Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr, was ich noch über Alpha & Omega schreiben soll. Ich habe es nicht gezählt, schätze aber, dass ich bereits ca. 5000 Rezensionen zur Musik der beiden verfasst habe. Darin wurde alles gesagt – mehrfach! Aber andererseits hat das Duo einen festen Platz in meinem Dub-Herz, so dass ich es nicht über mich bringe, einen neuen Release der beiden zu ignorieren. Deshalb also, hier ist er, Alpha & Omega: „Dubplate Selection Vol. 4“. Darauf gibt es das zu hören, was immer von A&O zu hören ist: Mystischer Dschungel-Dub, etwas nachlässig produziert und meist von mittlerer bis schlechter Sound-Qualität. Aber die hypnotische Kraft, die ihren Dubs zueigen ist, wirkt auch hier mit unverminderter Wucht. Auf der „Dubplate Selection Vol. 4“ haben sie zum vierten Mal Aufnahmen versammelt, die zuvor als Dubplates im Einsatz waren. Darunter verstehen die beiden alternative Mixe ihrer Produktionen, die sie exklusiv für bestimmte Sound Systems erstellen. Da das Duo recht produktiv ist und ständig neue Dubs produziert, wächst auch die Zahl ihrer exklusiven Dubplate-Mixe. Kurz: Es war also Zeit für ein Volume 4. Richtig gut gefällt mir hier der Umgang mit den Vocal-Fragmenten von Ras Tinny, Nai-Jah und Joe Pilgrim. Absolut minimalistisch eingesetzt, prägen sie die Dubs mit winzige Melodien. Sie blitzen auf, wie Sonnenstrahlen, die auf den Grund des Dschungels vordringen. Schöne Vorstellung!
Autor: René Wynands
An diesen Dubs kommt niemand vorbei: Studio One Space-Age Dub Special (Soul Jazz). Hier sind sie alle zu hören, die schönen, nie alternden Studio One-Rhythms – und zwar in Reinform, ohne Gesang. Und vor allen in brillanter Qualität! Ich denke da nur an meine alten Vinyl-Releases: Unfassbar schlechte JA-Pressungen in weißen Covern – nicht gerade Ausdruck von Wertschätzung auf Seiten des Produzenten. Aber die Leute Soul Jazz sind anders drauf. Sie sind echte Sound-Nerds, die das Coxsone-Erbe sorgfältig bewahren und pflegen. Sie haben die Dubs von den Originalbändern remastert, auf ein fettes Album gepackt und mit einem wundervollen Cover versehen, das Clement Dodd im Space-Orbit zeigt. Ein Bild übrigens, das von Lone Rangers Studio One-Album „Badda Dan Dem“ von 1982 inspiriert wurde, auf dessen Cover Sir Coxsone am Steuer eines Raumschiffs im Weltraum zu sehen ist.
Die meisten dieser Tracks stammen aus der lange vergriffener Reihe von Studio One-Dub-Alben, die zwischen 1974 und 1980 veröffentlicht wurden, darunter „Zodiac Sounds“, „Ital Sounds and System“, „Roots Dub“, „Dub Store Special“, „Juks Incorporation“ und andere. Viele dieser klassischen Alben wurden ursprünglich nur in Jamaika in kleinen Auflagen mit speziellen Siebdruck-Hüllen veröffentlicht, alle mit absoluten Minimaldesigns, die heute als Vintage-Vinyl bis zu 100 Britische Pfund kosten.
Den Credit für die Dubs gelten einem fiktiven „Dub Specialist“, hinter dem sich tatsächlich Studio One-Sound-Engineer Sylvan Morris verbergen dürfte. Er, sein Produzent und die genialen Musiker haben viele der besten Aufnahmen geschaffen, die das Genre Reggae vorzuweisen hat. Sie sind hier als zeitlos schöne Dubs zu genießen.
Interview mit Jah Schulz
Dein Name: Michael Fiedler
Du lebst in: der Nähe von Stuttgart
Titel deines letzten Albums:
„Dub Showcase“, aus 2022. Die neue Single „Stories“ , erschien am 1. 3. 2023
Wie lautet deine persönliche Definition von Dub?
Futuremusic
Was macht einen guten Dub aus?
Er zieht dich in denn Bann, hypnotisiert dich. Tatsächlich, wenn ich zu hause ein wenig schläfrig werde, ist das ein gutes Zeichen.
Wie hast du deine Leidenschaft für Dub entdeckt und wie hast du dich und deine Musik seiddem entwickelt?
Ich bin über Umwege (Jungle, Breakbeats, Techno) zum Dub gekommen. Reggae hat mich damals wenig interessiert. Aber die Musik die ich als Kind und Jugendlicher geliebt habe, hatte schon immer viel mit Dub zu tun: Basslines, Delay, Dub-Samples. Als junger Erwachsener Ende der 90er hab ich dann Tubby & Zeitgenossen für mich entdeckt.
Wie sieht der Entstehungsprozess eines typischen Dub-Tracks von dir aus?
Sehr unterschiedlich. Ein interessantes Sample oder Loop, ein Thema. Der Rest kommt von selbst.
Wann bist du mit einem von dir produzierten Dub-Track zufrieden?
Irgendwann macht es einfach „Klick“. Ich bin kein Perfektionist, dass ist ein Vorteil. Manche Tunes brauchen etwas länger, andere funktionieren innerhalb von Stunden. Ich beiße mir aber auch schon manchmal die Zähne aus. Aber ein wohliges Gefühl im Bauch sagt mir dann irgendwann: dass ist jetzt so fertig.
Was ist beim Produzieren von Dub am wichtigsten?
Fantasie, Experimentierfreude, keine Angst vor Fehlern.
Was ist deine besondere Stärke?
Ich kann sehr schnell arbeiten, wenn ich eine konkrete Idee habe.
Welches Album hältst du für dein bestes?
„Dub over science“ von 2020 auf Basscomesaveme.
Gelingt es dir, mit Musik deinen Lebensunterhalt zu bestreiten?
Ja. Manchmal besser, manchmal schlechter. Ich bin musikalisch sehr vielseitig unterwegs. Allein vom Dub leben würde aber nicht funktionieren.
Welche Aspekte deines Jobs machen dir am meisten Spaß?
Live spielen und der kreative Austausch mit anderen Künstler:innen. Ich improvisiere z. B. sehr gerne mit anderen bei meinen Auftritten.
Wovor graust es dir im Studio?
Zu viele Menschen schauen mir über den Rücken während ich produziere. Das ertrage ich nur ganz kurze Zeit. Das gilt nicht für Musiker:innen die mit mir gerade im Studio arbeiten, dass geht dann schon klar.
Wenn du gerade nicht an Dubs schraubst, was machst du dann am liebsten?
Über Dub nachdenken.
Was hörst du außer Dub?
Alles mögliche. Wirklich!
Wenn Geld und Zeit keine Rolle spielten: Welches Projekt würdest du gerne verwirklichen?
Zeit und Geld spielt im Moment keine Rolle, ich habe gerade das Gefühl ich kann die Dinge machen, die mir Spaß bereiten. Zur Zeit arbeite ich an einer SpokenWord/Dub Platte. Zeit ist da, es geht aber zäh voran, vor allem, weil sich nur schwer Künstler:innen finden lassen, die mitmachen. Wenn allerdings Geld wirklich keine Rolle spielen würde, hätte ich ein Soundsystem in meinem Wohnzimmer.
Was bevorzugst du: Studioarbeit oder Sound System-Performance?
Beides ist wichtig. Ich liebe Soundsystem Veranstaltungen. Sie inspirieren mich. Oft hab ich danach oder währenddessen das Gefühl, dass ich sofort ins Studio und meine Maschinen anwerfen muss.
Wer ist für dich der größte Dub-Artist aller Zeiten?
Jimi Hendrix meets King Tubby
Und wer der aktuell interessanteste Dub-Artist?
Es sind viele ProduzentInnen die ich toll finde. Zu viele um alle zu nennen. Aber es gibt aktuell bemerkenswerte Releases von Babe Roots, Om Unit, Bukkha, Tjah, Kaptan, Another Channel, …
Welches Sound System schätzt du am meisten?
Respekt geht an alle, die so ein Projekt auf sich nehmen. Das find ich wirklich immer wieder beeindruckend.
Was sind deine persönlichen Top Dub-Alben?
Massive Attack Meets Mad Professor: No Protektion
Rhythm & Sound: W/ the Artists
Dub Syndicate: Classic Selection Volume 2
Alec Empire: Low on Ice
Disciples: Infinite Density of Dub
Benjah and EK: Dust Off the Dubs
Dub ist ja bekanntlich ein Subgenre von Reggae. Doch auch Dub zerfällt wieder in diverse Subsubgenres. Verrückter Weise besteht selbst ein Subsubgenre, wie Steppers, wieder aus unterschiedlichen Spielweisen. Da wäre z. B. der Steppers alter Schule, wie wir ihn von den klassischen UK-Soundsystems kennen. Iration Steppers, Disciples oder Jah Warrior sind typische Vertreter. Dann gibt es noch eine jüngere Schule, die etwas experimenteller zu Werke geht. Hier fallen mir Alpha Steppa, Kanka oder Jah Schulz ein. Und dann gibt es noch jene Schule, die reines Futter für Sound Systems produziert. Einen ganz speziellen Sound, der sich gar nicht so leicht beschreiben lässt. Statt es in Worte zu fassen, empfehle ich, dieses Album anzuhören: Benjah and EK: „Dust Off the Dubs“ (Lions Den). Benjah und EK sind zwei junge Produzenten aus Frankreich. Sie firmieren auch unter dem Namen „Bedrin Records“ und bieten genau den Sound, der auf Sound System-Events den Selector zum Rewind zwingt. Mit etwas Phantasie ließe sich das Ganze als „technowise Dub“ bezeichnen. Der Rhytmus ist hundertprozentig Reggae, aber die Produktionen haben sich vom Mimikry handgemachter Musik vollständig verabschiedet, der Rhythmus ist maximal repetitiv und sämtliche Referenzen zu Dub und Reggae in Form von Samples, MC-Vocals und „Jah“-Rufen oder Sirenen fehlen.
Das auf Sound System-Music spezialisierte Berliner Label Lions Den, steht schon lange auf den Sound der beiden Franzosen und beschloss deshalb, ihnen ein Album zu widmen, auf dem sie die besten Dubs der letzten Jahren zu einem dicken Paket von 20 Tracks zusammen schnürten. Mir geht es wie Lions Den, auch ich stehe auf diesen kompromisslos konkreten Sound, insbesondere die durch die Drums forcierte Polyrhythmik hat es mir angetan. Allerdings befinden sich auch einige ziemliche Nieten unter den 22 Tracks (11 Instrumentals plus Dub-Versions), in denen mir bräsige Synthie-Orgien den Spaß verderben, oder mich ob der einfallslosen Beats die Langeweile überwältigt. Vielleicht hätte nicht jeder Dub es verdient, abgestaubt zu werden.
Kaptan: Dubs from the Vault
Dub wird ja inzwischen überall auf der Welt produziert, natürlich auch in Deutschland (aber ironischer Weise kaum noch in Jamaika). Nicht nur haben wir in Hamburg eines der profiliertesten Dub-Labels weltweit, sonder auch eine gut abgehangene Generation etablierter Dub-Producer. Mit Leuten, wie Jah Schulz und Kaptan stehen aber auch junge Talente in den Startlöchern. Beide, Schulz und Kaptan, verschreiben sich puren, kompromisslosen Sound System-Dubs, die ihre immersive Kraft aus reiner Bass-Präsenz und stoisch-repetitiven Beats beziehen. Hier steht nicht mehr der virtuose Mix im Zentrum, oder gar eine blasse Erinnerung an ein sowieso nicht vorhandene Vocal-Version, sondern der reine, abstrakt-konkrete, vom Bass getrieben Sound. Kaptan hat soeben sein Debut-Album vorgelegt: Dubs From the Vault (Basscomesaveme), das ich zur Zeit mit großer Faszination höre. Mit dem traditionellen Dub-Schema hat auch dieses Album nicht viel gemein. Dafür umso mehr mit Jah Schulz – und beim letzten Track auch sehr viel mit Rhythm & Sound. Es geht also ausdrücklich nicht um Heavy Steppers, sondern um langsamere Produktionen, in denen sich der Bass ausbreitet, wie ein quellender Hefeteig. Alle Poren und Hohlräume der Dubs werden vom Bass-Teig durchdrungen. Schlagzeug und Offbeat wabern darin herum, wie Rosinen. Einfach nur lecker! Obwohl der Titel anderes vermuten lässt, sind die „Dubs From the Vault“ aktuelle Produktionen und keineswegs einst im Archiv verschollen gegangenes Material. Das Album umfasst nur sieben Tracks – was dem Release-Format geschuldet ist, denn wer das Album physisch besitzen möchte, muss tatsächlich eine Audiokassette kaufen. Zum Glück gibt es aber auch eine digitale Ausgabe mit perfektem Sound.
Kino Doscun & Youthie: Sahar
Ich liebe es, wenn sich Dub mit untypischen Musikkulturen mischt. Dub und klassische Musik hat mich schon immer fasziniert, die Kombination von Dub und Jazz liebe ich sehr und auch die Mischung von Dub mit nordischen Melodien sind mir von einigen Produktionen in guter Erinnerung. Da fällt mir ein: Eine der ersten Begegnungen dieser Art hatte ich auf einem Album der Twinkle Brothers, das sie zusammen mit einigen polnischen Violinisten aufgenommen hatten. Wie hieß es gleich? Egal. Was auch schon immer super funktioniert hat ist die Kombination von Dub mit orientalischen Harmonien. Ich denke da an den Spy from Cairo und andere. Wie schön, dass wir diesen spannenden Sound nun endlich mal wieder in Form eines gelungenen Albums vorliegen haben: „Sahar“ (Merkaba Music) von Kino Doscun & Youthie. Die Posaunistin, Flötistin und Akkordeonspielerin Youthie dürfte Dub-Fans gut bekannt sein. Man denke nur an ihre fantastischen Macca Dread-Produktionen. Youthie ist inzwischen ein Garant für gute Musik. Aber wer ist Kino Doscun? Meine Recherchen führen mich zu einem gewissen Dino Coskun, der Soundtechniker an der Opéra National de Paris ist. Seine Spezialität ist das Remixen und Dubben orientalischer Musik, indem er Oud, Saz, Gitarre und Percussions spielt, loopt und dann in dubbige Sound-Texturen überführt. Auf „Sahar“ zeichnet er für fast alle Instrumente verantwortlich. Youthie beschränkt sich auf Posaune, Flöte und Akkordeon. Heraus gekommen ist eine faszinierende Dub-Melange aus komplexen orientalischen Melodien, sensiblen Instrumental-Soli, natürlich viel Bass sowie verhaltenen Reggae-Beats. Alles in komplexen Arrangements miteinander verwoben und virtuos gemixt. Wären da nicht die Echos und der Hall, ließe sich „Sahar“ für ein kunstvoll arrangiertes Instrumentalalbum halten. Die Musik basiert unverkennbar auf Reggae-Basslines und regelmäßig erklingenden Offbeats, doch der starke orientalische Charakter der Instrumente und der Melodien führen uns an die Grenze des Genres – und beweisen uns zugleich, wie universell Reggae und Dub sein können.
Pama I’ntl Meets Wrongtom in Dub
2001 gründete sich die achtköpfige Band Pama International, die ihre Musik als „Dub Fuelled Ska Rocksteady & Reggae“ beschreibt. In dieser Beschreibung steckt bereits ein gewisser Widerspruch, denn Dub und Ska und Rocksteady passen eigentlich nicht gut zusammen (wenn man das Werk von Victor Rice mal außen vor lässt). 2006 unterschrieb die Band bei Trojan Records einen Plattenvertrag – als erste Band nach 30 Jahren. Doch bereits zwei Jahre später war der Spaß schon wieder vorbei. Die Pamas gründetem darauf hin ihr eigenes Label „Rockers Revolt“ und nahmen das Album „Love Filled Dub Band“, das als eines ihrer besten gilt. Obwohl das Album (gemäß seines Titels) bereits von starken Dub-Elementen geprägt war, wurde der Londoner Sound-Tüftler Wrongtom damit beauftragt, eine Dub-Version herzustellen. Doch seine Aufnahmen verschwanden im Nirvana und blieben (angeblich) bis ins Jahr 2022 verschollen. Nun sind sie auf wundersame Weise wieder aufgetaucht und nun auf dem Album „Pama I’ntl Meets Wrongtom in Dub“ (Happy People) zu hören. Eine große Geschichte um ein einigermaßen schlichtes Album. Ja, Wrongtom hat ordentlich gedubbt, aber das Ergebnis bleibt irgendwie farblos. Vielleicht liegt das aber auch an dem ausgesprochenen Retro-Stil der Aufnahmen. Magie, Tiefe, Intensität und Spiritualität guter aktueller Produktionen sucht man hier vergeblich. Der Sound bleibt vergleichsweise unverbindlich und belanglos. Ja, das Ganze wirkt durchaus etwas uninspiriert – ebenso wie das Cover. Wer allerdings jamaikanischen Dub der 1970er Jahre mag, könnten hier jedoch anderer Meinung sein.
Le Faune Stepper: Paradoxe
Wer Lust auf krachenden Steppers hat, ist bei Le Faune Stepper richtig. Auf seinem neuen Album „Paradoxe“ (ODG) knallt die Bassdrum im Stakkato auf den Floor. Dazu gibt es teils ganz schlimme Synthie-Sounds. So schlimm, dass es schon wieder Spaß macht. Und natürlich viel, viel Bass. Da hinter Le Faune Stepper der versierter Trompeter Robin Pavie steckt, hören wir zudem viele schöne Bläsersoli, die gar manchmal an Balkan-Sounds erinnern. Überhaupt muss man Pavie einige Phantasie bei der Komposition seiner Dubs zugestehen. So schmücken viele feine Melodien die oft brachial anmutenden Steppers-Beats. Fast schade, dass der Faun durch seine verzerrten Bässe und brutalen Beats die kunstvollen Aspekte seiner Arbeit so verschleiert. Andererseits ist gerade der Kontrast zwischen fein ausgearbeiteten Elementen und brutaler Anarchie reizvoll. Wie alle ODG-Alben, steht auch „Paradoxe“ zum freien Download zur Verfügung. Es ist auch im Stream verfügbar – und wer eine gut Tat vollbringen möchte, kann es auch bei Bandcamp auch kaufen.
Dubblog Jahres-Charts 2022
Es ist wieder so weit: Wir servieren euch unsere Dub-Top 5 des zu Ende gehenden Jahres. Wie ihr seht, zählt bei uns Diversity. Wie sollte es bei einem so facettenreichem Genre auch anders sein? Wir sind auf eure Kommentare gespannt.
Top 5 von René
Ein Dub-Treatment von Adrian Sherwood, das weit über die Grenzen von Dub hinaus geht.
Volle Arrangements, schöne Basslines, klassische Dub-Techniken und analoges Equipment – eine Schweizer Qualitätsproduktion.
Ein Album mit wunderschönen Bläsermelodien, inspiriert komponiert und perfekt produziert. Hier stimmt alles.
Doppelpack bestehend aus Vocal-Versions und Dubs. Produziert und gemixt von Victor Rice. Der authentische Klang echter Instrumente ist erfrischend und die Kunst der Musiker beeindruckend.
Hier ist einer der großen alten Meister des Dub an den Reglern, der stets im Schatten von Tubby & Co. stand. Doch nicht nur die Mixes sind groß, auch die Produktionen.
Top 5 von Ras Vorbei
Schön, dass es noch Labels gibt, die es sich zur Aufgabe machen, solch äußerst seltene, einzigartige Dub-Klänge vor der Vergessenheit zu bewahren.
Riddims for Eternity! Von Sabab kongenial neu bearbeitete Klassiker.
Über 40 Jahre sagenhafter und einzigartiger On .U Sound. So geht der etwas andersgeartete Dub.
Da wurde es auch höchste Zeit. Endlich ein paar fantastische Dubs zu den wunderbaren Vokal-Vorlagen aus Bristol.
Ultra rare A-Sides, Dubs und Dubplates aus der stärksten Phase der besten Black Uhuru, die es je gab.
Top 5 von Helmut
Geprägt vom Nu-Jazz Londons und den goldenen Jahren der Roots-Ära hat Nick Manasseh mit „On The Grove“ das schönste Reggae-Album des Jahres abgeliefert. „Grove Dub“ ist das ebenbürtige Pendant.
Zwei unauffindbare, rätselhafte und unbezahlbare LPs kommen ans Tageslicht. Niemand weiß, wer sie wo gemischt hat. Auch die meisten Vocaltunes dazu lassen sich nicht herausfinden.
Beide Ultra-LPs stammen aus den Mittsiebzigern. Das Enigmatische und die ungelösten Fragen sorgen für Faszination. Der restaurierte Sound ist fantastisch. Die Rätsel bleiben.
Ein Reissue von 1978. Nicht die beste Pressung, was aber bei den mit voller Breitseite von Prince Jammy bei King Tubby gemischten Dubs untergeht.
Paolo Baldini beherrscht derzeit die Klaviatur von Effekten und On & Offs wie kein zweiter. Das Artwork mit seiner Reminiszenz an Linton Kwesi Johnsons „LKJ in DUB“ von 1980 sorgt für den Platz in der Top 5.
Top 5 von gtk
Die Überraschung 2022 schlechthin: Die Finnen können auch Reggae! In diesem Fall sind es Instrumentals, die von einer hervorragenden Horn-Section, aber auch wunderbaren Dub-Effekten, Marke King Tubby, profitieren.
Ein überraschendes Debut-Album, das auf einprägsame Riddims, Yorke’s tonsicheres Falsetto und feine Bläsersätze setzt. Das Ganze im besten Sinne zurückhaltend distinguiert – wie es der vermeintliche Ruf der Briten halt so verlangt.
Gaudi entblättert Tracks der viel zu üppigen geratenen „Havanna Meets Kingston“-Alben. Was bleibt sind wunderbar erschlankte Dubs, die Drums, Bass und gelungene Hooklines in den Mittelpunkt stellen.
Adrian Sherwood wendet sich nach einigen Ausflügen in genrefremde Gefilde endlich wieder dem Dub zu: Glänzend aufpolierte Remixes zeichnen dieses Companion-Album zum Vocal-Release „Midnight Rocker“ aus.
Ein Album, dass sich einzig & allein & nur aufgrund des feinen Dub-Mixes von Paolo Baldini in die Top 5 geschlichen hat. Das ist umso bemerkenswerter, als die Originale das Prädikat aalglatter Pop-Reggae verdienen.
Palmer in Dub
Hä, was hat den Eighties-Pop-Ikone Robert Palmer mit Reggae zu tun? Ihr wisst es nicht? Hier ist die ganze Geschichte:
Robert Palmer ist weithin bekannt (vielleicht inzwischen aber auch vergessen) für seine Auftritte in eleganten Anzügen, mit einer Band bestehend aus Fotomodellen ohne Kabeln in ihren Instrumenten. Aber der 2003 verstorbene Sänger war mehr als der Dandy der MTV-Generation. Als Palmer mit „Addicted to Love“ und „Simply Irresistible“ in Deutschland die Charts eroberte, blickte der weltoffene Brite bereits auf eine höchst respektable Diskographie zurück, die weit über Steam-Hammer-Pop hinausging.
Als Teenager entdeckte der im Norden Englands aufgewachsene Robert Palmer seine Leidenschaft für schwarze Musik aus den USA und spielte in einigen Soul- und R&B-inspirierten Bands, bevor er von Chris Blackwell für sein neues Label Island unter Vertrag genommen wurde. Nach dem in New Orleans aufgenommenen Debüt „Sneaking Sally Through The Alley“ mit den Meters als Begleitband, zog Palmer nach New York und entdeckte den Reggae für sich: Er nannte sein Album „Pressure Drop“ (1975) nach dem Song von Toots & The Maytals, den er coverte. Nach einem weiteren Umzug auf die Bahamas wurde das Album „Double Fun“ im von Blackwell eingerichteten Compass Studio in Nassau produziert, inklusive des Klassikers „Every Kinda People“, der später passenderweise von Chaka Demus & Pliers gecovert wurde. In jenen Tagen besuchte Palmer auch das Black Ark Studio von Lee „Scratch“ Perry in Jamaika, in der Hoffnung, ein wenig vom Geist des ansässigen Reggae-Genies zu profitieren. Allerdings verlief die Session nicht wie erhofft: Die einheimischen Rastas hatten Spaß daran, den weißen Sänger zu ärgern, der von Perry produzierte Mix „Best of Both Worlds“ blieb unveröffentlicht (inklusive Dub), und am Ende erschien nur die Single B-Seite “Love Can Run Faster“. Nach dieser Folge stellte Palmer mit den Alben „Secrets“ und „Clues“ sowie dem Disco-Funk „Looking For Clues“ die Weichen für die Achtziger und die Chart-Highlights seiner Karriere: Rockgitarren, Prince-inspirierter Funk und schließlich The Power Station mit den Chic-Musikern Tony Thompson und Bernard Edwards sowie John und Andy Taylor von Duran Duran.
»Aber was wäre passiert, wenn an diesem Tag im Black Ark Studio alles glatt gelaufen wäre? Wenn Palmer an Jamaika und seinen Vibes festgehalten und all seine vergangenen und zukünftigen Hits in diesem legendären Studio produziert hätte?« fragt das Presse-Info von Echo Beach und das Label gibt auch gleich eine Antwort in Form des Albums »Palmer in Dub« (Echo Beach).
Mitgewirkt daran haben interessante Musiker: Schlagzeuger Achim Färber (Automat, Ben Lucas Boysen), Klangkünstler Max Loderbauer (Ambiq, Moritz von Oswald Trio), Bassist Zeitblom (Automat, Pole) und Ingo Krauss (Tonmeister, Teilmischung, ehemals Conny Plank Studio), und DEADBEAT (Scott Monteith) sowie Doug Wimbish.
Das Ergebnis ist – sagen wir mal: Interessant. Perry wäre damit sicher nicht d’accord gewesen. Abgesehen davon, das Robert Palmers mit Echos überhäufte Stimme nur stört, sind auch die Rhythms nicht wirklich gut geworden. Sie klingen schlicht monoton und uninspiriert. Der Sound wirkt stumpf und selbst der Bass entfaltet keine Dynamik. Erschwerend hinzu kommt, dass mache Songs bis zu drei mal (in leicht unterschiedlichen Mixen) auf dem Album wiederholt werden. Von dem Song »Jonny & Mary« gibt es sogar ein eigenes Remix-Album mit 8 Versionen des Stücks. Das Verrückte dabei: Es ist abwechslungsreicher als »Palmer in Dub«. Wir hier im dubblog lieben die Arbeit von Echo Beach, aber mit »Palmer in Dub« kann uns unser Lieblingslabel nicht überzeugen.