Ich muss gestehen, Danny T und Tradesman hatte ich schon fast vergessen. Das Produktionsduo aus Leeds, spezialisiert auf Dancehall und UK-Steppers, ist nämlich nicht gerade für seine Produktivität bekannt. Ein Blick in seine Diskographie zeigt: Ein Album von 2017 und ein Remix von 2019, das war’s bisher. Aber jetzt, nach satten sieben Jahren, melden es sich zurück mit einem neuen Werk: „Wicked City“ (Moonshine Recordings). Das Album enthält zwar nur sechs Tracks (also weniger als einen pro Jahr), aber wie sagt man so schön? Was lange währt, wird endlich gut. Die Tracks sind digitale Produktionen, ganz klar mit dem Fokus auf Sound System Sessions produziert. Also Dubs, die ordentlich Härte mitbringen und keinen Hehl daraus machen, dass sie digitalen Ursprungs sind. Was mir besonders auffällt, sind die erstaunlich fantasievollen Arrangements. Schöne Drumpatterns und Percussions, brutale, elektronisch verzerrte Basslines und viele kleine Melodien, die sich geschickt einfügen. Klar, eigentlich das übliche Zeugs, könnte man sagen. Aber hier ist es so umgesetzt, dass man es auch bewusst anhören und gemütlich zuhause auf dem Sofa genießen kann. I like it.
Die Freunde des Reggae und Dub werden sich über die Wiederveröffentlichung dieses Dub-Albums freuen. Ursprünglich wurde „Slum in Dub“ 1978 in England bei Burning Sounds veröffentlicht und gleichzeitig in Jamaika von Gregory Isaacs auf seinem Cash & Carry Label unter dem Titel „Dub In The Slum“ herausgebracht. Die A-Seite der Burning Sounds-Ausgabe war die B-Seite des Cash & Carry-Labels und umgekehrt. Im Laufe der Jahre wurde „Slum in Dub“ in regelmäßigen Abständen immer wieder neu aufgelegt. Die neueste Vinyl-Veröffentlichung kommt wieder von Burning Sounds. Wie das Original enthält die LP keine Bonustracks und erscheint auf farbigem Vinyl.
Vor allem enthält „Slum in Dub“ Dub-Versionen von Stücken aus Gregory Isaacs’ selbstproduziertem Album „Cool Ruler“ aus dem Jahr 1978. Von „Public Eyes“ bis „Aso“ sind die Originale auf der „Cool Ruler“ zu finden. Eine Neuinterpretation des „Party Time“ Riddims findet sich auf „Nigger“ und „Leaving“ heißt im Original „Black Against Black“ und ist auf Gregorys „Extra Classic“. Der vorletzte Track „Leggo Beast“ wird dem einen oder anderen als „Spirit Of Umoja“ von Dennis Brown oder Augustus Pablo bekannt sein. Der Riddim ist der Heptones-Klassiker „Sweet Talking“. Das Album schließt mit „Embarrassment“, dem Leroy Sibbles & Heptones Song „Love Won’t Come Easy“ aus alten Studio One Zeiten. Gemischt wurde das Ganze vom legendären Prince Jammy aka King Jammy im King Tubby’s. Aufgenommen wurde das Album zusammen mit den Revolutionaries im Channel One Studio in Kingston. Ein herausragendes Merkmal von „Slum in Dub“ ist die außergewöhnliche Klangqualität und der meisterhafte Mix von Jammy. Jammy beschränkt sich mehr auf den Einsatz von Effekten und hält sich beim Weglassen von Instrumenten deutlich zurück, so dass die originalen Melodielinien nahezu unangetastet bleiben. Die subtile Integration von verblassenden Gesangsfragmenten, die sparsam über die Tracks verstreut sind, trägt zu einem fesselnden Hörerlebnis bei.
„Slum in Dub“ ist eines der herausragenden Alben aus der Blütezeit des Dub. Jeder Track ist ein echter Klassiker. Die Rhythmen sind ansteckend und die Klangwelten, die sich daraus ergeben, einfach spacig. Dieses Album zeigt wieder einmal überdeutlich, dass ein starkes Ausgangsmaterial immer noch der Schlüssel zu einem großartigen Dub-Album ist, das „Slum In Dub“ in meinen Ohren nun mal ist. Irgendwie scheinen die Melodien schon immer da gewesen zu sein.
Christafari, das musikalische Familienunternehmen von Pastor Mark Mohr, kennt man hier im dubblog.de spätestens seit der Review ihres „Dub Supreme“-Albums. Kurz zusammengefasst geht es bei dem Act in erster Linie um tiefreligiöse Texte, zumeist getragen von (mitunter klassischen) Roots-Riddims, alles aufgenommen und dargeboten in opulenter 1A-Qualität. Das Ganze läuft offenbar sehr gut, wie z.B. ausgedehnte Tourneen und Streaming-Zahlen belegen (die schon mal in die Million gehen – allein schon wenn man lediglich Spotify als Maßstab nutzt). Von großer Beliebtheit in den hardcore-Reggae-Communities kann man allerdings nicht sprechen, da Christafari – nomen est omen – ein vorwiegend christliches Publikum ansprechen und es mutmaßlich einen großen Unterschied macht, ob und welchen Gott man in Reggae-Kreisen bewirbt.
Nun mag man die regulären Releases der Band schätzen oder nicht; die zugehörigen Dub-Alben sind durchaus empfehlenswert, kratzen sie doch die Essenz aus der Überproduktion und verlieren weite Teile von der allzu präsenten Stimme Mark Mohr‘s. Letztere dominiert auch das 2024er-Album „The Prophet“, das zwischen Roots und Dancehall hin und her pendelt und auch mal einen EDM-Ausflug macht.
2025 starten Christafari mit dem „Prophetic Dub“ (Lion of Zion Entertainment), dem Diät-behandelten Bruder des vorjährigen Propheten, und ein erstes Reinfühlen in das Album bestätigt die obgenannten Annahmen: Christafari’s Alben vertragen die Abspeck-Kur bestens – weg mit dem Stimmen-Overkill, raus mit vielen, mitunter verdächtig nach Synth klingenden Bläsersätzen und rein mit viel leichten, aber keineswegs leichtgewichtigen Dub-Effekten. Damit das Ganze nicht wegschwebt, gibt’s Erdung satt mit Bass – nicht immer und überall, sondern dort, wo’s passt.
Ob es jetzt unbedingt noch eine EDM-Version gebraucht hat, sei dahingestellt; Crossover-Versuche sind jedenfalls nichts Neues – kennen wir spätestens seit Marley, Wailer, Tosh & Konsorten. Wer also abhotten will, wird ebenfalls bedient.
Letztlich ist der „Prophetic Dub“ ein Sammelsurium verschiedener Stile, dessen Höhepunkte sich dort finden, wo man sich entweder dem bass-satten Roots oder dem ätherisch-schwebenden Klängen hingibt („Jerusalem Dub“). Der Rest ist 4-on the floor Mittelmaß, der den Kritiker relativ unbeeindruckt zurücklässt.
Ehrlich gesagt frage ich mich gerade, zu welchem Künstler, welcher Künstlerin oder Kunststil dieses „Album“ passt. Keine Ahnung! Aber es müsste etwas Vielseitiges sein, das trotzdem eine gewisse Einheit und einen roten Faden erkennen lässt. Genau genommen handelt es sich ja auch nicht um ein klassisches Dub-Album, es sind vielmehr drei 12″ Vinyl-Veröffentlichungen, die insgesamt sechs verschiedene Riddims enthalten, einen auf jeder Plattenseite („The Vibe / Reggae Rub-A-Dub“, „Born As A Winner / Mr Officer“, „À mes Youths / Babylon Tremble“). Und diese Songs finden sich allesamt auf dem Album „MIXXTAPE“, welches im Dezember 2023 veröffentlicht wurde, damals einfach ohne Dub-Versionen und wohl deshalb an mir vorbei ging, ohne dass ich Notiz davon nahm. Was auffällt: in der digitalen Bundle-Version sind die Titel anders angeordnet, als wenn ich die drei einzelnen LPs nacheinander in Reihenfolge auf den Plattenteller legen würde. Die Original Bass Foundation präsentiert hier ein Werk, das experimentell, brachial, energiegeladen, psychedelisch, schräg, poppig, elektronisch, eingängig, deep, groovy, technoid, punky und wohl noch einiges mehr in einem Guss ist und einen gewissen Sog entwickelt: ich will es immer wieder hören, ohne genau zu wissen weshalb.
O.B.F ist ein Sound System, das im französischen Grenzgebiet vor Genf (Schweiz) angesiedelt ist und seit den Nullerjahren vor allem in Genf und der damaligen Hausbesetzerszene aktiv war. Der Produzent und Selektor Rico O.B.F, Operator G und Manager Stef bilden den Kern der Crew und haben von Genf aus nach den Squats (besetzten Häusern) in den letzten zwei Jahrzehnten langsam die Dancehalls in Europa und dann der ganzen Welt erobert. Ich muss sagen, dass ich längst nicht alles mag, was über das hauseigene Dubquake Records-Label herausgebracht wird. Einige wenige EPs und Singles habe ich mit den Jahren jedoch richtig ins Herz geschlossen (erwähnenswert „Do me right“, „Katibim“ oder „Heavyweight Sound“). Vieles ist mir jedoch zu elektronisch, zu brachial oder zu geradeaus stepperlastig mit durchgehend treibenden „Four-on-the-floor“-Beats. Persönlich habe ich es lieber im Roots Reggae-Style oder akustischer. Nichtsdestoweniger bin ich von diesem Album sehr angetan und feiere die verwendeten Synthesizer-Sounds, Beats und die Synth-Basslines geradezu. Insbesondere die Dub-Versionen sind schlicht genial und nicht konventionell, sondern mutig und zum Teil ziemlich experimentell gemischt und mit Effekten versehen. Der „Born As A Winner“-Riddim ist simpel, praktisch aus einem Piano-Lick, aufgemotzt mit einem unisono Bass, Offbeat und einem rhythmischen elektronischen Blubbern versehen (als wäre gerade eine dicke Sauce am Köcheln). Zwischenzeitlich ertönt eine einstimmige Synthie-Melodie. Zwei verschiedene Vocal-Versionen, einmal eher partymässig von Rider Shafique, einmal eher conscious-rastamässig von Mikey General. Danach der „Dub as a Winner“, mit viel Hall, ein- und ausgeblendeten Spuren, Delay, Filterdrehen, Stopps. Sehr spannend und intelligent, ich stehe auf Dub-Versionen dieser Art. „À mes Youths“ danach ist ein harter (aber logischer?) Wechsel, vor allem vom Sound der Synthesizer her gesehen. Ein treibender Stepperbeat peitscht dieses Instrumental vorwärts, fast als wäre da ein apokalyptischer Reiter hinter ihm her, hart und irgendwie elektronisch verzerrt, um zuletzt wieder mit dem anfänglich sanften Synthieteppich den Kreis zu schließen. Die Version davon „À mes Anciens“ ist dann ein erster Höhepunkt. Rico O.B.F zieht den Riddim in die Länge und erzeugt dabei eine drückende Stimmung voller innerer Unruhe, der man sich nicht entziehen, sondern hingeben will und was er da mit den Reglern und Drehern am Mischpult und an den Effektgeräten alles macht, würde ich gerne einmal Live erleben. Zeitweise ist es nur noch am Rauschen und Vibrieren, groß. Er ist mutig, wagt etwas und gewinnt meiner Meinung nach auf der ganzen Linie, da er die Hörer:innen wirklich überrascht und ihnen einiges abverlangt. Bei mir geht es aber immer nur so weit an die Grenze, dass ich voll dabei bleibe. Nie wird es mir zu viel. Mit dem unverschämt poppigen und dancehallartigen Beginn von „The Vibe“ folgt erneut ein Bruch, der erst irritiert, sofort aber mitnimmt und die gewisse Schwere von davor komplett vergessen lässt. Kurve gekratzt. Überraschenderweise ertappe ich mich dabei, wie ich diese elektronische Bassline richtig fühle. Danach wird es mit dem „Mr Officer“-Riddim thematisch militant und es geht soundmässig wieder härter zur Sache. Hört selbst in diese immer wieder sehr guten, aussagekräftigen und interessanten Mixes und Effektpassagen rein. Ich bin hin und her gerissen und doch zuletzt fasziniert immer wieder auf dieses Album zurückgekommen und bin mir sicher, dass dieser Sound eher polarisiert als vereint. Rico versteht sein Handwerk bis ins letzte Detail und liefert hier eine überdurchschnittlich gute und außergewöhnliche Arbeit ab. Dafür kann es nur ein „Sehr gut“ geben! Und doch fehlt beim fünften Stern die eine Hälfte!
Schon der große Pablo Picasso wusste: „Gute Künstler kopieren. Große Künstler stehlen“. Oder wie wir Deutschen sagen: „Gut geklaut ist besser als schlecht selbst gemacht“. Der Kreative nennt diesen Prozess „Inspiration“. So ähnlich muss wohl „Ono-Sendai Sound Battles The Root Of All Evil“ entstanden sein. Der in Tilburg (NL) lebende Multiinstrumentalist, über den so gut wie nichts in Erfahrung zu bringen ist, liefert uns hier einen Sound, man könnte auch sagen eine Reminiszenz an längst vergangene Zeiten und verstorbene Helden dieses Genres. Insbesondere an King Tubby, Yabby You, Roots Radics, Lee Perry, Joe Gibbs, Scientist, Errol T und so viele andere, denen wir diese wunderbare Musik verdanken. Ein kreativer Prozess wie die Entstehung eines so großartigen Albums findet nie im luftleeren Raum statt. Vielmehr ist das Ergebnis dieses Weges die logische Folge einer Verkettung von Eindrücken, die der Künstler sammelt und mit seinen Erfahrungen in Einklang bringt. Wenn man zum Beispiel ganz normal Musik hört, werden diese Eindrücke als unbewusste Wahrnehmungen im Gehirn abgespeichert. Kreative Menschen wie Ono-Sendai Sound scheinen diese Dinge aufzusammeln, wie ein Eichhörnchen, das Nüsse hortet, um sie dann abzurufen, wenn sie gebraucht werden. Aber viel wichtiger ist natürlich die bewusste Inspiration durch aktives Beobachten und Zuhören weit über den eigenen Tellerrand hinaus. So oder so ähnlich muss Ono-Sendai Sound vorgegangen sein. Für „Battles The Root Of All Evil“ hat er sich einige Reggae-Klassiker von Johnny Clarke, Peter Tosh, Eek-A-Mouse, John Holt, Gregory Isaacs und anderen vorgenommen und daraus ein zeitgemäßes, packendes Dub-Album gemacht. Die Riddims sind nach wie vor unübertroffen und die Textsamples untermalen diesen atemberaubenden Mix. Hall getränkte Percussions bahnen sich ihren Weg durch einen dichten Schleier aus Echos und Hall. Selbstverständlich bilden auch hier Bass und Schlagzeug das Rückgrat dieser detailverliebten Produktion. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf jeden einzelnen Track speziell eingehen, denn für mich zählt der Gesamteindruck des knapp 35-minütigen Albums, das es in diesem noch jungen Jahr bereits in meine engere Auswahl für die Jahresbestenliste geschafft hat. Abschließend muss ich doch noch einen Track erwähnen, „Rich Mans Curse Dub“, weil er mich mit diesem permanent bedrohlichen Geräusch eines kreisenden Hubschraubers irgendwo fesselt und gleichzeitig schlimme Erinnerungen an die Berichterstattung über den Vietnamkrieg weckt. Eine eindringlichere Version von „Police in Helicopter“ habe ich bislang noch nicht gehört.
Obwohl die Original Skatalites mit dem Posaunisten Don Drummond nur von Mai 1964 bis August 1965 existierten, nehmen sie einen fast mystischen Platz in der vielfältigen Musikgeschichte Jamaikas ein. Zehn Jahre nach dem Tod Don Drummonds und dem traurigen Ende der Skatalites trommelte der Bassist Lloyd Brevett einige seiner ehemaligen Bandkollegen zu einer Reunion zusammen. Produziert wurden die Sessions von Lloyd Brevett und Glen Darby, der bereits mit 14 Jahren für Coxsone Dodd bei Studio One sang und Mitglied der Scorchers war. Der harte Kern der legendären Skatalites bildete die Kernbesetzung für dieses Projekt: Lloyd Brevett, Lester Sterling, Rolando Alphonso, Tommy McCook und Jackie Mittoo. Doch damit nicht genug, auch die besten Studiomusiker der Zeit wie Horsemouth Wallace, Benbow Creary, Augustus Pablo, Chinna Smith, Ernest Ranglin waren mit von der Partie, und Don Drummonds Posaune wurde durch Vin Gordon ersetzt. Aber der größte Coup war meiner Meinung nach das Hinzufügen der Sons Of Negus Nyahbinghi Dummer Bongo T, I-Marts und Sidney Wolf. Lloyd Brevett wollte einen Sound, wie er ihn als Jugendlicher bei den Grounations in den Rasta Camps von Wareika Hills und Bull Bay erlebt hatte, denn diese Chanting und Reasoning Sessions waren sowohl musikalisch als auch mental prägend für ihn. Lloyd entwickelte für die bevorstehenden Studio-Sessions die Melodien und Rhythmen zusammen mit Tommy McCook während einiger Jam-Sessions in seinem Haus in der Henderson Avenue, Waltham Park Road. An den Sessions sollen bereits die Nyahbinghi Drummer teilgenommen haben. Danach ging es zuerst ins Black Ark Studio, wo drei Titel des Albums aufgenommen wurden. Brevett erinnert sich, dass er, McCook und die Nyahbinghi Drummer von Benbow Creary, Augustus Pablo und Chinna Smith begleitet wurden. Die restlichen fünf Stücke des Albums wurden im Aquarius Studio von Herman Chin Loy aufgenommen. Im Aquarius wurde die Liste der Musiker um Rolando Alphonso, Lester Sterling und Johnny Moore erweitert. Ernest Ranglin ersetzte Chinna Smith, und Benbow wurde durch Leroy „Horsemouth“ Wallace ersetzt. Das Album wurde 1976 mit dem Titel „The legendary Skatalites“ veröffentlicht. Spätere Ausgaben hießen schlicht „African Roots“. Einige Zeit später erschien in England die Dub-Version des Albums unter dem Titel „The Skatalites: Herb Dub – Collie Dub“ in einer Miniauflage von 200 Stück. Die im Black Ark produzierten Bänder waren zu King Tubby in die Dromilly Avenue, Kingston 11, gebracht worden, der daraus drei fantastische Dubs machte. Bei den im Aquarius Studio aufgenommenen Instrumentalspuren schlug Lloyd Brevett vor, die Dubs direkt von Herman Chin Loy abmischen zu lassen. Doch Clive Hunt bestand darauf, dass die Abmischung zwischen ihm und Karl Pitterson aufgeteilt wurde. Obwohl das Album in zwei grundverschiedenen Studios aufgenommen wurde, ist der Sound homogen, komplex, tiefgründig und von höchster musikalischer Qualität. Glen Darby erinnert sich, dass es für die Musiker, die an diesem Album beteiligt waren, immer mehr als nur eine weitere Aufnahmesession war. „Sie haben es nicht wirklich wegen des Geldes getan. Sie wollten die Band, die Skatalites, wiederbeleben.“ Es wurde ein Reunion-Album, denn drei Jahre später waren die Skatalites wieder auf Tour. Auf jeden Fall klangen die Aufnahmen der Skatalites weder vorher noch nachher so wie auf diesem Album. Das ist kein Ska, das ist echter Nyahbinghi Roots Reggae Dub von seltener Qualität, wunderbar gespielt und abgemischt. Ein essenzielles Album, das von LB Records/Studio 16 endlich wieder auf Vinyl veröffentlicht wird und unbedingt in jede Sammlung gehört.
⭐⭐⭐⭐⭐
Bewertung: 5 von 5.
Zur Info: Da ich die Neuveröffentlichung von 2024 auf keiner Streaming-Plattform finden konnte, musste ich leider auf die Compilation der Veröffentlichung von 2001 zurückgreifen, was aber meiner Meinung nach nicht weiter tragisch ist, denn darauf wird noch weit mehr geboten.
Was für ein schönes Album: Hornsman Coyote Meets House of Riddim, „Madman Slide“ (House of Riddim)! Eines der beeindruckendsten Werke, die ich in den letzten Wochen gehört habe. Die Rhythms sind satt, dynamisch, voller Wärme und Emotion – und dazu dieses beeindruckende Lead-Instrument: die Posaune. Sie klingt einfach majestätisch. Wahrscheinlich liegt es an ihrer dunklen Klangfarbe und dem relativ hohen Tieftonanteil im Vergleich zur Trompete, dass sie so warm, entspannt und souverän klingt – genau das, was perfekt zu Dub passt. Kein Wunder, dass auch die Band Message jüngst die Posaune als Lead-Instrument einsetzte. Hornsman Coyote zeigt uns, wie vielseitig das Instrument sein kann: mal sanft und groovend, mal energetisch und treibend. Manchmal umschmeichelt sie den Rhythmus, manchmal klingt sie wie die Posaunen von Jericho. Sieben Tage lang Posaunenspiel lässt die stärksten Mauern einstürzen – so behauptet es die Bibel. Hornsman spielt die Posaune 11 Tracks lang, was sich auf 43 Minuten addiert, bei der richtigen Lautstärke aber auch Wände wackeln lässt. Wichtig: Wer bei „Instrumentalalbum“ und „Posaune“ an Dean Frasers Saxophon-Exkursionen denkt, braucht hier keine Angst zu haben. Anders als bei Fraser, wo das Saxophon oft etwas isoliert über den Rhythms schwebt, interagiert Hornsmans Posaunenspiel harmonisch mit den Backings, ist darin geradezu eingebettet und verbindet sich organisch mit den Rhythms, ohne je aufdringlich zu wirken. Dazu wendet Hornsman einen cleveren Trick an: Er spielt die Posaune häufig auf zwei Spuren, die im Mix übereinander gelegt werden, was das Instrument weicher und sanfter klingen und es noch stärker mit den Rhythms verschmelzen lässt. Aber all das wäre nur halb so beeindruckend ohne die grandiosen Backings von House of Riddim. Diese österreichische Band gehört wirklich zu den Besten – ihre Produktionen sind handwerklich meisterhaft und zeigen, wie gut Reggae und Dub klingen kann.
Jekaterinburg ist mit 1,5 Millionen Einwohnern die viertgrößte Stadt Russlands. Benannt nach der Zarin Katharina I. und der Schutzpatronin der Bergleute, der heiligen Katharina, liegt sie an der Transsibirischen Eisenbahn und bildet die imaginäre Grenze zwischen Europa und Asien. Ausgerechnet aus dieser für uns ziemlich abgelegenen Ural-Region kommt die 2008 gegründete Ska-Band Lollypop Lorry. Das Logo der Band zeigt den Lollypop Lorry – einen UAZ 452 Buchanka, die russische Antwort auf den Wolfsburger Bus & Lieferwagen (Bulli).
Die Erstveröffentlichung von Lollypop Lorry: Goes Dub (Jump Up! Records) im Jahr 2020 hat der Dubblog ebenso wie die Wiederveröffentlichung im Jahr 2022 komplett verschlafen. Aber besser spät als nie stelle ich euch dieses Album, das zwischen August 2018 und Oktober 2019 entstanden ist, kurz vor. Ein Album, das bei mir aktuell wirklich angesagt ist. Von den neun Titeln sind gleich acht Jazzstandards, die das Ska, Reggae/Dub & Latin Jazz Ensemble kongenial für unsere Ohren tiefer gelegt hat. Gemixt wurde das Album von Victor Rice in seinem Studio Copan in São Paulo. Die Dubs stammen von Ivan Gogolin, der das Album zusammen mit Maxim Koryagin produziert hat. Die beiden Musiker sind auch für die Arrangements verantwortlich, die sehr abwechslungsreich daher kommen. Den Anfang macht ein Miles-Davis-Standard, gefolgt von „Dizzy Dub“ nach einer musikalischen Vorlage des Trompeters Dizzy Gillespie. Das Schönste daran ist, dass die Band die Bassline von Aston Barrett aus „Lively Up Yourself“ nahtlos eingebaut hat. Einfach magisch! John Coltranes „Blue Train“ wird mit einer Reminiszenz an „Love Supreme“ zum „Dub >7< Train“. Das absolute Highlight des Albums ist für mich „Take Faya“, wo wir neben dem alten Dave Brubeck/Paul Desmond Klassiker „Take Five“ auch „Dub Fire“ von Aswads: A New Chapter of Dub zu hören bekommen. Was soll ich noch viel sagen? Sowohl die Basslines als auch die Dubs gefallen mir auf ganzer Linie – kurzum ein tolles Album, das ich viel zu spät entdeckt habe.
Es ist wieder so weit: Wir servieren euch unsere Dub-Top 5 des zu Ende gehenden Jahres. Wie ihr seht, zählt bei uns Diversity. Wie sollte es bei einem so facettenreichem Genre auch anders sein? Wir sind auf eure Kommentare gespannt.
Dreadsquad is back – und so ganz anders, als erwartet. Erwachsen geworden! Schöne, inspirierte Instrumentals, superb ausgeführt und mit perfekten Sound.
Platz 1 geht diesmal nach… Bayern! Adubta verwandelt ein eher jazzig gehaltenes Album der Grazer Roots Organisation in ein basslastiges Monster mit Mörder-Dynamik. Schmäh-ohne!
Ras Teo, Zion I Kings und Lone Ark machen gemeinsam Musik – das konnte wenig überraschend nur gut gehen, sowohl in der Vocal- als auch in der Dub-Version. Das gilt für Teil 1 der Aufnahmesession…
… als auch für Teil 2. Bei beiden Alben treffen die Melodien von Ras Teo auf die musikalischen und produktionstechnischen Qualitäten von Roberto Sanchez, David Goldfine und Laurent Alfred, die sich hier wunderbar ergänzen.
Wer’s eher knackig-rockig mag, kommt an Sam Gilly’s House of Riddim nicht vorbei – das gilt auch für diese Kollaboration mit Posaunisten Hornsman Coyote. Da wird auch nicht mit Effekten gegeizt!
Da hat uns Prince Fatty tatsächlich 13 Jahre auf die Dub-Version von Little Roy’s ebenso feinem wie kuriosem „Battle for Seattle“-Album warten lassen. Wie konnte er nur!
Dieses Werk dreht am meisten Runden auf meinem Teller. Gross! Seit der Veröffentlichung „Zipporah“ (2020) bin ich dem Sound und der Magie von Emanuel & The Bionites verfallen. Kaum zu glauben, dass diese Musik Made in France ist.
Eine Compilation, die das beste und ausgesuchte Versionen und Mixes vom Blackbeard aus den Jahren 1976 – 1980 versammelt und das Sufferer Sound System nochmals hochleben lässt. Relevant.
Mein Dub-Jahr 2024 geht eindeutig an Frankreich. Das Label BAT Records und die Dub Shepherds stehen für unglaublich gute und hochstehende Reggae- und Dub-Produktionen, die mich in den meisten Fällen vollumfänglich überzeugen.
‚Welche Wüste?‘, frage ich mich gerade. Ist eventuell die Dub- und Reggae-Wüste Polen gemeint? Keine Ahnung und egal, denn dieses instrumentale Album ist Reggae-Dub-Ethio-Jazz vom Feinsten. Orgel, Saxophon, Flöte, Melodica (gehört einfach dazu) und gutes Arrangement stechen für mich heraus…
Das Label Echo Beach hatte ja schon immer eine Vorliebe für historisches Dub-Material im Crossover-Bereich, und ich muss sagen, die Tracks auf dem Album „In Dub, Vol. 1“ von Statik Sound System passen perfekt ins Label-Repertoire. Statik Sound System war eine Trip-Hop-Band aus Bristol, die Mitte der 90er vier Alben und ein paar Singles veröffentlicht hat. Echo Beach hat sich durch dieses Archiv gewühlt, die neun dub-kompatibelsten Tracks herausgefischt und auf ein Album gepackt. Die meisten davon sind zwar kein klassischer Reggae (dafür gibt’s aber vier Drum ’n’ Bass-Tracks), aber wenn man – wie ich – z. B. Dreadzone oder More Rockers mag, kann man auch mit dem Statik Sound System einiges anfangen. Ihr bekanntester Track, „Revolutionary Pilot“, der durch die DJ-Kicks-Compilation von Kruder & Dorfmeister weltweit bekannt wurde, ist auch hier ein zentraler Punkt. Mehrere Remixes, darunter einer von More Rockers und eine Version von Rob Smith, sorgen für Abwechslung. Das Album ist für mich eine sentimental-nostalgische Reise in die Vergangenheit, in eine Zeit, in der diese Sounds echte Avantgarde waren. Tracks wie „Secret Love“, „Free to Choose“, „Vacuum“ und das emotionale „So Close“ klingen so wunderschön nach den 1990er Jahren – und zeigen zugleich die ganze Bandbreite der Band. „In Dub, Vol. 1“ ist ein Erinnerungsstück an eine Ära, in der fette Beats, verträumte Melodien und das Spiel mit Dub-Rhythmen die Musikwelt verzauberten. Ja, der Sound ist eindeutig historisch, aber irgendwie klingen die Tracks in meinen Ohren trotzdem noch frisch. Vielleicht liegt es daran, dass es eben kein klassischer Dub ist, sondern eher ein stilistisch nicht ganz so leicht verortbares Dub-Experiment.