Manchmal erscheinen sie ganz einfach so – ohne Ankündigung, ohne Vorwarnung. Alben unbekannter Acts mit für das Reggae-Genre eher unüblicher Cover-Artwork; der Rezensent ist leider geneigt, solche Teile im Streaming-Universum ungehört vorbei ziehen zu lassen. Das sollte man freilich niemals machen, wie ich an Super Natural Sound’s „Dub Tapes Volume 1“ (Super Natural Sound) demonstrieren kann.
Erster Gedanke: woah… Lee Perry’s Black Ark-Studio? Schon der erste Track macht klar wo’s langgeht: Ehrliche, handgemachte Musik, versehen mit Instrumenten wie anno dunnemal. Dass das so weit geht, dass noch Tapes, entsprechende Aufnahmemaschinen und diverse Sound Gadgets wie selbstgebaute Sirenen verwendet werden, erfahre ich erst später im Austausch mit Aaron Sprague, dem Mann hinter Super Natural Sound.
„ Lee Scratch Perry hat meine Herangehensweise, im traditionellen Stil auf Band mit analogem Equipment zu arbeiten, stark beeinflusst. Meine erste Veröffentlichung war eigentlich ein Track, den ich 2020 mit Lee Perry geschrieben und produziert habe. Als Bassist der New Yorker Roots-Reggae-Band „Mosaic Foundation“ spielte ich damals eine Show mit Perry und hatte das Glück, mit ihm gemeinsam den Song „Garvey Say“ aufnehmen zu können. Ich bin so sehr von Lee’s Stil, dem Black Ark-Sound und seiner spirituellen Herangehensweise beeinflusst worden, dass ich versuche, diese analoge Dub-Tradition weiter am Leben zu erhalten.“
Aaron‘s vorliegendes Debut „Dub Tapes Volume 1“ unter dem Moniker Super Natural Sound ist eine Sammlung von Dubs, die im vergangenen Jahr entstanden sind. Entgegen der ursprünglichen Absicht, zeitlose Musik zu machen, sind die Instrumental-Aufnahmen mit eher spärlich gesäten Dub-Effekten gänzlich im Sound der 70er Jahre verwurzelt. Mitstreiter sind hier Ranking Joe mit dem einzigen Vocal-Track und ein wunderbares Melodica- und Bongo-Duo aus Japan: Aki Mittoo und Goja Bongos. Mittoo’s wohlklingende Melodica unterscheidet sich stark von der Melodieführung und Spielweise eines Addis Pablo oder eines Art-X; wunderbar im Mix eingebettet wirkt das Instrument niemals aufdringlich.
Dazu kommen noch zwei Schlagzeuger aus Los Angeles und Israel, wobei letzterer für eine extra Portion Punch sorgt und die Aufnahmen leicht in Richtung 1980er hievt. Den Rest der Instrumentierung erledigt Sprague selbst und vervollständigt damit eine Mischung aus vielen Kulturen und Stilen, die „durch die Liebe zum Reggae“ zusammengebracht wurde, wie er selbst sagt.
„Dub Tapes Volume 1“ soll nur das erste von vielen weiteren Alben von Super Natural Sound sein; auf die Veröffentlichung warten bereits fertig eingespielte Vokal-Tracks, die diverse Sängerinnen präsentieren werden. „Die Arbeit mit den unterschiedlichen Musikern treibt mich an und lässt mich immer Neues erschaffen.“, so Aaron Sprague. „Ich sorge dafür, dass die Musik von Super Natural Sound positiv, voller Liebe und guter Stimmung ist. Die analoge Aufnahmetechnik ist hier hilfreich und hilft, diese Vibes bestmöglich zu erhalten. Schliesslich ist Musik Medizin, und ich unterstütze den heilenden Effekt auch durch Klänge, für die ich eigene Instrumente baue. Mein gesamtes Equipment, das älter ist als ich – aus den 60er, 70er und 80er Jahren – spielt dabei eine große Rolle. Ich liebe den Sound von damals und will ihn mit meiner Arbeit verbreiten; ich will aber vor allem Musik machen, die ich selbst hören möchte. Die „Dub Tapes Volume 1“ sind dabei lediglich der Anfang – das Super Natural Sound-Studio hat noch so einiges in petto.“
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen; der Mann weiß was er tut und was er damit bezwecken will. Respekt für die handgemachte Musik nach alter Rezeptur und auch dafür, dass er das Ganze nicht allein als Ego-Trip durchzieht – ganz im Gegenteil: New York trifft Japan trifft Kalifornien trifft Israel, und trotzdem klingt’s wie aus einem Guss. LSP lebt weiter – in allen Musikern, die er inspiriert hat. „Dub Tapes Volume 1“ zeugt davon.