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Evolution of Dub – Vol. 7

Evolution of Dub Vol. 7

Nach ca. 3,5 Jahren hat die Evolution of Dub – so wie Greensleeves sie sieht – Vol. 7 (Greensleeves) und damit ihr Ende erreicht (laut eines Blog-Eintrags des Plattenlabels). Wie schon beim Start 2009 abzusehen war, hatten die Damen und Herren der Archive gar nicht vor, eine wirkliche Evolution des Genres darzustellen. Statt dessen begnügten sie sich, Dub-Alben aus dem Back-Katalog als CD neu zu veröffentlichen – mit schönem Reprints der Original-Cover und mehr oder weniger ausführlichen Linernotes. Doch die bisher 28 ausgewählten Alben folgten weder einer Chronologie, noch waren sie besonders wichtige Meilensteine in der Entwicklung des Dub. Meist widmete sich eine Box einem oder zwei Produzenten und überspannte einige Jahre. Nach Joe Gibbs & Errol Thompson, Niney, natürlich Bunny Lee, Linval Thompson, Ossie Hibbert, Lloyd Coxsone und Prince Jammy, bildet Winston Edwards nun den Abschluss. Die Aufzählung dieser Namen macht jedem halbwegs mit der jamaikanischen Musikgeschichte vertrauten Leser klar, dass die Evolution à la Greensleeves die 1970er Jahre kaum verlassen hat. Für Freunde der alten Schule des Dub wahrscheinlich eine Offenbarung, ist die groß angelegte Serie in meinen Augen eine verpasste Chance. Eine Chance allerdings, die wahrscheinlich nie wirklich existiert hat. Denn eingedenk der Tatsache, dass Dub very, very, very special interest ist, hätte sich der Aufwand einer akribisch zusammen gestellten und gut kommentierten Geschichte des Dub wohl nie über Verkaufserlöse refinanzieren lassen. Daher lasst uns Greensleeves für diese tolle CD-Box-Serie ehrerbietig danken. – Und dann lasst uns schauen, was die Evolution Of Dub, Vol. 7 zu bieten hat:

Natty Locks Dub

Vier Produktionen von Winston Edwards, die drei ersten aufgenommen in Jamaika, obwohl Edwards seit 1974 in England lebte. Dort betrieb er sein Fay Music-Label und veröffentlichte im selben Jahr sein erstes Dub-Album „Natty Locks Dub“ mit Aufnahmen, die Teils in Perrys neuem Black Ark-Studio, teils bei Joe Gibbs entstanden und in Tubbys Studio gemixt wurden. Zurück in England kamen noch ein paar Bläser-Soli darüber und fertig war das Album. Allerdings war ihm wenig Erfolgh beschieden, was sich aus heutiger Sicht leicht nachvollziehen lässt, da die Tracks allzu seicht und stereotyp klingen.

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„King Tubby Meets The Upsetter At The Grass Root Of Dub“ von 1975 ist da schon von anderem Kaliber. Aufgenommen im Studio von Joe Gibbs, wurden die Dubs der A-Seite von King Tubby und die der B-Seite von Lee Perry gemixt. Beide Seiten sind – vor allem im Kontrast zum Vorgängeralbum – sehr gut gelungen. Fast alle Rhythms waren neue Kompositionen, die Instrumentierung, die oft von Vin Gordons Posaune angeführt wird, ist schön abwechslungsreich und nicht zuletzt überzeugen auch die Dub-Mixes. Im Rahmen einer Evolution des Dub liegt die eigentliche Bedeutung dieses Albums aber in dessen Vermarktung. Denn während frühere, in geringen Stückzahlen importierte Dub-Alben in England aufgrund ihrer horrenden Preise nur wenig Käufer fanden, war „King Tubby Meets The Upsetter At The Grass Root Of Dub“ nicht nur ein richtiger, ordentlicher UK-Release zu einem normalen Album-Preis, sondern Edwards bewarb das Album zudem mit einer weit verbreiteten Anzeigenserie. Das Ergebnis könnte als positives Beispiel in einem Marketing-Handbuch der Zeit Aufnahme finden: Das Album verkaufte sich blendend, wurde Kult unter den Anhängern jamaikanischer Musik und bewirkte vor allem eines: Das Konzept von Dub wurde einem großen Publikum bekannt gemacht.

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„King Tubby Surrounded By The Dreads At The National Arena“ erschien ein Jahr später, 1976, und stammte ganz aus der Dromilly Avenue. Neben reinen Dubs, gibt es auch einige Vocal-Cuts zu hören, was die original Linernotes damit begründen, das Album versuche einen Live-Auftritt King Tubbys in der National Arena Kingstons nachzuempfinden. Doch obwohl auch das neue Album zum Erfolg wurde, schloss Edwards 1977 sein Label und kümmerte sich statt dessen um Joe Gibbs Londoner Dependance.

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Drei Jahre später, als Dub bereits im Begriff war, sich aus der Gunst der Hörer zu verabschieden, veröffentlichte Winstone Edwards sein viertes und vorletztes Dub-Album: „Dub Conference“. Doch dieses Mal war es eine rein britische Produktion, aufgenommen und gemixt vom zentralen Protagonisten des UK-Reggae jener Zeit: Dennis Bovell (aka Blackbeard). Der Unterschied zu den drei jamaikanischen Alben in der Box ist gewaltig. Die drei Jahre zeitlicher Abstand zu den Vorgängern dürfte dabei weniger entscheidend sein als die generell bessere Ausstattung der britischen Tonstudios. Der Sound auf „Dub Conference“ ist ungleich komplexer, der Dub Mix um längen experimentierfreudiger, während die Gesamtanmutung beseelter und „wärmer“ ist. Die „Dub Conference“ ist ein würdiger Abschluss der „Evolution Of Dub“-Serie, denn genau hier erfolgte die Übergabe des Staffelstabes des Dub von Jamaika an England. Was dann folgte, ist ein anderes Kapitel im Buch der Evolution.

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The Breadwinners: Dubs Unlimited

The Breadwinners

Wir sind versessen auf Neues. Nirgendwo sonst wird Innovation so hoch geschätzt wie bei uns, im westlichen Babylon-System (und die Jamaikaner machen da bekanntlich keine Ausnahme). Anders als z. B. in Japan, wo es als hohe Kunst gilt, ein Handwerk perfekt zu beherrschen und jene gepriesen werden, die beispielsweise ein Samurai-Schwert in absoluter Perfektion schmieden oder ein klassisches Gericht in höchster Vollendung zubereiten können, spielt handwerkliche Qualität bei uns eine ganz und gar untergeordnete Rolle. Als wahrer Künstler gilt nur, wer etwas (wenn auch nur vermeintlich) Innovatives leistet – unabhängig von seiner handwerklichen Fähigkeit. Hauptsache die Idee ist neu. Diese Haltung führt dazu, dass manch Schönes gering geachtet wird. Sie führt andererseits aber auch dazu, dass wir nicht beim bereits Erreichten verharren, sondern uns auf der Suche nach Neuem vom Fleck bewegen und spannende Möglichkeiten entdecken. Aber der Drang nach Innovation und die Freude an Bewährtem müssen sich ja nicht ausschließen. Mich kann beides begeistern: Das Album eines Experimentierers, der die Grenzen des Genres sprengt – auch auf Kosten der Schönheit. Aber auch: Das Werk eines Traditionalisten (oder besser: Postmodernisten), der in seiner Musik versucht, dem Ideal des Sounds einer ganz bestimmten Epoche möglichst nahe zu kommen. Prince Fatty habe ich dank seiner meisterhaften Beherrschung dieser Kunst hier schon des öfteren gefeiert. Nun bekommt er Gesellschaft von einem Landsmann, der zwar (noch) nicht so produktiv ist wie Fatty, dafür aber genau so gut: Alan Redfern aka The Breadwinners. Der Künstlername lässt eine ganze Band vermuten – und genau das ist Redfern auch. Eine One-Man-Band, denn er spielt nicht nur Schlagzeug, Bass, Keyboards, Gitarre, Perkussion und Harfe (!), sondern komponiert auch seine Musik, nimmt sie auf und mixt sie außerdem noch zu grandiosen Dubs. In den letzten fünf Jahren hat der 34-jährige hunderte Tracks aufgenommen. 15 davon sind nun auf seinem Debut-Album zu hören: „Dubs Unlimited“ (King Spinna Records) – und diese 15 Tracks sind der perfekte Sound, um auch das neue Jahr 2013 mit dem Vibe der 1970er zu infizieren. Denn was Mr. Breadwinners hier mit seinen 15 kurzen und bescheidenen Tracks veranstaltet, ist nichts weniger als eine veritable Renaissance von Lee Perrys Black Ark-Sound sowie die Reinkarnation der late 70ies Roots Radics. Warum man sich das anhören sollte, obwohl der Schrank voll steht mit originalen Perry-Aufnahmen und unzähligen Roots-Radics-Alben? Aus dem gleichen Grund, weshalb man sich einen Tarrantino-Film anschaut: Es macht einfach Spaß, den postmodernen Zitaten nachzuspüren, den „alten“ Sound in einer von Kevin Metcalfe perfekt gemasterten Qualität zu genießen und zudem noch ausgesprochen schönen Kompositionen und Arrangements zu lauschen.
Hörprobe bei iTunes

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Zenzile Meets High Tone: Zentone

Zenzile Meets High Tone

Re-Release der ursprünglich 2006 erschienenen Kollaboration der beiden französischen Dub-Acts Zenzile und High Tone auf Jarring Effects. 2005 ging man gemeinsam auf Tour und schnell war die Idee eines gemeinsamen Albums geboren. Wie zu erwarten, changiert das Album zwischen lupenreinem Dub und Elektronic-Spielereien. Grundsolide Qualität ohne Höhenflüge, aber auch ohne Abstürze.
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Brain Damage Dub Sessions: What You Gonna Do?

Nachdem das im März erschienene Album „High Tone meets Brain Damage – High Damage“ meinen Glauben an das französische Dub-Duo nachhaltig erschütterte, ließ mich nun im Oktober, also nur sieben Monate später, das neue Brain Damage-Album „What You Gonna Do?“ erleichtert aufatmen. Hier stimmt glücklicherweise wieder alles: Dub-Music wie sie sein soll! Okay, eine Einschränkung gibt es: Es sind sechs Sänger mit von der Partie. Im engeren Sinne haben wir es hier also nicht mit einem reinen Dub-Album zu tun. Es handelt sich viel mehr um ein Showcase-Album, das uns zunächst sechs Vocal-Tracks und anschließend sechs Dub-Versions präsentiert. Aber ist das Vorhandensein von Gesang ein Ausschlusskriterium für Dub? Keineswegs, wie sich an diesem großen Album nachweisen lässt. Während bei einer klassischen Roots-Produktion die Musik (oft auch als „Backing“ bezeichnet) den „Hintergrund“ für den Gesang bildet, ist sie auf dem Album von Brain Damage dem Gesang ebenbürtig. Statt lediglich Rhythmus zu sein, steht sie selbstbewusst und eigenwertig neben dem Gesang. Sie ist so aufmersamkeitsstark und individuell ausgestaltet, dass es unmöglich ist, ihr nicht mit dem (mindestens) gleichen Maß an Konzentration und Hingabe zuzuhören wie den sechs Sängerstimmen. Es sind schlichtweg großartig komponierte Dubs, die auch ohne Gesang vollkommen überzeugen könn(t)en. Allerdings, und das muss hier unumwunden zugegeben werden, sind die Gesangsmelodien von Brother Culture, Learoy Green, Madu Messenger, Zeb McQueen und Sir Jean so gut, dass es schwer fiele, auf sie zu verzichten. Und deshalb ist es auch viel sinnvoller, genussvoll hinzuhören, statt sich über Schubladen den Kopf zu zerbrechen.

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Shaky Norman: Universal Love

Die Melodika wird im Reggae auf ewig mit dem Namen Augustus Pablo verbunden sein. Die von Pablo geschaffene Symbiose aus Dub und Melodika prägte einen geradezu hypnotisierenden Sound, der Musiker bis heute fasziniert. So auch den Franzosen Shaky Norman, der sich eigentlich dem Punkrock verschrieben hat, aber seit vier Jahren Dubs mit seinen Melodika-Melodien verziert. Diese Werke präsentiert er nun auf seinem Album „Universal Love“ (http://shakynorman.bandcamp.com). Dabei versucht er sich gar nicht erst an der hohen Kunst der Dub-Produktion, sondern bedient sich der Musik mehr oder weniger renommierter Dubheads aus aller Welt: Dubatak (Brasilien), Bandulu Dub (Portugal), Don Fe (Spanien), Roots Ista Posse und Les Pigments Libres (beide Frankreich), Chaves (Malaga/Spanien), Mungo’s Hifi (Schottland), Jahspora (Frankreich), Jiang Liang (China) und Dub Caravan (England). Obwohl die Dubs aus so unterschiedlichen Quellen stammen, wirkt das Album überraschend geschlossen und harmonisch. Der Sound ist weich und warm und gewinnt durch das Melodikaspiel eine sanft melancholische Note. Um der Gefahr zu begegnen, mit dem wenig modulierbaren Melodika-Sound über die Länge von 14 Tracks irgendwann doch zu nerven, variiert Shaky Norman sein Spiel sehr geschickt: Mal ist die Melodika Solostimme, mal wird sie zum Rhythmusinstrument, dann tritt sie in die Funktion von klassischen Reggae-Bläsern, die nur eine kleine Hookline spielen. Gelegentlich gibt es sogar winzige Vokal-Schnipsel von Ranking Joe, Tippa Irie und Earl 16 zu hören, was zusätzlich für Abwechslung sorgt. – Ich denke, Shaky sollte den Punkrock an den Nagel hängen und sich sofort um das nächste Melodika-Album kümmern.

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Resonators: The Constant, Dub Collection

Bevor ich mich dem Verfassen dieses Artikels und der damit verbundenen Herausforderung einer anfänglich erschreckend leeren Dokumentenseite stelle, werfe ich noch schnell einen Blick ins Internet. Kurz mal in den iTunes-Store, dann einen Abstecher zu Amazon und schließlich zu meiner Lieblingsseite: junodownload.com. Und was begegnet mir dort? Ein Album, das ich ohne zu zögern, sofort zum Helden dieser Ausgabe der Dub Evolution küre: Resonators, „The Constant“ (Wah Wah). Was für ein Fund! Im strengen Sinne ist es ein Vocal-Album, allerdings sind die instrumentalen Passagen beinahe umfangreicher als der Gesangs-Anteil und außerdem liefert die Band das Dub-Album „Dub Collection“ zu „The Constant“ zum freien Download gleich mit. Doch Vocals hin- oder her: der Sound hinter dem Gesang ist eindeutig Dub – ohne allerdings mit klassischer UK-Dub zu sein. Im Gegenteil: Die Musik der neunköpfigen Band aus Brighton und London ist hundert Prozent analog und handgespielt – was zwar eigentlich nicht das richtige Material für typischen Dub-Sound ist – hier aber absolut perfekt funktioniert. Die Jungs hinter den beiden Frontfrauen spielen einfach unglaublich inspirierte Musik, voller Energie und Variationsreichtum. Wer jetzt eine typische Festival-Live-Band a là Jamaram oder Irie Révoltés erwartet, liegt falsch. Die Resonators sind von der simplen Song- und Musikauffassung solcher Bands meilenweit entfernt. Statt Mitgrölen ist hier eher connaisseurhaftes Zurücklehnen und Genießen angesagt und statt eindimensionaler Orientierung auf den Gesang der Rampensau, ist ein Song der Resonators ein organisches Ganzes, in dem Gesang, Musik und Dub-Effekte gleichwertige Rollen spielen, sich gegenseitig durchdringen und gemeinsam faszinierend komplexe und doch eingängige Musikstücke ergeben. Faszinierend ist auch die kostenlose Dub-Version des Albums, die allerdings nur fünf Tracks umfasst. Der unglaublich präsente Live-Sound der Band kommt hier noch stärker zum Tragen und kontrastiert spannungsvoll mit den typischen Studio-Dub-Effekten, was mich manchmal entfernt an das alte Dub Syndicate-Album „Pounding System“ erinnert. Andererseits kommt mir beim Hören auch Prince Fatty in den Sinn, dessen spielerisch-lockere, vor Ideenreichtum und ungestümer Spiellust strotzende Musik vom gleichen Geist beseelt ist. Nice! So, und jetzt muss ich bei facebook.com/Resonators erst mal „gefällt mir“ anklicken.

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Various Artists: Dubvision III

Drei Jahre hat es gedauert, bis der Dubvisionist Felix Wolter einen neuen Sampler mit seinen Lieblings-Dubs veröffentlicht. Nun liegt er vor: Dubvision III (Perkussion & Elektronik) und ist eben so gut, wie seine beiden Vorgänger. Wieder hat der Hannoveraner zwölf ausschließlich von ihm produzierte oder zumindest remixte Tracks versammelt. Doch ist gegenüber der Dubvision II die Auswahl der Protagonisten geschrumpft. Neben ihm selbst (in unterschiedlichen Inkarnationen) gibt es nämlich nur noch die Senior Allstars und Aldubb zu hören – was aber letztendlich unerheblich ist, solange die Musik stimmt. Und das tut sie ohne jeden Zweifel. Nach meinem Geschmack, ist Mr. Wolter der vielleicht beste deutsche Dub-Produzent, auch wenn er sich in aller Bescheidenheit im Hintergrund hält und sich nicht so vermarktet, wie es ihm eigentlich zustehen würde. Hier gibt es nun einen neuen Beleg für meine Behauptung.

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Braintheft: Berlintendo

Mit einigen Jahren Verzögerung macht sich der Einfluss von Dubstep auf Dub nun zunehmend bemerkbar. Meist ist es lediglich der verzerrte Bass-Sound, der zitiert wird, aber es gibt auch weitreichenderen Einfluss wie z. B. bei der 2016 gegründeten und aus der Zukunft ins Jahr 2008 nach Berlin zurück gereisten Band Braintheft. Ihr soeben vorgelegtes Album „Berlintendo“ verdankt dem Dubstep rund 40 Prozent seiner Inspiration. Weitere 40 Prozent dürften dem Bass-Sound eines Bill Laswell geschuldet sein. Die verbleibenden 20 Prozent sind schließlich echter Reggae-Dub. Und genau diese, hinsichtlich meiner Lieblingsmusik recht ungünstige Verteilung verleidet mir den ungetrübten Spaß an „Berlintendo“. Das Album besteht aus drei Teilen: dem „Studio Mode“ (Studioaufnahmen), dem „Live Mode“ (Konzertmitschnitt) und dem „Versus Mode“ (Remixes), was insgesamt stolze 28 Tracks ergibt. Allen Stücken gemein ist ein entspannter, dunkler, teils verspielter, elektronischer Sound, der seine handgemachte Herkunft nicht leugnen kann. Doch trotz reichlich Schallwellen aus dem Frequenzkeller, fehlt dem Album der rechte Wumms. Mir ist die Musik zu verkopft, die Soundscapes zu langatmig und die Rhythms zu ideenlos. Wie so oft bei Bill Laswell, fehlt der Musik schlicht der Groove – von Melodien ganz zu schweigen. Alles das, was im klassischen Sinne „schön“ ist an einem Dub, wird hier zugunsten atmosphärischer Klangwelten geopfert. Einfache, aber dadurch vielleicht bestechende, Ideen werden durch komplizierte Kompositionen, reichlich Breaks, Rhythmuswechsel und aufwändige Arrangements ersetzt. Doch viel ist nicht unbedingt mehr, sind die stärksten Ideen doch oft gerade die (scheinbar) einfachsten. Dummerweise sind sie auch am schwierigsten zu bekommen.

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Reggae Review

Salmonella Dub: For The Love Of It

Spätestens seit dem großen Erfolg von Fat Freddy‘s Drop befindet sich Neuseeland auf der Reggae-Weltkarte. Doch wer hätte gedacht, dass Fat Freddy‘s Drop, Trinity Roots, The Black Seeds und alle anderen Reggae-inspirierten Bands der Insel einen gemeinsamen Urahn haben: Salmonella Dub. 1992 in Christchurch gegründet, ebnete die inzwischen fünfköpfige Band den Weg für Reggae aus Kiwi-Land. Trotz ihres Namens (den sie wegen ihrer schrägen „Bad Taste“-Cover verliehen bekommen haben) ist Salmonella Dub keine Dub-Band. Das Gegenteil ist der Fall: die meisten ihrer Stücke beinhalten Vocals. Aber nicht nur das: Salmonella Dub ist eigentlich noch nicht einmal eine echte Reggae-Band. iTunes listet sie unter dem Label „Alternative“ – was schon zeigt, dass sich die Musik stilistisch nicht so recht fassen lässt. Hört man in ihr Oeuvre, weiß man auch, warum Reggae-Fans sie bisher nicht auf dem Schirm hatten. Unser Mann in Hamburg jedoch, der Label-Chef von Echo Beach, hatte natürlich längst bemerkt, dass sich unter den stolzen 22 Alben/EPs der Diskographie der eine oder andere Reggae-Dub versteckt hielt und dass allseits geschätzte Remixer wie Groove Corporation, Dreadzone oder Adrian Sherwood so manchen Song einfach zum Reggae-Dub konvertiert hatten. Wie bei der Trüffellese pickte er sich diese hocharomatischen Tracks heraus und kompilierte sie – die Zielgruppe unbestechlicher Dubheads vor Augen – zu einem richtigen, echten Dub-Album: „For The Love Of It (Echo Beach). Hardcore-Steppers sucht man hier allerdings vergebens. Das Spektrum bewegt sich eher im Bereich zwischen tendenziell poppigen Stücken, sehr rootsigen Nummern und wunderbar hypnotischen, kunstvoll gespielten und gemixten Dubs. Gelegentlich spielt ein wenig Ambient hinein und in einem Fall gibt es sogar eine coole Mischung aus Drum & Bass und Dubstep. Alles sehr schön. Für uns Freunde des Dub ist es zweifellos ein „Best Of Salmonella Dub“-Album.

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The Senior Allstars: What Next?

Vor rund zwei Jahren schwärmte ich an dieser Stelle von „In Dub“, dem damals neusten Werk der Senior Allstars und zugleich dem ersten „richtigen“ Dub-Album der Instrumentalband. Damals hatten sie diverse Dub-Mixer eingeladen, vorhandenes Allstars-Material in schöne, klassische Dubs zu verwandeln. Was im Studio so gut gelang, sollte nun auch auf der Live-Bühne funktionieren. Doch wie spielt man Dub vor Publikum, ohne die Musiker zu reinen Material-Zulieferern für den Nerd hinterm Mischpult zu degradieren? Ganz abgesehen davon, dass die Live-Performance eines Tontechnikers grundsätzlich wenig unterhaltsam ist. Die von den Senior Allstars gefundene Lösung für dieses Dilemma ist so einfach, wie genial: Jeder Musiker mixt sein eigenes Instrument. Ausgestattet mit Mixer und Effekten, entsteht so im Zusammenspiel der eigentliche Dub-Mix – live & direct. Ein Konzept, das sich auf den Tourneen der Band in den letzten zwei Jahre dermaßen gut bewährte, dass die Allstars die Frage nach dem nächsten großen Album („what next?“) damit beantworteten, auf diese gleiche Weise ein ganzes Studio-Dub-Album einzuspielen – ohne Overdubs oder nachträglichen Dub-Mix. Das Ergebnis liegt nun vor und trägt den passenden Titel: „What Next?“ (Skycap). Die Frage könnte auch lauten: „Does it work?“. „Yes Sir!“ ist man versucht auszurufen, so sehr überzeugt das neue Werk. Live-Atmosphäre und schöne, kreative Dub-Mixes verbinden sich hier auf ideale Weise. Das Album entwickelt einen wunderbaren Flow, in den man sich als Zuhörer fallen lassen kann, um mal diesem oder jenem Instrument zu lauschen, um dem Groove nachzuspüren oder einem Echo durch Raum und Zeit zu folgen. Doch was ist die Form ohne den Inhalt? Die eigentlichen Stars des Albums sind weder Live-Atmosphäre noch Dub-Effekte – es sind vielmehr die ungemein schönen Kompositionen, die regelrechte Song-Strukturen entwickeln und weit über die „Loops“ hinaus gehen, auf denen manch anderes Dub- (oder gar Dubstep-) Album aufgebaut ist. Fast bekommt man den Eindruck, als seien auch diese Kompositionen live entstanden, als würden sie sich erst in dem Moment formen, indem der Ton das Instrument verlässt. Alles greift hier organisch ineinander, verbunden durch den roten Faden des Dub. Das, was hinterher als konkrete Aufnahme vorliegt, ist einmalig und unwiederholbar. Man könnte sagen, dass bei den Senior Allstars Dub zu Jazz wird, indem Dub wie ein eigenes Instrument funktioniert, das die Performance der Musiker improvisierend umspielt und alle Einzelteile eines Stücks zu einem großen, starken Groove verbindet.