Lieber spät als nie, aber ich muss doch noch ein paar Worte zum Tod dieser wegweisenden Musiklegende verlieren.
Am 3. Februar 2024 verstarb nach einem „langen Kampf“ gegen die Krankheit Aston Francis Barrett, einigen besser bekannt als Familyman oder kurz Fams. Der legendäre Bassist der Wailers starb im Alter von 77 Jahren im Krankenhaus der Universität von Miami in Florida, der Stadt, in der 1981 auch Bob Marley verstarb.
Aston Barrett wurde am 22. November 1946 in Kingston, Jamaika, geboren. Als viertes von fünf Kindern von Wilford Barrett, einem Schmied, und Viola (geborene Marshall) wuchs Aston in einem großen Mietshaus in der Beeston Street im Zentrum von Kingston auf, in dem auch der Saxophonist Val Bennett wohnte. Zu arm, um sich einen richtigen Bass leisten zu können, baute sich Familyman seinen ersten Bass aus einer Gardinenstange. Mitte der 1960er Jahre schloss er sich der Clubband The Hippy Boys an und begleitete den Sänger Max Romeo bei verschiedenen Auftritten in Kingston. Der Produzent Bunny „Stricker“ Lee war von seinen Basslines so beeindruckt, dass er Barrett 1968 ins Studio holte, um Slim Smiths „Watch This Sound“ – eine Adaption des Buffalo Springfield-Hits „For What It’s Worth“ – aufzunehmen. In der Zeit, in der Aston Barrett zu Lees Hausband, den Aggrovators, gehörte, veröffentlichte er auch selbstproduzierte Werke auf den Labels Fam’s und Cobra. Die Singles „Distant Drums“, „Eastern Memphis“ und „Cobra Style“ zeugen von einer unverwechselbaren Herangehensweise an Instrumentalmusik und Dub-B-Seiten.
Seinen Spitznamen „Familyman“ verdankt er der Tatsache, dass Aston seine Musikerkollegen als Familie betrachtete und stets eine führende Rolle beim Arrangieren ihrer gemeinsamen Arbeit einnahm. Der Name Familyman rührt nicht daher, dass er viele Kinder hatte – 23 Töchter und 18 Söhne nannte er 2013 der BBC.
Ende 1969 schafften es die Barrett Brüder Aston und Carly mit Max Romeos schlüpfrigem „Wet Dream“ und dem Orgel-Instrumental „The Liquidator“ in die britischen Top Ten. Nach dem Erfolg des Instrumentals „Return of Django“ gingen sie im November mit den Upsetters auf Tournee durch das Vereinigte Königreich, obwohl sie selbst auf der Platte nicht mitgespielt hatten. Als Mitglied der Studioband The Upsetters lieferte Barrett kräftige und melodiöse Basslines, die auf den Aufnahmen zu hören sind, die die Wailers 1970-71 für den Produzenten Lee „Scratch“ Perry machten. Sein jüngerer Bruder Carlton „Carly“ Barrett spielte Schlagzeug. Der Autodidakt mit einem angeborenen Gespür für musikalische Arrangements und einem außergewöhnlichen Sinn für Timing spielte als Bassist und Bandleader von Bob Marley and the Wailers eine wesentliche Rolle bei der Beliebtheit und internationalen Verbreitung des Reggae. Als sich die Wailers von Lee „Scratch“ Perry trennten, um ihr eigenes Label Tuff Gong zu gründen, überredete Bob Marley die Barrett Brüder, die Upsetters zu verlassen. Von nun an bildeten Aston und Carly die Rhythmusgruppe, das Rückgrat der Wailers. Die Gruppe unterschrieb 1972 bei Island Records und die Erfolgsgeschichte begann. Als Fams 1973 bei den Aufnahmen zu „Natty Dread“ zum Bandleader und musikalischen Arrangeur avancierte, war er mit seinem Bass die treibende Kraft für Marleys berühmte Hymnen. Songs wie „No Woman, No Cry“ verlieh er die nötige Schwere.
Obwohl die Gruppe während der Island-Jahre viele Veränderungen erlebte, blieben die Barrett Brüder die Konstante, die stabilisierende Kraft in der Band. Familymans souveräne Beherrschung seines Instruments und sein gekonntes Zusammenspiel auf der Bühne bildeten das Rückgrat der elektrisierenden Auftritte der Band, während Marley seine Texte in tranceartigem Zustand vortrug.
Aston Barrett war auch ein wesentlicher und wichtiger Bestandteil des Mitte der 1970er Jahre aufkommenden Dub-Subgenres, außerdem war er auch Mentor für jüngere Musiker wie den Keyboarder Tyrone Downie und den Bassisten Robbie Shakespeare.
Neben seinen Aufgaben bei Bob Marley and the Wailers wirkte Barrett an Keith Hudsons „Pick A Dub“, Yabby Yous Debütalbum „Conquering Lion“, Peter Toshs „Legalize It“, Bunny Wailers „Blackheart Man“, Burning Spears bahnbrechenden Veröffentlichungen „Marcus Garvey“, „Dry And Heavy“, Social Living und Augustus Pablos „East Of The River Nile“ mit. Durch die Tourneen der Wailers wurde seine Sessionarbeit etwas weniger. Es würde den Rahmen sprengen, alle Alben aufzuzählen, auf denen Astons legendärer Fender Bass überall zu hören ist.
Nach dem Tod von Bob Marley nahm Familyman weiterhin mit Burning Spear auf (z. B. Hail H.I.M.) und arbeitete eine Zeit lang eng mit Rita Marley zusammen. Auf dem von ihm selbst produzierten Album „Juvenile Delinquent“ (1981) spielte er die meisten Instrumente selbst ein.
Aston und Carlton spielten auch auf dem fantastischen 1986er-Album „Jerusalem“ des ivorischen Reggae-Stars Alpha Blondy. Im darauf folgenden Jahr wurde Carlton jedoch ermordet.
Familyman tourte bis in die 90er Jahre hinein regelmäßig mit der Wailers Band – danach wurden seine Auftritte seltener. Zuletzt lebte er in Miami und wurde 2021 von der jamaikanischen Regierung mit dem Order of Distinction ausgezeichnet.
Zum Abschluss habe ich etwas weniger Bekanntes ausgewählt – eine Live Reggae Dub Session mit dem Meisterbassisten, Innovator und Schöpfer des typischen Bob Marley Sounds. „Dub Obsession w/ Aston „Familyman“ Barrett“ (Island King Records) ist eine improvisierte, ungeprobte, seltene und klassische Dub Session, live aufgenommen auf St. John, U.S. Virgin Islands. Während einer kurzen Auszeit von seinem endlosen Tourneeplan traf Familyman 2004 den ehemaligen Hausmixer der Wailers, Liston Bernie, der auf St. John lebt. Sie beschlossen, die Insel mit einer echten Dub Session zu verwöhnen. Die Reggae-Musiker der Insel konnten es kaum erwarten, mit diesem legendären Musiker aufzutreten, und das Publikum war mehr als begeistert. Der Auftritt wurde nicht angekündigt, und als sich die Nachricht in der Stadt verbreitete, strömten Fans aus allen Gesellschaftsschichten herbei, um bei diesem einmaligen Ereignis dabei zu sein.
Die 9 Tracks mit einer Spieldauer von knapp 75 Minuten sind definitiv ein Sammlerstück. Allein schon deshalb, weil Fams berühmter Fender Bass, mit dem er so unglaublich viele unsterbliche Basslines kreierte, für immer verstummt ist!