen (und ein cooles Bild von Rodigan): http://www.fabriclondon.com/label/fabriclive/54/

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Dub (R)evolution Review

Lustre Kings in Dub, Vol. 1

Ein Dub-Album aus Amerika! Wer es nicht weiß, erkennt es sofort am Sound: fette Beats sind Sache der Amerikaner nicht. Trocken und gut abgehangen müssen die Rhythms klingen, handgespielt und ein bisschen wie Rock ,n‘ Roll. Das Luste Kings-Produktionsteam aus Kalifornien mach da keine Ausnahme. Seit 1995 produzieren Andrew Bain und Corrin Haskel Reggae nach diesem Muster und lassen ihre Riddims mit Vorliebe von unbekannten jamaikanischen Artists voicen. In 15 Jahren ist natürlich eine schöne Rhythm-Sammlung entstanden, aus der nun 11 Tunes in den Genuss eines Dub-Treatments gekommen und auf das Album „Lustre Kings in Dub, Vol. 1“ (Lustre Kings/Import) gepackt wurden. Weitere 6 Tunes sind als reine Versions mit von der Partie – zusammen also 17 Tracks. Abgesehen vom eher trockenen Sound, ist es doch erstaunlich, welch große stilistische Bandbreite die Stücke abdecken. Da gibt es ultra-softe Lovers-Nummern, handgespielten Roots, digital Dancehall, und sogar halbwegs deepe Dubs nach europäischem Vorbild. Wüsste man es nicht besser, würde man hier eine Compilation unterschiedlicher Produzenten vermuten. Die Frage, ob diese Variationsbreite nun eine Stärke oder Schwäche ist, stellt sich allerdings nicht, denn für fast alle Stücke gilt, dass die Beats etwas kraft- und saftlos bleiben – egal, welchen Stil sie gerade bedienen. Abgesehen von wenigen Ausnahmen („Proverbs Dub“, „Takling Drum Version“), haben die Rhythms nicht genug Präsenz, um als Dub oder gar Version bestehen zu können. Sie bleiben schön im Hintergrund, fordern keine Aufmerksamkeit und alles ist nice & easy – perfekte Wohlfühlmusik als Hintergrundbeschallung fürs Büro. Ich weiß, dass die beiden Lustre Kings ihre Musik mit viel Herzblut produzieren, weshalb mir die Kritik nicht leicht fällt. Aber auch wenn‘s mit viel Liebe gemacht ist, ein gutes Album wird dadurch nicht garantiert. Vielleicht sollten die beiden Kalifornier ganz einfach bei Vocal-Tunes bleiben – darin sind sie viel besser.

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Italian Dub Community

Die Fackel europäischen Dub und Roots wurde schon vor Jahren vom vereinigten Königreich an Frankreich weitergerecht. Inzwischen ist das Dub-Feuer auch schon in Italien angekommen und lodert dort wie ein mächtiger Waldbrand. Den Beweis gibt es als kostenloses Net-Release: „Italian Dub Community – Showcase Vol. 2„. Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt diverser italienischer Roots-Bands und Dub-Producer, die hier unfassbare 45 Tracks aus ihrem Oevre zusammengeworfen haben. Die Qualität des Albums ist ausgesprochen gut – zweifellos der beste Net-Release auf den ich je gestoßen bin. Erstaunlich, auf welchem Niveau die Italiener Roots produzieren – meilenweit von dem glatten jamaikanischen Roots der Gegenwart entfernt, ganz in der Tradition von UK-Dub stehend und doch eine konsequente Weiterentwicklung. Im Showcase-Style folgen hier Dub-Versions auf die Songs und bieten durchgehend einen grandios fetten Steppers-Sound. Faszinierend, dass sich die Italienischen Dubber – unter dem Motto „Cooperation No Competition“ – so einig darüber sind, wohin sie mit ihrem Sound wollen. Wer nicht ganz genau hinhört, könnte meinen, hier das Album einer einzigen Band zu hören. Tatsächlich aber stammen die Bands und Producer aus allen Landesteilen des Stiefels und waren mir – abgesehen von den BR. Stylers und R.esistence – bisher unbekannt. Schön, dass das Dub-Universum immer noch Überraschungen bereit hält.
Wer nach den 45 Tracks noch mehr Stoff braucht, der kann noch den „Showcase Vol. 1“ von 2008 herunterladen.

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Reggae Review

Fat Freddy’s Drop: Live At Roundhouse

Fat Freddy‘s Drop sind nach meinem Geschmack zur Zeit definitiv eine der interessantesten Reggae-Bands auf dem Globus, was schlicht und ergreifend an dem sehr eigenwilligen, kaum einzuordnenden Stil der Neuseeländer liegt. Sie durchkreuzen im untersten BPM-Drehzahlbereich eine rätselhafte Landschaft, wo der Boden aus Dub, die Berge aus Reggae, die Bäume aus Jazz und der Himmel aus Soul bestehen. Vielleicht ist es sogar eine Unterwasserlandschaft, durch die der dicke Freddy, mit bleibeschwerten Schuhen, im Zeitlupentempo stapft. Der Schall wird durch das Wasser gedämpft und verwandelt sich in dunkles Grollen, während gemächlich aufsteigende Luftblasen Stimmen und Töne freisetzen. Ja, das ist ein schönes Bild. Verfrachtet man es gedanklich in die einzigartige Welt Neuseelands, dann bekommt man eine Vorstellung davon, was Fat Freddy‘s Drop ausmacht. Und nun machen wir noch ein Gedankenexperiment, indem wir uns vorstellen, dass wir diesen trägen, lässigen, schweren Sound nicht in 4-5-Minuten-Häppchen genießen, sondern in einem Kontinuum von 10 Minuten aufwärts. Denn das ist die Qualität von „Live At Roundhouse“ (The Drop/Rough Trade), einem Konzertmitschnitt vom Dezember 2008, bei dem wir der siebenköpfigen Band dabei zuhören können, wie sie einen Song 15 Minuten und länger improvisierend variieren. Dass dies das eigentliche, authentische und einzig wahre Fat Freddy‘s Drop-Erlebnis ist, braucht wohl kaum erwähnt zu werden (vor allem, wenn man es hätte live miterleben dürfen). Das damals noch ungehörte Material diente ein Jahr später als Grundlage für das Album „Dr. Boondigga & The Big BW“. Wir hören also vor allem Stücke dieses Albums, das sich ja bekanntlich etwas vom Reggae-Fundament des Vorgängers entfernt hatte. Trotzdem: Ich bin begeistert.

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Lee Perry: Sound System Scratch

Es gibt immer wieder Gründe, ein Album mit Material von Lee Perry zu veröffentlichen. Oft sind es fadenscheinige Vorwände, um altes Material erneut kommerziell auszuschlachten. Doch Pressure Sounds hat jetzt eine neue, überraschende Idee gehabt: Sie haben nämlich alte Dub-Plate Specials eingesammelt, die Perry in den 1970er Jahren für diverse Soundsystems geschnitten hatte, diese teils glattgehobelten Acetatscheiben aufwändig restauriert und zu dem faszinierenden Album „Sound System Scratch“ (Pressure Sounds/Groove Attack) zusammen gestellt. Dabei zeigt sich, dass Perrys Dub Plates keineswegs nur die Kopie eines bloßen Rhythm-Tracks waren, sondern dass der kreative Derwisch, der er war, für jeden Auftrag einen exklusiven Remix anfertigte. Man kann sich leicht vorstellen, dass bei einem so ephemeren Produkt wie einem Dub Plate, also einem Produkt für eine begrenzte Hörerschaft und mit kurzer Halbwertszeit, Perrys Experimentierlust in Wallungen geriet. Hier galt es nicht, einen kommerziellen Erfolg zu erzielen, also Ecken abzuschleifen und Kanten wegzubügeln. Im Gegenteil, hier war alles möglich; ein weites Experimentierfeld, dessen Grenzen kein Hindernis für Lee Perry darstellten. Und so nutzte er die Studiotechnik nicht nur äußerst kreativ, sondern auch weit über ihre Möglichkeiten hinaus – was nicht selten auf Kosten der Soundqualität ging. Doch erst das endlose Um- und Ineinanderkopieren diverser Tonspuren und Samples brachte den typischen, vielschichtig komplexen Black Ark-Sound hervor. Diesem Sound huldigen die hier vorliegenden Dub Plates. Sie nehmen uns mit auf eine faszinierende Exkursion durch die multiplen Dimensionen des Klangraumes der Schwarzen Arche, mit ihrem typischen, hüpfenden Bass, dem Non-Stop-Phasing und natürlich den scheppernden Becken-Klängen. Vor dem inneren Auge entsteht ein Bild des Black Ark Studios, das für Perry eine Wohnung war, vollgestopft mit Instrumenten, Studio Equipment, Voodoo-Utensilien und Kram jeder Art. Die Wände flächendeckend mit Bildern und Drucken gepflastert. Hitze, Ganja-Qualm und das Aroma von jamaikanischem Rum, der Perrys Blutbahn durchströmte. Die Musik, die in dieser Atmosphäre entstand, war nicht von dieser Welt. Vielleicht war sie ein direkter Ausfluss von Perrys damaligem Genius, entstanden ohne die kontrollierende Einflussnahme des Bewusstseins: eine direkte Materialisierung von Perrys unergründlich wirrem Geist. Mystisch, obskur und geheimnisvoll, und genau deshalb so ungemein faszinierend. Eine Musik, die ihren Wert bis heute erhalten hat und der ich bei jedem Hören von neuem verfalle. Nach manch akademisch anmutendem Release ist Pressure Sounds mit „Sound System Scratch“ wieder einmal eine richtig fundamentale Kompilation gelungen. Ein Album, das in wunderbarer Weise die Schönheit und die unglaubliche Innovationskraft des Reggae der 1970er Jahre ins Bewusstsein ruft und das nicht in die Sammlung gehört, sondern in die Ohren!

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Dubblestandart: Marijuana Dreams

Freude: wieder ein neues Album von Dubblestandart: „Marijuana Dreams“ (Collision/Groove Attack). Das nunmehr zwölfte und das mit kaum einem Jahr Abstand zum letzten, zu Recht hochgelobten „Return From Planet Dub“. Die Wiener Jungs haben haben wirklich Hummeln im Hintern. Die wollen nur spielen! Und das hört man ihrer Musik auch an. Denn vom Gros der programmierten, synthetischen Dub-Musik unserer Tage, setzt sich die vierköpfige Kombo mit ihrem virtuosen, handgespielten Sound wohltuend ab. Ein Sound übrigens, der mich nicht selten an Adrian Sherwoods Style der 1990er Jahre erinnert. Es ist ein drängender, schneller, in gewisser Weise sogar aggressiver Sound, der seine Nähe zum Industrial nicht verleugnen kann. Kraftvolle Beats, gespickt mit Vocal-Fetzen von so illustren Gästen wie Lee Perry oder David Lynch – womit „Marijuana Dreams“ nahtlos an das Vorgängeralbum anknüpft, denn einige der Tracks, wie z. B. der Jean Michel Jarre-Remix oder Perrys „I Do Voodoo“ und „Chase The Devil“, stammen vom Planet Dub und werden hier in remixter Form erneut auf die versammelte Hörerschaft abgefeuert. Zieht man noch die vier Bonus-Dub-Versions ab, dann entpuppt sich die Sammlung neuen Materials mit sieben Stücken als einigermaßen übersichtlich – was aber nicht als negative Kritik verstanden werden darf, denn bei Dub ist der Remix ja bekanntlich eine Tugend. Womit wir bei der zweiten Qualität der Wiener wären, nämlich ihren Dub-Mixing-Skills. Das machen sie wirklich gut. Ihre Dubs haben eine gute Dramaturgie, sind abwechslungsreich instrumentiert, durchaus üppig arrangiert und mit vielen FX und Samples gespickt. Minimalismus ist das nicht gerade – aber die Tracks erst eigenhändig einzuspielen, nur um sie dann auf Drum & Bass zu strippen, würde mir auch keinen Spaß machen. Spaß machen mir jedoch die wenigen, aber herausstechenden Vocal-Tunes. Während Dubblestandart es hervorragend verstanden haben, das Non-Stop-Geblabber von Mr. Scratch auf kleine Vocal-Schnipsel zu beschneiden, kommen in ihren Marijuana-Träumen auch zwei „richtige“ Sänger bzw. Deejays vor: Anthony B und Elephant Man. Ich muss zugeben, dass ich mir Elephant Man nicht wirklich auf dem Dubblestandart-Sound hatte vorstellen können – muss aber zugeben, dass Ele ein richtig guter Dienstleister ist und den Wienern ein perfekt passenden Song auf die Dub-Beats gezimmert hat. Anthony B ist sogar noch eine Spur besser. Dann wäre da noch David Lynch, der allerdings eher als Marketing-Gag, denn als echter Vokalist mit von der Partie ist. Cool ist allerdings der Dubstep-Remix seines „Songs“, fabriziert vom New Yorker Subatomic Sound System, der das Album beschließt. Fassen wir also abschließend merkfähig zusammen: Album = gut!