Kategorien
Five Star Review Zweite Meinung

Manasseh Meets Praise

Die Versuche, Reggae – insbesondere Dub – und klassische „E-Musik“ zu kreuzen, sind zwar rar – dafür aber umso spannender. Der Erste, der die Herausforderung meiner Meinung nach gemeistert hat, war 2006 Matthias Arfmann, als er für die Deutsche Grammophon das Oeuvre von Herbert von Karajan remixte. Seither ist viel geschehen. Ich erinnere nur an die Op’ra-Alben des Opernsängers Uli E. Neuens oder an Matos „Classical Dub“ aus dem letzen Jahr. Ging es bei diesen Alben stets um die Neuinterpretation klassischer Werke, so gibt es auch noch eine andere Form des Crossovers, bei der die Integration „klassischer“ Instrumente wie Geige, Querflöte oder Violine in die Dub-Soundsphäre im Vordergrund steht. Violinbwoy legte vor zwei Jahren ein düsteres Werk vor, das eher vom Kontrast zwischen Violine und Bass lebte, als von deren harmonischer Vereinigung. Aber jetzt gibt es eine neue Klassik/Dub-Benchmark: „Manasseh Meets Praise“ (Roots Garden). Unfassbar sanfte und doch druckvolle Reggae-Beats äußerst harmonisch, ja geradezu kongenial, umspielt von feinsten Violinen- und Viola-Klängen. Manchmal gesellen sich sogar noch eine Flöte und Harmoniegesang dazu. Klingt kitschig und sentimental? Aber nur auf dem Papier. Im Ohr ist es einfach nur schön. Ja, es ist eine im ursprünglichen Wortsinn sinfonische Musik – was sich selbst bei Arfmann nur mit Einschränkung behaupten lässt. Über Manasseh muss ich nicht viele Worte verlieren. Der Mann ist legendärer Dub-Veteran und Producer par excellence. Ich liebe seine Musik, seit ich in den 1990ern sein Album „Dub the Millennium“ gehört habe. Bei Praise handelt es sich um einen klassisch ausgebildeten Violinisten mit einem ausgeprägten Faible für Reggae. Seit rund zehn Jahren verschwinden Nick Manasseh und Praise regelmäßig im Studio und nehmen diese wunderbaren Instrumentals auf. Nun war es endlich an der Zeit, das entstandene Material in die Welt zu entlassen und Menschen wie mich damit zu beglücken. Ich bin mir sicher, dass die Meinungen über dieses Werk weit auseinander gehen werden. Aber wie immer man dazu stehen mag, so ist es doch wunderbar zu sehen, welche stilistischen Extreme unser Lieblingsgenre in sich aufnehmen kann.

Lest auch die Rezension von gtkriz.

Bewertung: 5 von 5.

Kategorien
Five Star Review

Tubby Isiah: Rising High

Ich bin hier ja bekanntlich derjenige, der die Steppers-Fahne hoch hält – und ich habe ein neues Lieblingsalbum: Tubby Isiah, „Rising High“ (Moonshine Recordings). Tubby who? Cooler Name, der sofort klar macht, worum es geht – um Dub nämlich. Aber wer steckt dahinter? Im Web findet sich die Info, dass es sich um das neue Projekt von Javon Ives und seinem Dad, Jason Ives handele. Javon Who? Das kann ein so engstirniger Dubhead wie ich natürlich nicht wissen: Javon Ives ist ein Soul-R ‚n’ B-Produzent und -Sänger. Vielleicht steht Paps ja auf Reggae und Dub, was der Grund für „Rising High“ sein könnte. Doch wie dem auch sei, die beiden haben ein wirklich gutes Dub-Album geschaffen. Offenbar wissen sie, was sie tun. Mit „Steppers“ ist übrigens keineswegs alles zu den Tracks gesagt. Es gibt auch schöne, sanfte One Drop-Beats. Sogar ein leicht Dub-Techno-inspiriertes Stück ist zu hören. Insgesamt aber alles maximal harmonisch, weich, warm und bassig. Da das Werk zudem noch ein schickes Cover ziert, vergebe ich hier guten Gewissens fünf Sterne.

Bewertung: 5 von 5.
Kategorien
Five Star Review

Zenzile Remixed

Das gelingt wenigen: Stilsicher zwischen Rock und Dub zu oszilieren – und dabei auch noch gelegentlich Elektronik oder Hip Hop unter zu mischen. Normalerweise landet man mit einem solchen Konzept zielsicher zwischen den Stühlen. Deshalb habe ich die französische Band Zenzile auch nie wirklich ernst genommen und Rock-Alben wie „Elements“ geflissentlich ignoriert. Lediglich die „5+1“–EP–Serie mit ihrem Reggae-Schwerpunkt war mir gelegentlich einen Blick wert. Nun aber hat die Band zwischen den Stühlen ein echtes Dub-Meisterwerk abgeliefert: „Zenzile (Remixed)“ (ODGProd). Es handelt sich um den Remix ihres Lebenswerkes, das sich über zehn Alben und sechs EPs erstreckt. Versammelt wurden die dreizehn besten und Dub-kompatibelsten Tracks ihres Oeuvres, um diese dann in die Hände einer spannenden Auswahl aktueller Dub-Koryphäen zu geben, (z. B. an die Dub Shepherds, Mahom, Tetra Hydro K, Alpha Steppa, Panda Dub oder Full Dub). Das Ergebnis ist grandios! Was für eine beeindruckende stilistische Vielfalt. Hier wird das Konzept „Dub“ wirklich ausgelotet – ohne dabei die Grenzen des Genres wirklich zu überschreiten. In jedem einzelnen Track stecken mehr Ideen, als in so manchem kompletten Dub-Album. Unglaublich inspirierte Arrangements, kunterbunter Mix diverser musikalischer Einflüsse, fette Basslines, massive Beats, Melodien und Grooves. Das Album ist die Antithese zu hypnotisch-minimalistischem Steppas-Dub. Ich liebe beides, aber dürfte ich nur ein Album auf eine einsame Insel mitnehmen, es wäre „Zenzile Remixed“. Das Album kann man ein ganzes Jahr lang hören, ohne sich zu langweilen. Kaum zu glauben, dass das vielleicht beste Dub-Album des letzten Jahres (im Dezember veröffentlicht und deshalb nicht in meiner Dub Top Ten 2019!) kostenlos über odgprod.com zum Download bereit steht.

Bewertung: 5 von 5.

Kategorien
Five Star Review

Various Artists: !! Dub !! Dub !! Dub !! Vol. 2

Wer dieses Album in einem Streaming-Dienst sucht, kann durchaus verzweifeln. Die Eingabe des Titels fördert alles zu Tage – nur nicht diesen absolut hörenswerten Sampler: Various Artists, „!! Dub !! Dub !! Dub !! Vol. 2“ (Elastica). Eine spannende Sammlung von Dub-Produktionen aus aller Welt, kuratiert von Elastica-Mann TuzZy und Neil Perch von Zion Train/Universal Egg. Was die beiden hier zusammen getragen haben, lässt sich vielleicht als progressiver Sound System-Dub bezeichnen. Hä? Soll heißen: Anspruchsvolle, moderne Dub-Produktionen mit stilistischer Nähe zu Steppers – aber doch viel mehr als Bassdrum-Gestampfe und Basswalze. Also ausgeklügelte, clever komponierte Produktionen, die aber trotzdem bei Dynamik und Drive keine Kompromisse machen. Intellektuelles Sound System-Futter gewissermaßen. Mir gefällt’s ausnehmend gut. Obwohl stilistisch aus einem Guss, erweisen sich die Tracks als überraschend abwechslungsreich. Markante Melodien, inspirierte Arrangements, super Sound und stets treibende Beats haben alle. Mal schöne Gesangseinlagen, mal instrumentale Soli, mal einfach nur ein abgefahrener Mix: Langeweile kommt hier ganz und gar nicht auf. Hätte ich die Aufgabe, jemand Unwissendem zu erklären, was moderner Dub idealerweise ist, ich glaube, ich würde ihm dieses Album vorspielen.

Bewertung: 5 von 5.
Kategorien
Five Star Review

Christos DC: Tessera Dub

Es gibt sie tatsächlich noch, die Dub-Alben, denen ein originäres Vokal-Pendant vorausgeht. Die Rede ist von „Tessera Dub“ (Honest Music), das Dub-Album eines Christos DC, einem amerikanischen Multiinstrumentalisten mit griechischen Wurzeln. Sowohl für die Gesangsparts des Vocal-Albums „Tessera“ als auch für die Dub-Mixes hat Christos DC jede Menge illustre Gäste geladen und das Tolle daran ist, alle haben einen fantastischen Beitrag abgeliefert. Von den insgesamt 12 Tracks des 2017er Albums, wurden fünf Laurent “Tippy I” Alfred fürs Mixing überlassen. Er macht – wie immer (z. B. Dub Chronicles, Akae Beka) – seine Sache perfekt und liefert abgespeckte Tracks mit sattem Bass und Drums. Der relaxte „What Is Happening Dub“ überzeugt mit den ätherischen Vokal-Fragmenten eines Akae Beka (Vaughn Benjamin) und den über den satten Riddims schwebenden Effekten. Insgesamt gefallen mir alle Dubs, die unter der Obhut von Tippy I entstanden sind. Aber auch alle anderen Sound-Engineers, wie z. B. Mad Professor (GB), Jah Servant (CDN), Dub Architect (USA), Paolo Baldini (I), Mr. B (CH) begeistern mit gutem Handwerk und liefern allesamt packende, sehr relaxte Dubs – für einige möglicherweise zu relaxt. Paolo Baldini (Ex-Africa Unite) wurde „Boots & Tie“ zur Bearbeitung übertragen. Der Riddim aus dem Jahr 1980 stammt unüberhörbar von Sly & Robbie. Paolo Baldini mischt daraus den „Boots & Tie Dub“, als wäre er schon immer Teil der Taxi-Gang. Der crispe Mix erinnert tatsächlich an die frühen Arbeiten eines Scientist. Bei „Desperate Dub“, einem Nina Simone Original, zeigt der in Kanada ansässige Jah Servant (Mark Giles) sein Können.

Christos DCs „Tessera Dub“ begeistert mich auf allen Ebenen. Ein brillantes Werk, das unterschiedlichste Dubs aus den verschiedensten Regionen der Erde repräsentiert und dennoch als in sich geschlossenes Gesamtwerk erstrahlt. Meine Hochachtung geht an alle, die an diesem Projekt beteiligt waren und ein solch abwechslungsreiches Album auf die Beine gestellt haben.

Bewertung: 5 von 5.

Kategorien
Five Star Review

Youthie & Macca Dread: Nomad Skank

Wenn wir im Reggae von Trompete sprechen, fallen uns spontan zwei, drei Namen ein: Johnny „Dizzy“ Moore, Bobby Ellis und David Madden. Seit dem ersten Album „Silver Wind“ von Juliette Bourdeix aka Youthie aus 2018, können wir die Liste um eine Interpretin erweitern. Youthie begann mit 6 Jahren das Trompetenspiel und startete mit 17 Jahren das Studium der klassischen Trompete am Pariser Konservatorium, wo sie heute selbst als Professorin arbeitet und das Trompetenspiel lehrt. Bei Ibrahim Maalouf, einem französisch-libanesischen Jazz Trompeter und Komponisten absolvierte sie außerdem eine Jazz- und Improvisationsausbildung. Im Sommer 2019 erschien nun Youthie & Macca Dread „Nomad Skank“ (Youtie Records), ein Instrumental-Dub-Album mit vielen Inspirationsquellen: Reggae, Rocksteady, Ska, Jazz, Balkan, orientalische, jüdische (Klezmer), spanisch-andalusische und klassische Musik. Sowohl Youthie mit ihrer Trompete und zahlreichen, melodischen Arrangements, als auch Dubmaster Macca Dread mit seinem Mix, wissen hier zu beeindrucken. Auf den 16 Tracks des Albums sind die orientalischen Einflüsse auf Tracks, wie „Oriental Skank“ oder „Monkey Temple“ mit wunderschönem Flötenspiel, sehr schön zu hören. Aber auch der klassische Roots-Reggae wie bei „Double Rainbow“, „The Wild Horn“ und „Irie Land“ kommt keineswegs zu kurz. Andalusisch-spanisch klingt es bei „Al-Andalus“, Swing-jazzig bei „Swing City“, kubanisch bei „Jaruco“ und asiatisch bei „Pagoda“. Kurz, eine bunte Mischung verschiedenster musikalischer Stilrichtungen, die jedoch allesamt vom Reggae und Dub inspiriert und geerdet sind. Eine exzellente musikalische Weltreise im Reggaebeat wie aus einem Guss.
Das Album ist extrem gut arrangiert und keine einzige Sekunde langweilig. Mir bereiten vor allem die orientalischen Themen richtig Spaß und machen gute Laune. Youthie mit ihrem berühmten orientalischen Trompeter und Lehrmeister Ibrahim Maalouf zu vergleichen, fällt mir hier nicht allzu schwer. Dennoch trägt „Nomad Skank“ die ganz persönliche Handschrift von Youthie & Macca Dread.

Auf dem Album sind übrigens auch die beiden Schwestern von Youthie, Jalaya (Alice Bourdeix) an der Flöte und Clara (Bourdeix) an der Geige vereint. Die Riddims hat Macca Dread in seinem Studio im Alleingang angefertigt. „Nomad Skank“ ist ein fast übersehenes Glanzlicht am Reggaehimmel und spiegelt einen kulturellen Mix, der den wahren Reichtum der Menschheit ausmacht.

Bewertung: 5 von 5.
Kategorien
Five Star Review Zweite Meinung

Dubsouls in Session

Passen Dub und Jazz eigentlich zusammen? Ersterer eine super-strukturierte Musik mit eher sanftem Flow, letzterer oft frei flotierendes Chaos und planlose Improvisation. (So weit die Klischees). Aber es gibt ja einige wunderschöne Beispiele, wie beides gut zusammen gehen kann: Angefangen bei Ernest Ranglin über meinen Liebling „Dub på Svenska“, hin zu „Nordub“ von Nils Petter Molvær und zuletzt den „Natural Hights“ des Guiding Star Orchetras. Nun haben wir ein weiteres Paradebeispiel dafür, dass Dub und Jazz füreinander bestimmt sind: „Dubsouls in Session“ (Youth Sounds) von den Dubsouls. Hinter diesem charmanten Namen verbirgt sich ein Septett, geführt von dem britischen Jazzgitarristen Andrew Murphy. Es spielt ungemein entspannten Reggae im lockeren Retro-Style, smooth & easy mit Orgel, Blechbläsern, erstaunlich maximalem Bass und minimalem Dub-Mixing. Der perfekte steady Hintergrund für die hübschen, frei fließenden Jazz-Soli von Murphy & Co. So ein einfaches Rezept! Eigentlich nichts Besonderes – und doch bin ich total hooked. Der Flow ist einfach umwerfend und die Jazz-Gitarrenklänge betörend. Ich kann nur sagen: Dub & Jazz gehören zusammen wie Butter und Brot. Und überhaupt: Ist Dub-Mixing nicht sowieso irgendwie freie Jazz-Improvisation?

Bewertung: 5 von 5.
Kategorien
Five Star Review

Mute Beat: In Dub

Guter, gerne auch „schräger“ Dub geht bei mir (fast) immer. Heute präsentiere ich einen längst verschollenen Klassiker. Eine 1985 erstmals veröffentlichte Musik-Cassette von Mute Beat, Japans erster Dub-Band, die (leider) nur von 1982 bis 1989 existierte. Das Erstlingswerk „Mute Beat: In Dub“ (ROIR; Reachout International Records) wurde im Laufe der Jahre unter den unterschiedlichsten Titeln veröffentlicht: Tra Special Mute Beat (1985); Japanese Dub (1986); No. 0 Virgin Dub (1990) und In Dub (1996). Auf „In Dub“ bekommen wir eine Vielzahl von verschiedensten Ingredienzen zu hören, die schon auf das sehr breite musikalische Spektrum der Band hindeuten. Der Sound ist sowohl von traditioneller japanischer Musik, als auch Dub-Einflüssen, Reggae, Funk und elektronischer Musik, gemischt mit Jazz und dem Klang einer marschierenden Blaskapelle stark geprägt. Mute Beat schufen damals einen Klangkosmos, den so noch wenige zuvor gehört hatten und bewegte sich damit am Rande aller bestehenden Musikgenres. Bereits die ersten beiden Titel des Albums: „Metro“ und „Fiolina“, eine melancholische, reggaeeske Jazz-Nummer, zeigen die Musikalität und Virtuosität der Band. „Mix Up“, der einzige Track mit Vocals, ist dem Reggae noch am nächsten und verweist eindeutig auf den jamaikanischen Einfluss. Bei „Downtown“ sind dann schon wieder der funky Groove und die unverwechselbaren Drum-Patterns eines Roland TR-808 im wahrsten Sinne tonangebend. Diese sechs Japaner passen bis heute in keine Schublade und setzen sich zwischen alle Stühle. Das live entstandene und recht dumpf, wie ein Audience Mitschnitt klingende „Break A Road“, hört sich zu Beginn des Tracks dann eher wie eine ziemlich abstrakte Interpretation von Horace Andys „Money Money“ an. Der unangefochtene Höhepunkt dieses einzigartigen Albums ist für mich zweifellos „Dub No. 5“. Mute Beats eigenwillige aber äußerst hörenswerte Interpretation des alten Dave Brubeck Klassikers „Take Five“.
Obwohl auch wegen der fetten Bass-Lines und Drums, die Musik tief im authentischen Reggae/Dub verwurzelt ist, sprudelt dank des Posaunisten und der glasklaren, an Miles Davis erinnernden Trompete von Kazufumi Kodama, dem Kopf der Band, immer wieder Jazz an die Oberfläche. „Mute Beat: In Dub“ ist ein unglaublich beeindruckendes Album, das immer noch die Aufmerksamkeit auf sich zieht, die es bereits vor vielen Jahren verdient gehabt hätte.
Übrigens, auf dem gesamten Album gibt es keine einzige Gitarre zu hören. Außergewöhnlich!

Bewertung: 5 von 5.
Kategorien
Five Star Review

The Dub Chronicles: The Take Over

Wo wir gerade vom Jazz reden: Die kanadischen Brüder Craig und Jonathan Rattos – ein Schlagzeug/Piano-Duo – spielen unter dem Namen The Dub Chronicles auch wunderbar jazzigen Reggae. Nun liegt ihr neues Album „The Take Over“ (VPAL) vor. Es ist viel näher am klassischen Dub als am Jazz gebaut, atmet den Jazz-Vibe aber dennoch mit jeder Note. Kein Wunder, denn die Brüder sind ausgebildete Jazz-Profis, die ihr Herz an instrumentalen Reggae verloren haben. „Two soldiers creating the soundscapes of an entire army“ – wie sie sich selbst beschreiben, denn fast jedes Instrument auf „The Take Over“ wurde von ihnen selbst eingespielt. Well done, meine Herren. Und kaum zu glauben, dass der Bass angeblich aus einem Keyboard stammt. Mir gefällt der lockere, offene und doch ziemlich druckvolle Sound und die Jazz-Vibes mag ich sowieso. Für mich ein Highlight in der dunklen Jahreszeit.

Bewertung: 5 von 5.
Kategorien
Five Star Review

Natural Numbers: Field Reality Dub

Nach langem Überlegen habe ich mir das zweite Album der Natural NumbersField Reality Dub“ (Stones Throw) vorgenommen. Es handelt sich dabei um ein Projekt von Tom Chasteen, einem amerikanischen Musikclub-Besitzer, Reggae-Produzenten und (Hobby)Mixing-Engineer aus Los Angeles. Das bereits 2015 erschienene Album der Natural Numbers (Natürliche Zahlen) wurde größtenteils im klassischen Reggae Vintage-Stil abgemischt. King Tubbys Einfluss offenbart sich besonders auf der ersten Seite des Albums. Beim zweiten Teil dieses zehnteiligen Sets betritt Tom Chasteen jedoch unüberhörbar Neuland. In einer Pressemitteilung des Labels beschreibt er diesen Umstand, als „das Eindringen eines neuen Lichts“. Die klassischen Riddims sind für amerikanische Verhältnisse richtig heavy ausgefallen und wurden von einer Band mit Musikern von Wilco und Mazzy Star sowie dem legendären jamaikanischen Bassisten George „Fully“ Fullwood von Soul Syndicate eingespielt. Zu den Vokalgästen des Werks gehören Lone Ranger, Ranking Joe, Tony Tuff, Edi Fitzroy sowie Trinity, dessen Stimme ich gefühlt schon ewige Zeiten nicht mehr auf einem aktuellen Album gehört habe. Keine Angst, es ist ein Dub-Album, die Vocals blitzen nur gelegentlich aus den Aufnahmen hervor.

Das Album lässt sich tatsächlich in zwei Teile unterteilen. Die ersten fünf Tracks sind im Rub-A-Dub-Style mit ein paar unerwarteten akustischen Momenten gehalten. So hört man im melodischen und leicht ätherischen „Rastaman“ ein paar schöne Orgelpassagen und eine leicht düstere Gitarre. Was mich jedoch viel mehr begeistert, ist die für den Reggae/Dub untypische Slide-Gitarre bei „National Version“. Die letzten fünf Tracks sind wesentlich experimenteller und psychedelischer mit ungewöhnlich viel Gitarren im Mix ausgefallen. So klingt „Dub of Shadows“ beinahe wie eine Dub-Version von Led Zeppelin. Bei „Seven Times Rise“ und besonders „Stars No Moon“ klingen die Percussions und quietschenden Gitarren so, als hätten Adrian M. Sherwood und sein Kumpel Bonjo I von African Headcharge (in Form des „neuen Lichts“?) dem Aufnahmestudio einen Besuch abgestattet. Mit „Dawn Observation“, dem letzten Titel des Albums, verlässt Tom Chasteen endgültig das klassische, vertraute Dub-Terrain und wendet sich avantgardistischeren Klängen zu. Hier erinnert mich der Sound immer wieder an die Soundexperimente des „Krautrockers“ Manuel Göttsching und seiner Band Ash Ra Tempel.

Unterm Strich ist „Field Reality Dub“ ein höchst inspirierter, kurzweiliger und richtig spannender Dub-Ausflug.

Bewertung: 5 von 5.