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Rezin Tooth: Rezin Tooth

Zu meiner Freude gibt es momentan faszinierende Dub-Projekte en masse. Vor einigen Wochen bin ich auf ein Seitenprojekt der Polyrhythmics, einer achtköpfigen Funk- und Worldbeat-Gruppe aus Seattle aufmerksam geworden. Das Mastermind und Keyboarder der Gruppe Nathan Spicer hat zusammen mit dem Bassisten Jason Gray ein Dub-Album abgemischt und mit dem Titel Rezin Tooth: „Rezin Tooth“ (Wax Thematique) unter die Dubheads gebracht. Ursprünglich waren laut Herrn Spicer die Dubs aus Spaß an der Freude entstanden und eine Veröffentlichung des Albums war nie vorgesehen. Erfreulicherweise hat man sich doch eines Besseren besonnen und das Dub-Experiment nun doch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wer die zwei Herren hinter dem Mischpult inspirierte, ist nicht zu überhören. Die üblichen Verdächtigen: King Tubby, Lee Perry, Scientist und die großen Sound-Engineers des frühen jamaikanischen Dub, sind zweifelsfrei die Vorbilder und lieferten die dubbigen Blaupausen. Der Bass wummert, die Drums sorgen für einen gesunden Heartbeat und klingen stellenweise knochentrocken, die Orgel liefert einen warmen, relaxten Sound und das „Gebläse“ blitzt gelegentlich widerhallend durch die „Dub-Wolken“. Nathan Spicer und Jason Gray scheinen an ihrem Projekt richtigen Spaß gehabt zu haben, denn bei jedem Titel loten sie das Potenzial des Dubbings von neuem aus. Dass die musikalischen Vorlagen der Dubs ursprünglich Tracks mit Funk- und Afrobeatrhythmen gewesen sein sollen, ist bei diesem Endprodukt kaum vorstellbar. Vive la différence!

Randnotiz: Sieben der insgesamt acht Tracks haben eine exakte Länge von 4:20 Minuten. Ob das einen tieferen Sinn hat, hat sich mir bisher leider nicht erschlossen.

Bewertung: 4 von 5.

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Five Star Review

Christos DC: Tessera Dub

Es gibt sie tatsächlich noch, die Dub-Alben, denen ein originäres Vokal-Pendant vorausgeht. Die Rede ist von „Tessera Dub“ (Honest Music), das Dub-Album eines Christos DC, einem amerikanischen Multiinstrumentalisten mit griechischen Wurzeln. Sowohl für die Gesangsparts des Vocal-Albums „Tessera“ als auch für die Dub-Mixes hat Christos DC jede Menge illustre Gäste geladen und das Tolle daran ist, alle haben einen fantastischen Beitrag abgeliefert. Von den insgesamt 12 Tracks des 2017er Albums, wurden fünf Laurent “Tippy I” Alfred fürs Mixing überlassen. Er macht – wie immer (z. B. Dub Chronicles, Akae Beka) – seine Sache perfekt und liefert abgespeckte Tracks mit sattem Bass und Drums. Der relaxte „What Is Happening Dub“ überzeugt mit den ätherischen Vokal-Fragmenten eines Akae Beka (Vaughn Benjamin) und den über den satten Riddims schwebenden Effekten. Insgesamt gefallen mir alle Dubs, die unter der Obhut von Tippy I entstanden sind. Aber auch alle anderen Sound-Engineers, wie z. B. Mad Professor (GB), Jah Servant (CDN), Dub Architect (USA), Paolo Baldini (I), Mr. B (CH) begeistern mit gutem Handwerk und liefern allesamt packende, sehr relaxte Dubs – für einige möglicherweise zu relaxt. Paolo Baldini (Ex-Africa Unite) wurde „Boots & Tie“ zur Bearbeitung übertragen. Der Riddim aus dem Jahr 1980 stammt unüberhörbar von Sly & Robbie. Paolo Baldini mischt daraus den „Boots & Tie Dub“, als wäre er schon immer Teil der Taxi-Gang. Der crispe Mix erinnert tatsächlich an die frühen Arbeiten eines Scientist. Bei „Desperate Dub“, einem Nina Simone Original, zeigt der in Kanada ansässige Jah Servant (Mark Giles) sein Können.

Christos DCs „Tessera Dub“ begeistert mich auf allen Ebenen. Ein brillantes Werk, das unterschiedlichste Dubs aus den verschiedensten Regionen der Erde repräsentiert und dennoch als in sich geschlossenes Gesamtwerk erstrahlt. Meine Hochachtung geht an alle, die an diesem Projekt beteiligt waren und ein solch abwechslungsreiches Album auf die Beine gestellt haben.

Bewertung: 5 von 5.

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Stefanosis meets Samson Benji: Brass Echo Chamber

Die zyprischen Dubophonic Records haben gerade ein Instrumental-Album wiederveröffentlicht, das bereits in den frühen 2000ern von den mittlerweile nicht mehr existierenden Springline Records heraus gebracht werden sollte: Stefanosis meets Samson Benji: „Brass Echo Chamber„. Die Online-Veröffentlichung war bereits damals gescheitert und so ist das Album in Vergessenheit geraten. Viele Jahre haben die verschollenen Originalaufnahmen auf einer CD ein Schattendasein gefristet, bis sie nun wiederentdeckt wurden. Der Amerikaner Stefanosis aka Steve Steppa hatte einst im Alleingang sämtliche Instrumente für diese Low-Fi-Produktion eingespielt. Anschließend bekam Samson Benji – ein Musiker aus Freiburg i. Br. – die Aufnahmen, um die Saxofonpassagen darüberzulegen. Das Gesamtpaket ging dann an Gibsy Rhodes aus Korsika, der Mann hinter Springline Records. Nach Zugabe einiger Effekte und schöner Samples, masterte er das Ganze zum endgültigen Album. Nun hat sich Stefanosis der wieder gefundenen Musikdateien angenommen, sie gründlich überarbeitet und einige Audiopegel mithilfe moderner Technologie angehoben. Fast zwanzig Jahre nach der eigentlichen Veröffentlichung erstrahlt die „Brass Echo Chamber“ aufpoliert und gereinigt in neuem Licht.

Trotzdem kann mich das nur 25 minütige Album nicht so recht überzeugen. Es hat einen Schwachpunkt, den fast alle „Saxofon-Reggae-Alben“ haben: Es klingt ein wenig zu brav, zu bieder. Die Kürze des Albums hat hier sogar etwas Positives, sie macht das Opus in einem Rutsch hörbar, ohne dass Langeweile aufkommt. Gleich beim ersten Titel „Brass Down Babiwrong“, ein Remake des Traditionals „Rastaman Chant“, bekommen wir in typischer Bunny Lee/King Tubby Manier die Flying Cymbals auf die Ohren. Der klassische Tubby Sound zieht sich wie ein roter Faden durch (fast) alle Aufnahmen. Ein Dub-Feuerwerk oder wenigstens ein paar spannende, dubbige Sound-Effekte bekommen wir hier aber nicht so recht geboten. Die sieben Tracks klingen eher wie „ausgegrabene“, leicht angestaubte Bunny Lee/King Tubby meets Tommy McCook Aufnahmen. Für mich ist „Brass Echo Chamber“ immerhin ein grundsolides, unspektakuläres Album mit einigen sehr interessanten Passagen, nicht mehr aber auch nicht weniger.

Bewertung: 3 von 5.
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Elite Beat: Selected Rhythms

Gleich vorweg, mit Reggae-Beats hat dieses Album nichts am Hut, mit Dub jedoch sehr wohl. Meine Empfehlung heute sind Elite Beat mit ihrem aktuellen Album aus 2019 „Selected Rhythms“ (Research Records). Elite Beat ist ein Musikerkollektiv aus Portland, USA, das sich auf eine berauschende Mischung aus Ethio(pian) Jazz, afrikanische Rhythmen, Mali-Blues, Tuareg-Gitarrenmusik und Black Ark Psychedelia spezialisiert hat. Mit ihren kraftvollen melodischen Basslines und percussiongetriebenen Polyrhythmen kreieren sie ekstatische Kompositionen mit magischen Hornpassagen und spannender Juju-Gitarre, die die Sinne beleben. Der Fokus liegt dabei sehr stark auf live eingespielten Tracks, Dub-Effekten und dem Einsatz des Tonstudios als zusätzliches Instrument, was de facto den Dub-Gedanken ausmacht. Die Herangehensweise der Musiker ist so entspannt wie diese Musik, die wieder so richtig in keine Schublade passt. Die Musiker-Clique trifft sich einmal die Woche, um abzuhängen, sich auszutauschen, Musik zu machen und ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Die Bandmaschine läuft, es wird locker gejamt und ordentlich Dub-Elemente (in Echtzeit) beigemischt. Dabei können eigentlich nur solche geile, entspannte Tracks entstehen. Auf „Selected Rhythms“ sind nun acht der besten Werke von Elite Beat versammelt. Eine wohltuende Abwechslung.

Bewertung: 4 von 5.
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Five Star Review

Youthie & Macca Dread: Nomad Skank

Wenn wir im Reggae von Trompete sprechen, fallen uns spontan zwei, drei Namen ein: Johnny „Dizzy“ Moore, Bobby Ellis und David Madden. Seit dem ersten Album „Silver Wind“ von Juliette Bourdeix aka Youthie aus 2018, können wir die Liste um eine Interpretin erweitern. Youthie begann mit 6 Jahren das Trompetenspiel und startete mit 17 Jahren das Studium der klassischen Trompete am Pariser Konservatorium, wo sie heute selbst als Professorin arbeitet und das Trompetenspiel lehrt. Bei Ibrahim Maalouf, einem französisch-libanesischen Jazz Trompeter und Komponisten absolvierte sie außerdem eine Jazz- und Improvisationsausbildung. Im Sommer 2019 erschien nun Youthie & Macca Dread „Nomad Skank“ (Youtie Records), ein Instrumental-Dub-Album mit vielen Inspirationsquellen: Reggae, Rocksteady, Ska, Jazz, Balkan, orientalische, jüdische (Klezmer), spanisch-andalusische und klassische Musik. Sowohl Youthie mit ihrer Trompete und zahlreichen, melodischen Arrangements, als auch Dubmaster Macca Dread mit seinem Mix, wissen hier zu beeindrucken. Auf den 16 Tracks des Albums sind die orientalischen Einflüsse auf Tracks, wie „Oriental Skank“ oder „Monkey Temple“ mit wunderschönem Flötenspiel, sehr schön zu hören. Aber auch der klassische Roots-Reggae wie bei „Double Rainbow“, „The Wild Horn“ und „Irie Land“ kommt keineswegs zu kurz. Andalusisch-spanisch klingt es bei „Al-Andalus“, Swing-jazzig bei „Swing City“, kubanisch bei „Jaruco“ und asiatisch bei „Pagoda“. Kurz, eine bunte Mischung verschiedenster musikalischer Stilrichtungen, die jedoch allesamt vom Reggae und Dub inspiriert und geerdet sind. Eine exzellente musikalische Weltreise im Reggaebeat wie aus einem Guss.
Das Album ist extrem gut arrangiert und keine einzige Sekunde langweilig. Mir bereiten vor allem die orientalischen Themen richtig Spaß und machen gute Laune. Youthie mit ihrem berühmten orientalischen Trompeter und Lehrmeister Ibrahim Maalouf zu vergleichen, fällt mir hier nicht allzu schwer. Dennoch trägt „Nomad Skank“ die ganz persönliche Handschrift von Youthie & Macca Dread.

Auf dem Album sind übrigens auch die beiden Schwestern von Youthie, Jalaya (Alice Bourdeix) an der Flöte und Clara (Bourdeix) an der Geige vereint. Die Riddims hat Macca Dread in seinem Studio im Alleingang angefertigt. „Nomad Skank“ ist ein fast übersehenes Glanzlicht am Reggaehimmel und spiegelt einen kulturellen Mix, der den wahren Reichtum der Menschheit ausmacht.

Bewertung: 5 von 5.
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Dubsalon: Selected Dub Cuts

Der Untergrund schläft nie. Viele Dubmaster erfinden zu meiner Freude das Genre immer wieder neu. So auch Emiliano Gomez aka Dubsalon, ein Produzent und Soundengineer aus Cordoba, Argentinien. Den größten Teil seines Lebens verbrachte er in Europa, bevorzugt London, wo er das Handwerk des Toningenieurs erlernte. Die 2019 erschienene Workshow „Selected Dub Cuts“ (Dubmission Records) bringt einen repräsentativen Überblick seines Oeuvres und umspannt seine Schaffensperiode von 2009 – 2019. Die ganz frühen Aufnahmen aus 2009 sind noch unter dem Namen Raroyloco erschienen. Das vorliegende, knapp zwei Stunden (23 Tracks) lange Album, begeistert mich seit Tagen. Wir hören den Sound Jamaikas in alter Dub-Tradition, sowie ein breites Spektrum verschiedener Stile, Tempi und Vocal-Hooks. Im Grunde ist das Album eher im Psydub oder Ambient-Dub zu verorten, einer Fusion der elektronischen Musik, die ihre Wurzeln tief in psychedelischer Trance, Ambient- und Dub-Musik hat.
Der Dub-Liebhaber bekommt auch auf dem Album alles geboten, was sein Herz begehrt. Dazu gehören satte, melodische Basslines, tiefe Reggae-Roots, reichlich Echo, Reverb, Delay sowie gelegentliche Gesangs-Fragmente. Was mir persönlich ganz besonders am Psydub gefällt, sind die sehr stark von der indischen Musik beeinflussten Sound-Elemente. Wenn eine Sitar und Tablas erklingen, bin ich hin und weg. Summa summarum kann ich dem ersten Track des Albums nur beipflichten, this workshow is „properly rolled“.

Bewertung: 4 von 5.
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Five Star Review

Mute Beat: In Dub

Guter, gerne auch „schräger“ Dub geht bei mir (fast) immer. Heute präsentiere ich einen längst verschollenen Klassiker. Eine 1985 erstmals veröffentlichte Musik-Cassette von Mute Beat, Japans erster Dub-Band, die (leider) nur von 1982 bis 1989 existierte. Das Erstlingswerk „Mute Beat: In Dub“ (ROIR; Reachout International Records) wurde im Laufe der Jahre unter den unterschiedlichsten Titeln veröffentlicht: Tra Special Mute Beat (1985); Japanese Dub (1986); No. 0 Virgin Dub (1990) und In Dub (1996). Auf „In Dub“ bekommen wir eine Vielzahl von verschiedensten Ingredienzen zu hören, die schon auf das sehr breite musikalische Spektrum der Band hindeuten. Der Sound ist sowohl von traditioneller japanischer Musik, als auch Dub-Einflüssen, Reggae, Funk und elektronischer Musik, gemischt mit Jazz und dem Klang einer marschierenden Blaskapelle stark geprägt. Mute Beat schufen damals einen Klangkosmos, den so noch wenige zuvor gehört hatten und bewegte sich damit am Rande aller bestehenden Musikgenres. Bereits die ersten beiden Titel des Albums: „Metro“ und „Fiolina“, eine melancholische, reggaeeske Jazz-Nummer, zeigen die Musikalität und Virtuosität der Band. „Mix Up“, der einzige Track mit Vocals, ist dem Reggae noch am nächsten und verweist eindeutig auf den jamaikanischen Einfluss. Bei „Downtown“ sind dann schon wieder der funky Groove und die unverwechselbaren Drum-Patterns eines Roland TR-808 im wahrsten Sinne tonangebend. Diese sechs Japaner passen bis heute in keine Schublade und setzen sich zwischen alle Stühle. Das live entstandene und recht dumpf, wie ein Audience Mitschnitt klingende „Break A Road“, hört sich zu Beginn des Tracks dann eher wie eine ziemlich abstrakte Interpretation von Horace Andys „Money Money“ an. Der unangefochtene Höhepunkt dieses einzigartigen Albums ist für mich zweifellos „Dub No. 5“. Mute Beats eigenwillige aber äußerst hörenswerte Interpretation des alten Dave Brubeck Klassikers „Take Five“.
Obwohl auch wegen der fetten Bass-Lines und Drums, die Musik tief im authentischen Reggae/Dub verwurzelt ist, sprudelt dank des Posaunisten und der glasklaren, an Miles Davis erinnernden Trompete von Kazufumi Kodama, dem Kopf der Band, immer wieder Jazz an die Oberfläche. „Mute Beat: In Dub“ ist ein unglaublich beeindruckendes Album, das immer noch die Aufmerksamkeit auf sich zieht, die es bereits vor vielen Jahren verdient gehabt hätte.
Übrigens, auf dem gesamten Album gibt es keine einzige Gitarre zu hören. Außergewöhnlich!

Bewertung: 5 von 5.
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JA-13 Cooperative Presents Rico Rodriguez: Rico – Order Of Distinction

Die in London ansässige JA-13 Cooperative sind im Kern Richard Drury und Keith Finch. Beides keine unbeschriebenen Blätter: Richard Drury galt in den 90ern als einer der vielversprechendsten Songwriter Englands und der Multiinstrumentalist Keith Finch spielte bereits in einigen (Ska)Bands. Zusammen haben sie nun „JA-13 Cooperative Presents Rico Rodriguez: Rico – Order Of Distinction“ (Jamdown Records) produziert. Die Studio-Sessions mit dem 80-jährigen Rico begannen 2014, mussten jedoch bald abgebrochen werden, weil Rico schwer erkrankte und an den Folgen im September 2015 in einem Londoner Krankenhaus verstarb. Drury und Finch ließen dann die Aufnahmen fast 5 Jahre liegen, bis sie endlich doch noch mit dem Fan ein Einsehen hatten und Ricos allerletzte Aufnahmen im Frühjahr 2019 veröffentlichten. Das 9-Track-Album trägt den mehr als passenden Titel „Rico: Order of Distinction“. Rico erhielt 2007 für seine Verdienste um die Musik den britischen Orden „Member of the British Empire“ (MBE) und im Oktober 2012 wurde ihm dann vom Institute of Jamaica die „Silver Musgrave Medal“ für seine herausragenden Dienste für Jamaica verliehen.

Das Alterswerk beginnt gleich mit einem echten Ska-Scorcher „Gold Rush“, der sofort mächtig in die Beine geht. Beim Rest der Tracks geht’s dann – altersbedingt – gemächlicher zur Sache. Rico führt mit seinem weichen, unverkennbaren Posaunenspiel den Hörer durch sämtliche Gefilde jamaikanischer Musik. Von afrikanischen Einflüssen, Burru-Drumming bis Jazz-Anleihen wird dem Hörer alles geboten. „Hold Him Joe“ und „Ninety And Nine“ sind Überarbeitungen von Standards aus Ricos sehr frühen Tagen, als er an der Alpha Boys School noch Posaunenunterricht erhielt. Selbstverständlich sind auch die verbleibenden Instrumentalstücke absolut hörenswert. Emmanuel „Rico“ Rodriguez demonstriert uns ein letztes Mal sein meisterhaftes Posaunenspiel in vollen Zügen, als hätte er bei den Sessions bereits geahnt, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt. Das kurzweilige Album endet mit dem „Mountain Mix“, ein Wiederhören des zeitlosen Instrumentals aus dem 2006 von Drury und Finch produzierten Album „Wareika Vibes“. Wie viele Overdubs schlussendlich für „Rico: Order of Distinction“ nötig waren, ist sekundär, am wichtigsten ist doch das Endergebnis und das ist überzeugend. „Rico: Order Of Distinction“ ist kein reines Instrumentalalbum geworden, denn Dubtechniken kamen beim Abmischen doch zum Einsatz, wenngleich nicht allzu opulent.
Drury und Finch haben sich für diese crispe Produktion die nötige Zeit gelassen und so Ricos Musik ein allerletztes Mal die gebührende Wertschätzung und Hochachtung erbracht.

Bewertung: 4 von 5.
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Five Star Review

Natural Numbers: Field Reality Dub

Nach langem Überlegen habe ich mir das zweite Album der Natural NumbersField Reality Dub“ (Stones Throw) vorgenommen. Es handelt sich dabei um ein Projekt von Tom Chasteen, einem amerikanischen Musikclub-Besitzer, Reggae-Produzenten und (Hobby)Mixing-Engineer aus Los Angeles. Das bereits 2015 erschienene Album der Natural Numbers (Natürliche Zahlen) wurde größtenteils im klassischen Reggae Vintage-Stil abgemischt. King Tubbys Einfluss offenbart sich besonders auf der ersten Seite des Albums. Beim zweiten Teil dieses zehnteiligen Sets betritt Tom Chasteen jedoch unüberhörbar Neuland. In einer Pressemitteilung des Labels beschreibt er diesen Umstand, als „das Eindringen eines neuen Lichts“. Die klassischen Riddims sind für amerikanische Verhältnisse richtig heavy ausgefallen und wurden von einer Band mit Musikern von Wilco und Mazzy Star sowie dem legendären jamaikanischen Bassisten George „Fully“ Fullwood von Soul Syndicate eingespielt. Zu den Vokalgästen des Werks gehören Lone Ranger, Ranking Joe, Tony Tuff, Edi Fitzroy sowie Trinity, dessen Stimme ich gefühlt schon ewige Zeiten nicht mehr auf einem aktuellen Album gehört habe. Keine Angst, es ist ein Dub-Album, die Vocals blitzen nur gelegentlich aus den Aufnahmen hervor.

Das Album lässt sich tatsächlich in zwei Teile unterteilen. Die ersten fünf Tracks sind im Rub-A-Dub-Style mit ein paar unerwarteten akustischen Momenten gehalten. So hört man im melodischen und leicht ätherischen „Rastaman“ ein paar schöne Orgelpassagen und eine leicht düstere Gitarre. Was mich jedoch viel mehr begeistert, ist die für den Reggae/Dub untypische Slide-Gitarre bei „National Version“. Die letzten fünf Tracks sind wesentlich experimenteller und psychedelischer mit ungewöhnlich viel Gitarren im Mix ausgefallen. So klingt „Dub of Shadows“ beinahe wie eine Dub-Version von Led Zeppelin. Bei „Seven Times Rise“ und besonders „Stars No Moon“ klingen die Percussions und quietschenden Gitarren so, als hätten Adrian M. Sherwood und sein Kumpel Bonjo I von African Headcharge (in Form des „neuen Lichts“?) dem Aufnahmestudio einen Besuch abgestattet. Mit „Dawn Observation“, dem letzten Titel des Albums, verlässt Tom Chasteen endgültig das klassische, vertraute Dub-Terrain und wendet sich avantgardistischeren Klängen zu. Hier erinnert mich der Sound immer wieder an die Soundexperimente des „Krautrockers“ Manuel Göttsching und seiner Band Ash Ra Tempel.

Unterm Strich ist „Field Reality Dub“ ein höchst inspirierter, kurzweiliger und richtig spannender Dub-Ausflug.

Bewertung: 5 von 5.
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Skafandros Orkestra & Victor Rice: Fubah Dub Versão

Eine Frage gleich mal vorweg, ist das (noch) DUB? Ich kann mich noch sehr gut an unsere lebhafte Diskussion bei RazTek vor über einem halben Jahr erinnern: „Was DUB soll, kann, muss, darf und was überhaupt DUB ausmacht.“ Schlussendlich kamen wir zu keiner zufriedenstellenden Definition. Auffallend ist generell, dass die heutigen Dub-Masters wie Adrian Maxwell Sherwood, Prince Fatty und jetzt, wie in diesem Fall, Victor Rice offenbar diese Problematik überhaupt nicht kennen und die Grenzen des Dubs immer wieder gerne in ganz unterschiedliche Richtungen und Genres verschieben. Bei mir laufen sie damit offene Türen ein. Die Rede ist hier vom Skafandros Orkestra, einer 11-köpfigen brasilianischen Musikertruppe, die einen ganz eigenen Sound kreiert. Hier werden Ska mit brasilianischen Rhythmen wie Ijexá, Jongo, Frevo, Maracatu, die aus dem brasilianischen Karneval bekannt sind, meisterlich kombiniert. Den New Yorker Bassisten und Produzenten Victor Rice, der schon viele Jahre in Brasilien lebt und arbeitet, muss ich im Dubblog sicherlich nicht mehr vorstellen. Auf alle Fälle hat er sich das zweite Album der Truppe „Fubah“ nochmal vorgenommen und „Fubah Dub Versão“ (Radiola Records) gemixt, gemastert und produziert. Die neun Tracks wurden nicht, wie im Dub oft Usus, von Victor Rice komplett zerlegt und neu zusammengefügt, nein, er hat hier hauptsächlich und ganz dezent mit Echo und Hall gearbeitet. Herausgekommen ist ein vielschichtiges, (klang)farbenfrohes, tanzbares!?! Instrumental-Dub-Werk, das wirklich in die Beine geht. Beim vorliegenden Album gelingt Victor Rice das Kunststück, die Spielfreude und harmonische Kraft der sechs Blechbläser mit Drums, Percussions und Sanfona (Akkordeon) geschickt ins Gleichgewicht zu bringen. Genau diese Balance zwischen jamaikanischer, afro-brasilianischer und jazziger Musik, kombiniert mit der kraftvollen, harmonischen und orchestralen Struktur, macht das Skafandros Orkestra zu einem einzigartigen und unverwechselbaren Ensemble in der heutigen Musiklandschaft.

Bewertung: 4 von 5.