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Dubblog Jahres-Charts 2024

Es ist wieder so weit: Wir servieren euch unsere Dub-Top 5 des zu Ende gehenden Jahres. Wie ihr seht, zählt bei uns Diversity. Wie sollte es bei einem so facettenreichem Genre auch anders sein? Wir sind auf eure Kommentare gespannt.

Top 5 von René

Message: Showcase II

Großartige, live eingespielte Intrumentals, zusätzlich mit Dub-Versionen. Was will man mehr?

Pinnacle Sound: In Dub Vol. 1

Kein Remake sondern ein Newmake mit den fantastischen Stilmitteln der Vergangenheit – und ein großartiges Dub-Album.

Philipp Greter: Greter than Dub

»Greter« meint hier wohl »über Dub hinaus«, denn genau das liefert dieser faszinierende Stilmix, der zeigt, was Dub alles sein kann.

Dreadsquad: Reggae From the Desert

Dreadsquad is back – und so ganz anders, als erwartet. Erwachsen geworden! Schöne, inspirierte Instrumentals, superb ausgeführt und mit perfekten Sound.

Message: Showcase I

Überragendes Album. Unter der Regie von Roberto Sánchez eingespielte Instrumentals und Dubs. Selten so viel Spielfreude gehört.

Top 5 von Ras Vorbei

Christos DC: Kung Fu Action Theatre

Kein überbordendes Dub-Feuerwerk, sondern ein exzellenter meditativer Klangteppich mit ruhig mäandernden Riddims ohne viel Schnickschnack.

Horace Andy: Showcase (Deluxe Edition)

Ein lange verschollenes Album erlebt seine Renaissance.

Roots Architects: From Then ‚Til Now

Ein wunderbares musikalisches Vermächtnis.

Keith Hudson: Playing It Cool & Playing It Right (Re-Release)

Ein ganz eigener Sound, den nicht nur ich hypnotisierend finde.

Mick Dick: A Dub Supreme

Eine vierteilige kulturübergreifende Reise, bei der sich Reggae-, Jazz-, Dub- und Trip-Hop-Grooves zu einer kinematischen Palette verbinden.

Top 5 von gtk

Adubta & Roots Organisation: A Tale Of Dubbing Horns

Platz 1 geht diesmal nach… Bayern! Adubta verwandelt ein eher jazzig gehaltenes Album der Grazer Roots Organisation in ein basslastiges Monster mit Mörder-Dynamik. Schmäh-ohne!

Ras Teo: Ion Man in Dub

Ras Teo, Zion I Kings und Lone Ark machen gemeinsam Musik – das konnte wenig überraschend nur gut gehen, sowohl in der Vocal- als auch in der Dub-Version. Das gilt für Teil 1 der Aufnahmesession…

Ras Teo: Up Fi Jah in Dub

… als auch für Teil 2. Bei beiden Alben treffen die Melodien von Ras Teo auf die musikalischen und produktionstechnischen Qualitäten von Roberto Sanchez, David Goldfine und Laurent Alfred, die sich hier wunderbar ergänzen.

Hornsman Coyote Meets House of Riddim: Madman Slide

Wer’s eher knackig-rockig mag, kommt an Sam Gilly’s House of Riddim nicht vorbei – das gilt auch für diese Kollaboration mit Posaunisten Hornsman Coyote. Da wird auch nicht mit Effekten gegeizt!

Prince Fatty: Dub Battle For Seattle

Da hat uns Prince Fatty tatsächlich 13 Jahre auf die Dub-Version von Little Roy’s ebenso feinem wie kuriosem „Battle for Seattle“-Album warten lassen. Wie konnte er nur!

Top 5 von Philipp K

Emanuel & The Bionites: Nations Shall Know

Dieses Werk dreht am meisten Runden auf meinem Teller. Gross! Seit der Veröffentlichung „Zipporah“ (2020) bin ich dem Sound und der Magie von Emanuel & The Bionites verfallen. Kaum zu glauben, dass diese Musik Made in France ist.

Spiritual Food: Hooligan / Point Finger Pon

Wie bereits in der Rezension nachzulesen, begeistern mich diese beiden Riddims und ihre Versions sehr. Reggae und Dub vom Feinsten, Seelennahrung pur.

Dennis Bovell: Sufferer Sounds

Eine Compilation, die das beste und ausgesuchte Versionen und Mixes vom Blackbeard aus den Jahren 1976 – 1980 versammelt und das Sufferer Sound System nochmals hochleben lässt. Relevant.

Dub Shepherds: Tape Me Out Vol. 5

Mein Dub-Jahr 2024 geht eindeutig an Frankreich. Das Label BAT Records und die Dub Shepherds stehen für unglaublich gute und hochstehende Reggae- und Dub-Produktionen, die mich in den meisten Fällen vollumfänglich überzeugen.

Dreadsquad: Reggae From The Desert

‚Welche Wüste?‘, frage ich mich gerade. Ist eventuell die Dub- und Reggae-Wüste Polen gemeint? Keine Ahnung und egal, denn dieses instrumentale Album ist Reggae-Dub-Ethio-Jazz vom Feinsten. Orgel, Saxophon, Flöte, Melodica (gehört einfach dazu) und gutes Arrangement stechen für mich heraus…

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Statik Sound System: In Dub, Vol. 1

Das Label Echo Beach hatte ja schon immer eine Vorliebe für historisches Dub-Material im Crossover-Bereich, und ich muss sagen, die Tracks auf dem Album „In Dub, Vol. 1“ von Statik Sound System passen perfekt ins Label-Repertoire. Statik Sound System war eine Trip-Hop-Band aus Bristol, die Mitte der 90er vier Alben und ein paar Singles veröffentlicht hat. Echo Beach hat sich durch dieses Archiv gewühlt, die neun dub-kompatibelsten Tracks herausgefischt und auf ein Album gepackt. Die meisten davon sind zwar kein klassischer Reggae (dafür gibt’s aber vier Drum ’n’ Bass-Tracks), aber wenn man – wie ich – z. B. Dreadzone oder More Rockers mag, kann man auch mit dem Statik Sound System einiges anfangen. Ihr bekanntester Track, „Revolutionary Pilot“, der durch die DJ-Kicks-Compilation von Kruder & Dorfmeister weltweit bekannt wurde, ist auch hier ein zentraler Punkt. Mehrere Remixes, darunter einer von More Rockers und eine Version von Rob Smith, sorgen für Abwechslung. Das Album ist für mich eine sentimental-nostalgische Reise in die Vergangenheit, in eine Zeit, in der diese Sounds echte Avantgarde waren. Tracks wie „Secret Love“, „Free to Choose“, „Vacuum“ und das emotionale „So Close“ klingen so wunderschön nach den 1990er Jahren – und zeigen zugleich die ganze Bandbreite der Band. „In Dub, Vol. 1“ ist ein Erinnerungsstück an eine Ära, in der fette Beats, verträumte Melodien und das Spiel mit Dub-Rhythmen die Musikwelt verzauberten. Ja, der Sound ist eindeutig historisch, aber irgendwie klingen die Tracks in meinen Ohren trotzdem noch frisch. Vielleicht liegt es daran, dass es eben kein klassischer Dub ist, sondern eher ein stilistisch nicht ganz so leicht verortbares Dub-Experiment.

Bewertung: 4 von 5.

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Five Star Review

Spiritual Food: Hooligan / Point Finger Pon

Was für ein Label-Name: „Spiritual Food“! Genau danach dürstet meine Seele. Und ja, es zeugt sicherlich von einigem Selbstvertrauen eine ganze LP von gut 40 Minuten Spieldauer mit gerade einmal zwei Riddims zu füllen. Aber ist nicht genau das Dub in seiner Reinkultur? Meiner Ansicht nach total. Und wenn die beiden Riddims und die Versions dann noch so gut und überzeugend daherkommen und sowohl für die Anlage zuhause richtig Freude aufkommen lassen als auch auf dem big Soundsystem zu überzeugen vermögen, was will Freund und Freundin von tief durchtränkter Rastakultur mehr?
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, so groß ist meine Begeisterung für dieses Stück schwarzes Vinyl, das leider ohne Coverhülle einzig in einem weißen Papierumschlag geliefert wird (ganz im Oldschool Jamaika-Stil). Hinter der Produktion steht mit Lourenzo Bougard aka Macca Dread kein Unbekannter in der Szene. Zeichnet sich dieser doch auch für die einschlägig bekannten Youthie-Produktionen „Gecko Tones“ und „Nomad Skank“ und mittlerweile einige andere kleinere bemerkenswerte Veröffentlichungen verantwortlich (z.B. „Wise Up EP“ oder „Almandub#2“). Die Produktion ist tight und satt, hat aber für meine Ohren mit viel Perkussion und etlichen beigemischten Soundgimmicks eine gute mystische Note, die genau die Tiefe bringt, die ich so gerne mag. Spiritual Food eben, der Name ist Programm. Musikalisch sind die beiden Riddims hochstehend, sowohl melodisch als auch monoton treibend, genau in der richtigen Dosis (Paracelsus würde Luftsprünge machen). Der Hooligan- respektive Gringo-Riddim hat für mich mit seinen leicht ins kubanische antönenden Latinelementen etwas beinahe Euphorisches zu bieten und es wird mir überhaupt nicht langweilig viermal eine Instrumental- oder Dubversion hintereinander zu hören. Im Gegenteil, jeder neue Mix bringt wieder frischen Wind mit sich, andere Instrumentalparts werden ins Rampenlicht gerückt, Dub in Hochform. Besonders die „Benyah Horns Version“ mit der Posaune (die hier wie eine Trompete klingt) und die „Macca Dread Melodica Version“ mit den typisch kubanischen Pianoriffs sind echte Perlen. Sowieso liefern Benyah an der Posaune, Crucial Rob an der Ketedrum und der Cuica, die Irie Mates am Chorgesang, der Blues-Mundharmonika-Spieler Danos und Macca Dread an der Produktion, an der Melodica und an allen Dubmixes einen sehr guten Job ab. Die Dubmixes sind solid und reihen sich insgesamt geschmeidig ins Ganze ein.
Ha, jetzt habe ich just die Vocal-Versionen vergessen zu erwähnen. Hier gebe ich den beiden Sängern Zion Irie auf dem Hooligan-Riddim und Ras Tweed auf dem Point Finger Pon-Riddim ebenfalls Höchstnoten. Astreine conscious Lyrics, hört selbst hin. Und wie insbesondere Ras Tweed mit seiner ganzen Erfahrung bei „Point Finger Pon“ in den Flow kommt, dann wieder Tempo rausnimmt, hat etwas zutiefst Mitreißendes. Zuletzt möchte ich noch die beiden liebevoll gestalteten Porträts der Sänger erwähnen, die quasi das Cover ersetzen und der Künstlerin Aude Saloni zu verdanken sind. Diese Veröffentlichung ist zwar keineswegs ein klassisches Album, aber genau das richtige, um in dieser dunklen, kalten Jahreszeit die Sonne ins Dub-Herz und die Energie ins Tanzbein fließen zu lassen. Jahman!

Bewertung: 5 von 5.
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King Size Dub 24

Und da ist sie wieder, die neue „King Size Dub“! Aktuell ist es „King Size Dub 24“ (Echo Beach). Fünf Jahre wurden unterschlagen, denn Reihe existiert schon seit 29 Jahren. 2024 steht also ein Jubiläum an! Die aktuelle, 24igste Ausgabe präsentiert satte 23 Tracks – laut Label sind 90 Prozent davon exklusive Titel. Natürlich sind die bekannten Namen aus dem Echo Beach-Stall dabei, unter anderem Noiseshaper, Dubblestandart, Dub Spencer & Trance Hill, Dub Syndicate, Illbilly Hitec, Dubinator und – wie sollte es anders sein – Martha & The Muffins. Aber es gibt auch eine ganze Menge frischer Artists außerhalb des bekannten Echo Beach-Universums. So überraschen Blundetto & Soul Sugar mit dem bescheidenen, ruhigen „Don’t Cry, It’s Only the Rhythm“ – eine wirklich äußerst schöner Tune. aDUBta liefert eine dumpfe, drückende und irgendwie magische Version des Cassava Piece-Riddims ab, die mich in ihren Bann zieht. Captain Yossarian kontert mit dem funkigem „Expensive Shit“. Insgesamt empfinde ich das Album als wunderbar frisch – es präsentiert mal wieder das große Spektrum des Dub. Label-Inhaber Nicolai ist ja bekannt dafür, dass er nicht viel von Genregrenzen hält, und genau diese Einstellung lässt jede neue King Size Dub zu einem spannenden Überraschungspaket werden. Ich bin jetzt schon gespannt auf die #30. No pressure, aber die muss groß werden!

Bewertung: 4 von 5.
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Ashkabad: Outernational Skankers

Als Dub-Liebhaber habe ich das Duo Anthony Antcliffe und Bastien Raymond, besser bekannt als Ashkabad, schon länger auf dem Schirm. Die beiden Musiker aus Avignon sind spätestens seit ihrem Album „Fire Drop“ von 2022 in der Dub-Szene ein Begriff. Ihr Debüt „International Skankers“ erschien bereits 2016, jetzt liefern sie mit „Outernational Skankers“ die Remix-Version nach. Acht der ursprünglich zehn Tracks haben sie aktuellen Größen der Dub-Szene für Remixes überlassen – mit dabei sind unter anderem Ondubground, Alpha Steppa, Tetra Hydro K und Bukkha. Das Ergebnis ist ein kraftvolles Update der beinahe schon historischen Aufnahmen von vor acht Jahren. Der Begriff „Remix“ ist hier Programm: Es handelt sich um echte Reworkings und nicht nur um Dub-Mixe. Das bringt reichlich Abwechslung, denn die Remixer haben jedem Track neue Rhythms verpasst. So ist Alpha Steppas Mix ist unverkennbar Deep-Dub, Tetra Hydro K liefern einen dubbigen Drum’n’Bass-Track ab, und Ramiya steuert ein elegisches Downtempo-Stück bei. Immer wieder höre ich musikalische Zitate und Samples aus exotischen Musikkulturen – ein Element, das ich generell sehr schätze. Für Dub-Puristen mag „Outernational Skankers“ vielleicht etwas zu extrovertiert wirken und gelegentlich die Genregrenzen überschreiten. Aber wenn man seine Ohren mal mit frischem Wind durchlüften möchte, findet man hier genau die richtigen Klänge – und sei es nur, um anschließend umso lieber wieder in die vertraute Welt des klassischen Dub zurückzukehren.

Bewertung: 4 von 5.
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Alpha Steppa: Collision of an Ancient Mind and a Modern World

Mich fasziniert der meditative, melancholische und abgrundtiefe Sound von Alpha Steppa. Die DNA von Vater und Tante, also von Alpha & Omega ist unverkennbar, und es gibt kaum einen aktuellen Dub-Artist mit einem so einzigartigen Signature Sound. Mad Professor war früher ähnlich erkennbar – und natürlich Alpha & Omega. Mit seinem Stil setzt sich Alpha Steppa deutlich von der konventionellen Steppers-Szene ab, bleibt aber zugleich hundertprozentig Sound System-kompatibel. Auch beim aufmerksamen Zuhören über Kopfhörer hat seine Musik viel zu bieten: Sie ist vielschichtig, komplex und nie langweilig. Zudem hat der Thronfolger in der Dub-Dynastie ein geniales Händchen für begnadete Vocal-Artists. Nai-Jah war für mich eine solche Entdeckung, aber auch Awa Fall und Wellette Seyon, mit denen er komplette Solo-Alben veröffentlichte. Sein neues Album „Collision of an Ancient Mind and a Modern World“ (Steppas) besticht wieder mit großartigen Vocal-Tunes. In der digitalen Version ist das Album zweigeteilt: Disc 1 enthält zwölf Vocal Tunes, unter anderem von Joe Yorke, Tanganyika, Sheila Langa, Fikir Amlak und Ras Tinny in einem Acapella-Solo. Disc 2 liefert dann die Dub-Versionen nach. „This album features some of my favourite voices in contemporary reggae and beyond, from Jamaica, the UK, Zimbabwe, the Seychelles, Brazil, the USA, Senegal, Italy, and Spain“, erklärt der Dub-Produzent. „With this record I set out to build a unique sound and atmosphere, the idea was to blend the rich heritage of dub with a vibrant, futuristic musical landscape.“ Beim Thema „Atmosphäre“ habe ich keine Einwände – im Gegenteil: Es ist hier immer wieder die Atmosphäre seiner Musik, die mich einnimmt und fasziniert. Wer allerdings bei „futuristic musical landscape“ an Einflüsse unterschiedlicher Musikkulturen denkt, liegt meiner Meinung nach falsch. Hier ist alles 100 Prozent Reggae und Dub und typischer Alpha Steppa-Sound. Nichtsdestotrotz liefern die Vocalists durch die Bank richtig gute Songs ab. Jeder einzelne Track präsentiert eine ausgefeilte Melodie, und fast alle glänzen sogar mit cleveren, sozialkritischen Texten auch jenseits Reggae-typischer Themen. Vielleicht ist auch der Albumtitel auf diese sozialkritische Tonalität gemünzt, denn linke, auf Gerechtigkeit und Diversität zielende Haltungen werden in unserer modernen Welt ja unverkennbar immer seltener.

Bewertung: 4.5 von 5.
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Five Star Review

Message: Showcase II

Ich liebe den hypnotischen, harten Dub-Sound von Soundsystem-Sessions – diese repetitiven Rhythmen ziehen mich immer wieder in ihren Bann. Aber in letzter Zeit wächst meine Begeisterung für handgemachte, analog produzierte Musik noch stärker. Ich habe das Gefühl, dass sie „reicher“ und der Klang komplexer ist – natürlich nur, wenn sie richtig gut gespielt, aufgenommen und produziert ist. Abgesehen davon hege ich eine richtig große Wertschätzung für talentierte Musiker und Musikerinnen. Es ist einfach eine wahre handwerkliche Kunst, gute Instrumentals und Dubs manuell präzise und im perfekten Timing einzuspielen. Nachdem ich mich zuletzt ausführlich mit KI-generierter Musik beschäftigt habe, ist meine Wertschätzung für von Menschen geschaffene Musik noch einmal gewachsen. Und genau in dieser Stimmung fällt mir jetzt das neue Album von Message, „Showcase II“ (Messengers), in die Händen – und was soll ich sagen? Bereits „Showcase I“ hat mich begeistert, und jetzt bin ich bei „Showcase II“ erneut verzückt. Am Konzept hat sich – zum Glück – nichts geändert. Das Album enthält sieben Instrumentals und sieben Dub-Versionen. Lead-Instrumente sind wieder meist Melodica, Posaune und manchmal auch ein Keyboard. Alle Stücke sind Eigenkompositionen der Band, wurden live im Lone-Ark-Studio in Santander (Nordspanien) eingespielt und auf gutem, alten Magnetband aufgenommen. Studio-Mastermind Roberto Sánchez saß selbst an den Drums und übernahm auch die Aufnahme. Und natürlich wird das Ganze erneut als Hommage an den jamaikanischen Reggae der 1970er Jahre verstanden. Schon beim ersten Hören ist zu hören, dass Message nicht einfach nur kopiert, sondern die Essenz des Genres einfängt und neu interpretiert. Das gelingt den Musikern nicht zu letzt durch die Live-Aufnahme perfekt, denn nur so gelingt es wirklich, die Energie und die Vibes einzufangen, die den Roots Reggae so besonders machen. Es verleiht dem Album eine besondere Magie und einen authentischen, lebendigen Klang, der digitalen Produktionen oft vorenthalten bleibt (die dafür aber andere Qualitäten haben!). „Showcase II“ ist ein Werk, das nicht nur die musikalischen Architekten des Genres – also die jamaikanischen Musiker der 1970er Jahre – ehrt, sondern auch zeigt, wie die Band Message ihren eigenen Weg innerhalb dieser Tradition gefunden hat. Jeder Track auf „Showcase II“ strahlt den Spirit der Band aus, das Gemeinschaftsgefühl und die Liebe zur Musik. Hier kommt das Beste, was der Reggae zu bieten hat zusammen: Handwerkliche Brillanz, perfekte Produktion und nicht zuletzt richtig gute Kompositionen. Mal abwarten, ob ich bei „Showcase III“ wieder solche Lobeshymnen anstimmen muss. Ich hätte jedenfalls nichts dagegen.

Bewertung: 5 von 5.
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Five Star Review

Jim The Boss Presents Dubs From The Grave

Jim the Boss und seine Hi Fi Rockers Studioband haben mit „Dubs from the Grave“ (Hudson Soul) ein zur Jahreszeit perfekt passendes Album voller gruseliger Effekte zusammengestellt. Pünktlich zu Halloween gibt es nach fünf Jahren kreativer Pause ein neues Mini-Album für Fans des keltischen Feiertags und des Reggae/Dub-Genres, das sich mit Themen wie Duppies, Geistern, Vampiren, Zombies und anderen untoten Kreaturen beschäftigt. Damit ist dieses Album der ideale Soundtrack für jede Halloween-Party. Aber nicht nur das: Der in der afrikanischen Kultur tief verwurzelte Geisterglaube ist in Jamaika seit jeher allgegenwärtig. Man braucht wirklich nur ein bisschen nachzudenken, und schon fallen einem jede Menge Songs ein, die sich mit diesem Thema beschäftigen: The Wailers – Duppy Conqueror (1970); The Upsetters – Haunted House (1970); Devon Iron – Ketch Vampire (1976) oder Peter Tosh – Vampires (1987). Unter den Alben ist „Scientist Rids The World Of The Evil Curse Of The Vampires“ (1981) mit Titeln wie „Your Teeth In My Neck“, „Plague of Zombies“ und „Night Of The Living Dead“ besonders hervorzuheben.

Gerade noch rechtzeitig melden sich der Dub-Maker Jim the Boss und seine HiFi Rockers zurück, um uns ein neues Album mit Reggae-Dub-Titeln zu präsentieren. Die 7 Tracks sind gespickt mit gruseligen Soundeffekten, Monsterlachen und Stimmeffekten von ‚Dr. Frankenboss‘ – Jims Alter Ego für dieses Album. Die Originalversionen der Tracks wurden in den vergangenen Jahren aufgenommen und werden in diesem Remix zu neuem Leben erweckt. So wurde „Big Man Dead“ bereits 2014 auf der „American Sessions“ EP von Miserable Man veröffentlicht und „The Dark Art“ ist eine Neuauflage des „Dark Art“-Riddims der bereits auf dem „Hudson Soul“-Album zu hören war. Die beiden Tracks „Halloween Town“ und „Queen of the Dead“ – eine Dub-Version von Jah Adams „My Love For You“ – wurden im Laufe des Jahres 2017 als reine Radio-Promos veröffentlicht.

„American Horror Story“ ist ein tanzbarer, spaciger und dubbiger Track, bei dem man nicht drumherum kommt, die Hufe zu bewegen.
„Queen of the Dead“ mit schaurigem Gelächter und Soundeffekten ist ebenso körperbetont. Ein vorwärtstreibender Riddim, der auf einer schönen fetten Bassline reitet.
„Halloween Town“, vorgetragen in einem ziemlich witzigen (afrikanischen?) Akzent, finde ich besonders erwähnenswert. Wir hören eine kraftvolle und eindringliche Version des Lee „Scratch“ Perry & The Stingers Riddims: „Give Me Power“.
„Big Man Dead“ erinnert mich in Text und Flow entfernt an Linton Kwesi Johnson und seine Dennis Bovell Dub Band.
„The Dark Art“ beginnt mit dem exemplarischen Lachen einer bösen Hexe und mündet in ein wunderschönes Stück Musik, gespickt mit präzisen Saxophonpassagen von Dave Hillyard und hüpfenden Keyboards.
„Throw me Brain“ ist ein Remake des Studio-One-Klassikers „Throw me Corn“ und das Intro stammt von Lee „Scratch“ Perry.

Alles in allem macht mir diese kleine aber feine (Dub-)Sammlung richtig Spaß und dieser eher traditionelle Dub-Reggae bietet weit mehr als nur saisonale Halloween-Tracks. Ich, für meinen Teil, kann und werde das Album sicherlich das ganze Jahr über hören.

Bewertung: 5 von 5.
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Horace Andy: Showcase (Deluxe Edition)

Der mittlerweile 73-jährige Roots-Reggae-Sänger Horace Hinds uns allen besser als Horace ‚Sleepy‘ Andy bekannt, ist immer noch aktiv. Gerade hat er in Zusammenarbeit mit Jah Wobble, dem ehemaligen Bassisten der Post-Punk Band „Public Image Ltd. das Album „Timeless Roots“ herausgebracht.
Seine erste Single nahm er 1967 für den Produzenten Phil Pratt auf. Doch „This is a Black Man’s Country“ blieb erfolglos. Erst 1970 gelang ihm der große Durchbruch. Nachdem er im Studio One von Coxsone Dodd als Duo mit Frank Melody erfolglos vorgesungen hatte, versuchte er es wenige Tage später nochmal alleine und hatte Erfolg. Die 70er Jahre waren Horace Andys produktivste Zeit. Mit seinem unverwechselbaren Falsett-Gesangsstil sang er auf unzähligen klassischen Produktionen für Reggae-Produzenten wie King Tubby, Everton DaSilva, Gussie Clarke, Lloyd ‚Bullwackie‘ Barnes, Bunny ‚Striker‘ Lee, Tad Dawkins, Prince Jammy und für Keith Hudson nahm er z. B. „Don’t think about me“ auf. Ende der 1980er wurde es etwas ruhiger um Horace Andy. Durch seine Zusammenarbeit mit den Trip-Hop-Pionieren Massive Attack gewann er in den 1990er Jahren eine neue Generation von Fans. Auch in den folgenden Jahren nahm er immer wieder neue Musik auf. So erschien 1999 das Album „Living in the Flood“ auf dem Melankolic-Label von Massive Attack. Außerdem nahm er Alben für Mad Professor, Jah Shaka und Bunny Gemini auf und war Teil des Weltmusikprojekts „1 Giant Leap“. Mit den Riddim-Zwillingen Sly & Robbie entstand 2007 das beeindruckende Album „Livin‘ It Up“. Wie eingangs erwähnt, ist Horace Andy immer noch aktiv und tourt durch die ganze Welt.

Das Album „Horace Andy: Showcase“ (TADs), um das es hier geht, ist eigentlich eine Sammlung von Singles, die ursprünglich 1980 und dann 1984 von Vista in einer klanglich verbesserten Version veröffentlicht wurden. Jetzt gibt es eine um 12 Tracks erweiterte Re-Release Deluxe Edition. Alles bekannte Riddims und Klassiker, die Horace Andy in Bestform zeigen. Wir hören einen großartigen „Shank I Sheck“ Riddim und „Striktly Rub A Dub“ repräsentiert den Heavenless Riddim. Die nächsten Roots-Tunes „Chant Rastaman Chant“ und „Dub Chant“ lassen keine Zweifel aufkommen, denn das ist der Burial Riddim. Die Backing-Band sind die Roots Radics und gemixt wurde das Album von Sylvan Morris und Tad A. Dawkins. Lediglich der Opener „Cus Cus“ mit seinem „Chatty Chatty Dub“ ist eine Harry J. Produktion. Doch irgendwie machen mich diese Angaben und mein Gehör etwas stutzig, denn vom Sound her könnten die Tracks und ganz besonders die 12 Dubs auch von Scientist abgemischt worden sein.
Ob nun Sylvan Morris und Tad A. Dawkins oder Scientist dieses sehr schöne Album abgemischt haben, ist eigentlich zweitrangig. Viel wichtiger ist doch, was uns unterm Strich geboten wird, und das ist schlichtweg exzellent.

Bewertung: 4.5 von 5.
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Keith Hudson: Playing It Cool & Playing It Right (Re-Release)

Vorsicht! Diese Musik ist ziemlich sperrig, ja, man könnte sogar sagen: atypisch. Aber denkt, was ihr wollt, gerade deshalb höre ich Keith Hudsons Alben immer noch mit wachsender Begeisterung. Der „Dark Prince of Reggae“, der 1984 im Alter von nur 38 Jahren an Lungenkrebs starb, hatte von Anfang an seinen ganz eigenen Sound, den nicht nur ich hypnotisierend finde.

Die viele Jahre vergriffene „Keith Hudson: Playing It Cool & Playing It Right“ (Week–End Records) verkörpert exemplarisch seine Vorstellung von Dub-Reggae mit schleppenden Riddims, vielschichtigen Backing Vocals und purem Groove. Man sagt, das 1981 erstmals veröffentlichte Showcase-Album sei wegen seiner großen Variationsbreite Keith Hudsons meist bewundertes und auch bestes Werk. Hudsons Gesang, der verständlicherweise wirklich nicht jedermanns Sache ist, variiert von sanft bis hin zu treibenden Beats und gelegentlichen Rap-Einlagen. Eine Besonderheit des Albums ist, dass Hudson nach seinem Umzug nach New York im Jahr 1976 mit Lloyd ‚Bullwackie‘ Barnes, dem ehemaligen Protegé von Prince Buster, wieder in Kontakt kam. Sie kannten sich bereits aus Jamaika. Zu einer Zusammenarbeit kam es aber erst 1981. Diesmal agierte Lloyd Barnes als Executive-Producer.
Aber alles von Anfang an: Für „Playing It Cool & Playing It Right“ nutzte Keith Hudson das Bullwackies Studio. Lloyd Barnes ging mit Keith Hudsons Songmaterial sehr behutsam um, denn Keith hatte seinen ganz eigenen Sound und Barnes seinen typischen Wackies-Studio-Sound, der immer wieder Erinnerungen an Perrys Black Ark weckte. So ist ‚Bullwackies‘ Beitrag zum 1981er-Album eher als Austausch von Ideen, Ratschlägen und möglichen Entscheidungen zu verstehen. Auf dem Album, das fatalerweise seine vorletzte Veröffentlichung werden sollte, interpretierte Keith Hudson mit kreativer Unterstützung von Lloyd Barnes sechs seiner alten Rhythmen neu.
Der „Depth Charge“-Riddim aus „Pick A Dub“ findet sich hier in Form von „Trust & Believe“ und seinem Dub-Pendant „In I Dub“ wieder. Spätestens bei „California“/„By Night Dub“ nimmt das Album eine düstere Wendung, der Drive verändert sich merklich. Zwei Sängerinnen, The Love Joys, liefern die Backing Vocals, während Hudson von der „darkest Night on the wet-looking Road“ singt/spricht, die sowohl seinen Kopf als auch seinen Roadtrip umhüllt. Verzerrte Gitarren und düstere, zerbröckelnde Schlagzeugbeats rühren einen dichten Dub-Schlamm auf, der alle Wegweiser verdunkelt. Selbst im schleppenden Tempo bleibt die Landschaft diffus.
Bei „Not Good for Us“/„Formula Dub“ bekommen wir doppelt und dreifach gespieltes, bedrückend verstimmtes Gebrabbel und verrücktes Gekrächze. Hudson schreit „too much Formula ain’t good for my Head, ain’t good for the Dread“. Das Klavier stolpert hinterher, die verzerrten Gitarren drohen sich vom Band zu lösen, während der Beat immer wieder aus dem Bewusstsein herüber flackert.
In „Be What You Want to Be“/„Be Good Dub“ lässt Hudson Percussions und Gitarren endlos mitschwingen und nachhallen.
Am gefühlvollsten finde ich das letzte Stück „I Can’t Do Without You“, alleine der Text zeigt beeindruckend, wie viel amerikanischer Soul, Funk und Rock damals in Hudsons Produktionen eingeflossen sind. Im anschließenden Dub „Still Need You Dub“ hört man deutlich die Barrett-Brüder – Carlys unverkennbare Drums meine ich ganz eindeutig wahrzunehmen.

Das Album ist nur etwas mehr als eine halbe Stunde lang, hat aber einen spürbaren Vibe, der mich entfernt an Lee ‚Scratch‘ Perrys „Super Ape“ erinnert. Als Ganzes betrachtet macht mir Keith Hudson mit seinen Alben immer sehr viel Spaß, denn sie zeigen die (dunkle) Seite des Reggae, die man auf vielen populären Reggae-Alben so gut wie nie findet. Ich freue mich jedenfalls, dass zum 40. Todestag eines einzigartigen Künstlers ein echter Klassiker – eine psycho-akustische Reise in die Abgründe des Seins – wieder auf LP erschienen ist. Für die Einzigartigkeit dieses Albums gäbe es die volle Punktzahl, aber wegen der etwas holprigen Übergänge vom Song zum Dub gibt es leider ein Sternchen Abzug.

Bewertung: 4 von 5.